Der Weg zu seinem Outing im September 2018 war für den früheren Spitzenturner nicht einfach. Jetzt erhält Lucas Fischer, 29, aber den Lohn für diesen mutigen Schritt. Ein Jahr, nachdem er seine Homosexualität öffentlich gemacht hatte, geht es ihm so gut wie noch nie. «Ich fühle mich frei, bin im Reinen mit mir und das macht mich total glücklich und zufrieden», sagt Fischer zu SI online.
Dass er seine Gefühle nicht mehr verstecken muss, hat den heutigen Künstler beflügelt und ihm einen kreativen Schub verliehen. So hat der Aargauer den offiziellen Song zur Kunstturn-WM geschrieben. Sein Lied «Set New Signs» wird Fischer nun am 4. Oktober in Stuttgart präsentieren.
Sein bevorstehender Auftritt ist mit Lampenfieber verbunden, auch weil der frühere Vize-Europameister am Barren der Turner-Szene noch als Hetero-Mann in Erinnerung ist. «Es fühlt sich speziell an, mit meiner neuen sexuellen Orientierung in mein altes Umfeld zurückzukehren. Ich habe daher Respekt vor diesem Auftritt. Aber ich weiss zu 100 Prozent, wer ich bin und wie ich ticke. Wem mein Schwulsein nicht passt, der kann mir nur leidtun», sagt der Sänger selbstbewusst.
Er glaube aber an das Gute im Menschen und habe daher keine Angst vor unangenehmen Begegnungen mit ehemaligen Weggefährten. Im Gegenteil: «Ich freue mich darauf, alte Bekannte wiederzusehen. Es gibt bestimmt noch mehr schwule Turner, die sich aus einer falschen Angst verstecken. Denen will ich Mut machen und zeigen, dass Homosexualität auch im Kraftsport Platz hat.»
Als schwuler Mann habe er generell einen anderen Platz in der Gesellschaft eingenommen, ist das Multitalent überzeugt. Mit seinem Coming-out habe sich auch seine Rolle als LGBT+-Aktivist (lesbian, gay, bisexual, and transgender, das + steht solidarisch für alle weiteren Sexualitäten) verändert, sagt er: «Ich denke, dass ich als homosexueller Mann die Anliegen und Rechte der LGBT+-Community anders vertreten kann. Ich bin heute ein glaubhafterer Aktivist, als ich es vor meinem Outing war.»
Durch seine Teilnahme an der Zurich Pride sei er auch vermehrt mit anderen prominenten LGBT+-Vertretern in Kontakt gekommen, so zum Beispiel mit Model Tamy Glauser, 34, erklärt Fischer.
An solchen Veranstaltungen, aber auch auf Schwulen-Partys und über die Social Media, lernte Fischer in diesem Jahr sehr viele andere schwule Männer kennen. «Es war crazy, wie viele interessierte Männer sich bei mir gemeldet haben. Ich vermute, es liegt an meiner Ausstrahlung. Seit meinem Outing sieht man mir wohl mehr an, dass ich auf Männer stehe», erklärt sich Fischer das grosse Echo.
In den zwölf Monaten liess er sich aber nur auf fünf Dates ein. «Ich bin kein Betthüpfer und im Umgang mit interessierten Männern sehr vorsichtig», so Fischer. Seit einigen Monaten datet der Künstler allerdings überhaupt keine neuen Männer mehr – er hat seinen Herzmenschen nämlich gefunden. «Ich bin verliebt und in einer Beziehung», verrät Fischer. Wer der Mann an seiner Seite ist, möchte der 29-Jährige noch nicht offenbaren. «Es ist alles noch sehr frisch – und wir sind noch nicht dazu bereit, unsere Liebe öffentlich zu machen.»
Das erste Mal begegnet sind sich die beiden an einem Konzert von Fischer. «Es passierte ganz spontan. Ich kannte ihn vorher nicht», sagt er. Sein Freund sei charakterlich ganz anders als er und das sei gut so, schwärmt der Sänger: «Ich bin hibbelig und emotional, mein Freund ist mehr der Ruhepol.»
Trotz Fischers vollem Terminkalender finden sie Zeit für Zweisamkeit, sagt er: «Wir waren auch schon gemeinsam in den Ferien. Das war sehr schön.» Für Fischer, der vor seinem Outing auch schon Beziehungen mit Frauen hatte, ist diese Liebe das Nonplusultra: «Es ist ein Mega-Gefühl von Geborgenheit. Sex mit Frauen fühlte sich früher auch richtig an, aber jetzt mit einem Mann ist es einfach nochmals schöner und leidenschaftlicher.»