Mit einem Lächeln im Gesicht und goldenen Discokugeln, die als Ohrringe um ihr Kinn baumeln, kommt Noémie Schmidt (33) ins Theater in Sion VS. Hier probt die 33-jährige Schauspielerin für das Stück «La nuit n’en finira donc pas..?», bei dem sie auch Regie führt. Dabei geht es um Wut, die man in eine Feier umwandeln kann, ums Zusammensein – und ums Wallis.
Für Schmidt ist es eine Rückkehr in die Heimat. Seit zehn Jahren lebt die gebürtige Sittenerin in Frankreich, auf einem Bauernhof in der Dordogne im Südwesten des Landes. «Nach Paris gehe ich, um Verträge zu unterschreiben – und um gut zu essen», sagt sie und lacht. In Frankreich ist Schmidt ein Star.
Ihre Rollen in der Netflix-Serie «Versailles», der teuersten je in Europa gedrehten TV-Reihe, in «Frühstück bei Monsieur Henri» mit Claude Brasseur oder in der aktuellen Netflix-Produktion «Anthracite» bescheren ihr Auftritte in grossen Talkshows, wo sie das Publikum mit ihrer natürlich-dezenten Art begeistert.
Punkrock und Politik
Mit Glamour und roten Teppichen identifiziert sich Schmidt allerdings wenig. Vielmehr mag sie Punkrock, Bücher und Politik. «Ich nutze meine Stimme als Schauspielerin. Mich auszudrücken, davon träumte ich schon als Kind.» Nach der Matura verlässt Schmidt das Wallis und reist mit dem Velo von New York nach San Francisco. Auf diesem achtmonatigen Trip entscheidet sie sich, Schauspielerin zu werden und sich in der Theaterschule in Brüssel einzuschreiben. In diesem Schmelztiegel verschiedener Ethnien findet sie ein ideales Umfeld, um ein bisschen verrückt zu sein. «Ich wollte woanders hingehen, das Elternhaus verlassen. Aber ich liebe das Wallis umso mehr, seit ich weg bin.»
Ihren Freunden in Frankreich erklärt sie ihre enge Heimat als «die Bretagne oder das Korsika der Schweiz». Ein etwas rebellischer Kanton, auch wenn es die negativen Aspekte der Identität ebenfalls gebe. «Ich sage ihnen auch, dass es ein warmherziger und grosszügiger Kanton ist, in dem man immer diskutieren kann, selbst wenn man nicht einer Meinung ist.»
Prix Walo als beste Newcomerin
Neben Französisch spricht Schmidt fliessend Englisch und Deutsch – wenn auch mit leichtem Akzent. So lernt auch das Deutschschweizer Kinopublikum sie kennen. Im Film «Wolkenbruch» über die wundersame Reise des orthodoxen Juden Motti spielt Schmidt die schöne Schickse – Nichtjüdin – Laura an der Seite von Joel Basman. Für ihre Rolle wird sie beim Prix Walo als «beste Newcomerin» ausgezeichnet. Auch für ihren neusten Part in der Netflix-Produktion «Anthracite» gibts für die Schweizerin viel Lob. Sie spielt eine junge Frau auf der Suche nach ihrem Vater, einem Journalisten, der bei Recherchen zu einem rätselhaften Massenselbstmord einer Sekte verschwindet. «In Erfolgszeiten muss man auf dem Boden bleiben und sich nicht für jemanden halten, den man nicht ist», sagt sie gegenüber Wallis Kultur.
Heute ist Noémie in der komfortablen Position, auch mal eine grosse Produktion ablehnen zu können, wenn diese nicht ihren Werten entspricht. «Das ist schon ein paarmal passiert.» Wenn irgendwie möglich, möchte Schmidt mit ihrer Kunst auch eine politische Botschaft vermitteln. In Frankreich beschäftigt sie vor allem der Kampf gegen die extreme Rechte, die Hassbotschaften verbreitet. Als diesen Sommer Jordan Bardella vom Rassemblement National kurz davorstand, Ministerpräsident Frankreichs zu werden, griff sie zum Papier. «In der Nacht haben wir wie verrückt Botschaften an die Wände geklebt.» Bei einem Wahlsieg der Rechten hätte sie sich ernsthaft überlegt, das Land zu verlassen. «Es kann immer noch passieren.»
Noch geniesst Schmidt ihr Leben in Paris – und nun das Gastspiel im Wallis. Mit dabei ist dort auch ihr Bruder Robin. Er spielt in der Punkrock-Band, die extra für das Theater gegründet wurde. Die Arbeit am Theater unterscheidet sich für Schmidt massiv von jener beim Film: «Während einer Theateraufführung setze ich in zwei Stunden alle meine Energie um, beim Film muss ich sie mir über einen längeren Zeitraum einteilen.» Zwischen Film und Theater möchte sie sich nicht entscheiden: «Ich liebe beides so, wie ich meine jüngeren Geschwister Robin und Salomé liebe.»
Seit Kurzem ist Schmidt Gotte eines Buben. «Syla ist sieben Jahre alt und hat mich selber gefragt. Seine Eltern wollten ihm die Entscheidung überlassen. Ich war sehr gerührt.» Auch eigene Kinder kann sie sich vorstellen. «Jeden zweiten Tag höre ich die biologische Uhr ticken. Wenn es passiert, dann muss es sein. Wenn nicht, dann nicht. Das Leben ist auch sonst reich genug.»
Bearbeitung: Jessica Pfister