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Quer durch die Schweiz

Mit Maria Walliser ab ins Naturbad

E-Biken nur für Faule? Denkste! Selbst die topfitte Ski-Weltmeisterin Maria Walliser hat die Reize des stromunterstützten Radelns entdeckt. Auch wenn sie eigentlich lieber mit reiner Muskelkraft die Berge hochkraxelt. Etappe 3: Von Chur nach Altdorf.

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Mit Maria Walliser auf dem E-Mountainbike von Malans bis zum Urner Boden/Klausenpass. Foto: Bernard van Dierendonck

Beflügelt: Maria Walliser am Saarfall in Vilters-Wangs SG. «Hier führt mein Bikeweg oft vorbei.» Den Helm hat sie nur fürs Bild abgelegt.

bernard van dierendonck

Einmal kommt dann selbst die Nimmermüde zum Stillstand. Wenn auch nicht ganz freiwillig: Oben auf dem Urnerboden UR, der grössten Alp der Schweiz, steigt Maria Walliser Anesini, 56, von ihrem Elektro-Mountainbike und wartet auf das Postauto, das sie und ihr Gefährt über den Klausenpass nach Altdorf bringen soll. «Jetzt geht uns beiden der Pfuus aus», sagt sie lachend.

Was nach den 100 Kilometern Weg von Chur an den Walensee und über den Kerenzerberg ins südliche Glarnerland nachvollziehbar ist. Speziell beim Akku des Bikes, trotz Nachladen unterwegs. Bei Maria ist man da nicht so sicher, ob ihre Batterien nicht auch noch für den Ritt über die Passstrasse gereicht hätten. Topfit, wie die mehrfache Skiweltmeisterin auch 30 Jahre nach ihrem Karrierenende ist.

Quer durch die Schweiz SI Sommerserie Juli 2019

Etappe 3 – Mit E-Power Richtung Berge: Vom Startort Chur führt diese Strecke mit dem E-Bike zunächst an den Walensee und dann weiter ins Glarnerland. Das sind bereits rund 100 Kilometer. Deshalb geht der letzte Abschnitt über den Klausenpass mit dem Postauto nach Altdorf. Auch das Bike fährt mit.

Schweizer Illustrierte

Dass eine der grössten Schweizer Skirennfahrerinnen noch immer vom Ehrgeiz getrieben ist, wäre indessen eine Fehldeutung ihres Bewegungsdranges. Gerade beim Biken gönnt sie sich durchaus eine etwas bequemere Fortbewegung: «Ich bin bis vor Kurzem selbstverständlich ohne Stromunterstützung über Stock und Stein Velo gefahren. Aber nun finde ich, ich habe in meinem Leben genug geschwitzt und gekämpft. Das brauche ich auf dem Bike nicht mehr.»

Das E-Bike wurde ihr «untergejubelt»

Ein Jahr ist es her, dass sie aufs E-Bike umsattelt. Ihr Ehemann Guido, 65, erhält von seinen Arbeitskollegen einen Gutschein für ein Elektrovelo, als er die Leitung der Generalagentur Graubünden abgibt, wobei er aber weiterhin als Key-Account-Manager seine Kunden betreut. Heimlich packt er die Gelegenheit und «jubelt» seiner Frau auch gleich einen Stromer unter. Seither hat das Ehepaar die Reize des elektrounterstützten Radelns entdeckt. «Wir geniessen die neue Gemütlichkeit sehr. Man kommt weit herum und tut gleichzeitig etwas für die Fitness», sagt Maria, deren erste sportliche Liebe nebst dem Skisport aber dem Wandern und Bergsteigen gilt.

Konkret bedeutet das dann, dass Maria und Guido schon mal ein Zweitagestüürli von ihrem Wohnort Malans in der Bündner Herrschaft bis hoch nach Mosnang SG ins Toggenburg machen, wo Maria aufgewachsen ist und ihre Eltern noch immer leben. Oder so wie kürzlich mit dem einstigen Skikollegen Walter Tresch und seiner Frau quer durch den ganzen Kanton Thurgau radeln.

Urner Boden. Mit Maria Walliser auf dem E-Mountainbike von Malans bis zum Urner Boden/Klausenpass. Foto: Bernard van Dierendonck

Geschafft! Auf dem Urnerboden gönnt sich Maria eine Erfrischung, ehe sie mit dem E-Bike ins Postauto steigt.

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«Hier hat Siri ihre Traumhochzeit gefeiert»

Auf der Ferientour mit der Schweizer Illustrierten von Chur nach Altdorf zeigt Maria Walliser, was sie unter E-Biken versteht. Das Tempo auf den Nebensträsschen in der Fläche ist zügig, aber auch am Berg tritt sie entschlossen in die Pedale. Streut sie Pausen ein, geniesst sie diese bewusst, und wo die Route an einem Wässerchen vorbeiführt, zieht es sie fast automatisch ans oder ins kühlende Nass. «Ich liebe das Bad in der freien Natur. Deshalb packe ich wenn immer möglich Badeutensilien in den Rucksack, vor allem beim Wandern.»

Am Walensee macht sie Lunchpause für sich – und Ladebreak für den Akku – direkt am Wasser in der Sagibeiz in Murg, einer einstigen Sägerei. «Hier hat vor genau einem Jahr Siri ihre Traumhochzeit gefeiert. Das weckt bei mir wunderbare Erinnerungen.» Und den Abstecher vom «Zigerschlitz» hinauf ins Klöntal krönt sie mit einem ausgiebigen Bad im Stausee. Das gibt Schwung für den Aufstieg Richtung Klausenpass.

Leitkuh Aelpli. Urner Boden. Mit Maria Walliser auf dem E-Mountainbike von Malans bis zum Urner Boden/Klausenpass. Foto: Bernard van Dierendonck

Unbeeindruckt: Kuh Älpli auf dem Urnerboden ob Linthal lässt sich von der prominenten Besucherin nicht stören.

bernard van dierendonck

Allerdings hat das Biken in Marias vielfältigem Sportprogramm – Golf, Wandern oder Yoga gehören ebenfalls regelmässig dazu – nicht Priorität. Seit Jahren schon bewegt sie sich zu Fuss quasi konträr zu ihrer Skikarriere. Statt die Berge runterzurasen, klettert sie sie hoch. Mit eigenem Bergführer bewältigt sie inzwischen selbst schwierigste Passagen.

Und unlängst hat sie ein besonderes Projekt abgeschlossen: «Als Patriotin habe ich die höchsten Punkte sämtlicher Schweizer Kantone erklettert oder erwandert.» Jetzt erfährt diese Tour ihre logische Fortsetzung: Die Skiqueen besteigt der Reihe nach die höchsten Gipfel aller an die Schweiz angrenzenden Länder.

Lourdes Grotte bei Mels. Mit Maria Walliser auf dem E-Mountainbike von Malans bis zum Urner Boden/Klausenpass. Foto: Bernard van Dierendonck

Andacht: In der Lourdes-Grotte bei Mels SG zündet Maria eine Kerze an. «Ich halte ein an Kraftorten wie diesem. Ich bin ein spiritueller Mensch.»

bernard van dierendonck

Die Klettertouren werden schwieriger, seit die Kinder der Familie Anesini Walliser flügge sind. «Guido hatte immer etwas Angst um mich bei solchen Unternehmungen, als unsere Töchter noch kleiner waren.» Doch inzwischen hat Siri, 28, die sich von ihrer Spina bifida und dem Leben im Rollstuhl noch nie hat behindern lassen, ihr Masterstudium der Juristik abgeschlossen und absolviert derzeit ein Praktikum auf dem Regionalgericht in Landquart.

Mit ihrem Ehemann Thomas wohnt sie in Malans, unweit ihres Elternhauses. Und die fünf Jahre jüngere Noemi hat ihre Rennkarriere als Skifahrerin beendet, bleibt der Sportart aber als Skilehrerin treu. Sie studiert in Fribourg Medienwissenschaften, Kommunikation und Sport und wohnt in Bern. Mama Maria geniesst es, dass sie nun auch vermehrt dazu kommt, mit ihrer «Kleinen» etwas Aktives zu unternehmen, was während Noemis Skizeit doch eher zu kurz kam.

Vor dem Gewitter, Sagibeiz Murg. Mit Maria Walliser auf dem E-Mountainbike von Malans bis zum Urner Boden/Klausenpass. Foto: Bernard van Dierendonck

Energieschub: In der Murger Sagibeiz gibts Dessert nach dem Lunch. Draussen gewittert es.

bernard van dierendonck
Ständig auf der Suche nach neuen Herauserforderungen

Doch ob mit oder ohne Ehemann und Töchter – der Begriff Langeweile kommt in Maria Wallisers Vokabular sowieso nicht vor. Das Haus in Malans und sein Umschwung geben Arbeit. Zudem ist sie ständig auf der Suche nach neuen Lern-Herausforderungen, sei es mit der Ausbildung zur Yogalehrerin oder dem Erlangen des Bootsführer-Patents. Ohne eigenes Boot, einfach so, aus Gwunder, ob sie das schafft. Und die 150 Rebstöcke hinter ihrem Haus bearbeitet sie ganz alleine. «Den Cabernet Jura, den ich keltern lasse, brauche ich vor allem zum Verschenken.»

Oder sie versteigert den Walliser Wein aus der Bündner Herrschaft zugunsten der Stiftung Folsäure Schweiz. So wie sie einen Grossteil ihres Herzbluts in die Initiative legt, die das Thema erst durch die Ex-Skirennfahrerin in der Schweiz präsent gemacht hat. Als Stiftungspräsidentin arbeitet Maria noch immer Hunderte von Stunden unentgeltlich und führt ein kleines, engagiertes Team. «Nächstes Jahr wird die Stiftung 20 Jahre alt. Das werden wir mit verschiedenen Aktionen ausgiebig feiern», sagt sie. Keine Frage, dass sie ihr Organisationstalent einbringt und die Öffentlichkeit damit für das Lebensvitamin Folsäure sensibilisiert.

Vorerst aber radelt Maria Walliser mit Elektro-Unterstützung durch ihre Bündner Wahlheimat in Richtung Innerschweiz. «Hier bin ich zu Hause, obwohl mein Herz noch immer auch fürs Toggenburg schlägt.» Die Distanz dorthin? Ein Pappenstiel. Ihr Akku ist noch mehr als voll für viele Expeditionen per Muskelkraft.

Weitere Etappen gibt es im Dossier «Quer durch die Schweiz» zu lesen.

Von Iso Niedermann am 13. Juli 2019 - 18:16 Uhr