Schulterklopfen, vertraute Blicke, Lachen. Schnell wird klar, diese Männer verstehen sich blendend. Dabei könnten sie nicht unterschiedlicher sein: Luka Müller, 55, ist Anwalt, verheiratet mit der Moderatorin Sandra Studer, 50, und lebt am Zürichsee. Tupou VI., 60, ist König von Tonga, einem polynesischen Inselstaat im Südpazifik mit über 170 Inseln – 17 000 Kilometer von der Schweiz entfernt. «Ich freue mich, Seine Königliche Hoheit in der Schweiz begrüssen zu dürfen», sagt Müller stolz.
Was für eine Freundschaft! Sie nimmt ihren Anfang 1885. Da verlässt Lukas Urgrossvater Philipp Gotthard Müller sein Zuhause in Zug und zieht aus in die weite Welt. In Vavau (Tonga) bleibt er hängen, heiratet die Einheimische Filomena Lauititi. Das Paar hat neun Kinder. Philipp kehrt nie mehr in die Schweiz zurück.
Einen seiner Söhne aber, Robert, schickt er in die alte Heimat. Den plagt schon bald das Heimweh, und er reist mit seiner serbischen Ehefrau nach Tonga zurück, wo 1928 Andrew Müller geboren wird – Lukas Vater. «Ja, in mir fliesst ein Achtel tonganisches Blut, daher mein frischer Teint», lacht Müller.
Müllers und das Königshaus von Tonga pflegen über die Jahrzehnte eine tiefe Freundschaft. Sie bleibt auch bestehen, als die Müllers später in die Schweiz zurückkehren.
So kommt es, dass Anfang der 1980er-Jahre der damalige König seinen Sohn, Prinz Tupou VI., für einige Monate zu ihnen in die Schweiz schickt, um Deutsch zu lernen. «Natürlich inkognito», erinnert sich Luka. Der Königinmutter war sehr wichtig, dass Tupou VI. wie ein normales Familienmitglied behandelt und nur mit seinem Nicknamen «Tuck» angesprochen wurde.
«Einquartiert haben ihn meine Eltern im Zimmer meiner Zwillingsschwester Tina.» In dieser Zeit werden die Jugendlichen Luka und Tuck Freunde. Und wann immer Luka heute nach Tonga reist, besucht er Tuck, der seit 2012 auf dem Thron sitzt, im Palast. «Aber Tuck nenne ich ihn nur noch, wenn wir ganz privat und zu zweit sind.»
Die Einladung zum Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2019 in Zug übergibt Luka bei einem Besuch vor zwei Jahren. König Tupou VI. erfährt so, dass auch die Schweiz einen König hat: den Schwingerkönig!
«Wrestling» war früher auf Tonga eine beliebte Sportart, und Müller hofft, den König so für einen Besuch in der Schweiz zu begeistern. Doch dieser legt die Einladung höflich beiseite, ohne sich zu äussern. Umso erstaunter ist Müller, als er Monate später informiert wird, dass Tupou VI. tatsächlich kommt. Mehr noch: Der König will Müller bei dieser Gelegenheit zum Honorarkonsul von Tonga ernennen.
Intensiv gestalten sich die Vorbereitungen für den hohen Besuch. Immer wieder werden Vorgaben geändert, neue Programmpunkte kommen dazu. «Was einen Rattenschwanz logistischer Herausforderungen nach sich zieht», erzählt Müller.
Einen Abend reserviert sich König Tupou VI. nur für seinen Freund, besucht ihn ganz privat zu Hause. Wobei: So privat, wie es halt einem König möglich ist. Eine dreiköpfige Entourage lässt ihren Chef keine Sekunde aus den Augen.
«Wir sind 14 Personen zum Nachtessen», verrät Sandra Studer. «Auch wenn ich sonst gerne für viele Leute koche, habe ich meinen Nerven zuliebe ein Catering bestellt.» Schliesslich muss alles perfekt sein. Auch Sohn Gian, 21, ist nervös. «Ich habe noch nie unser Auto so lange geputzt. Drei Stunden!» Er hat die Ehre, den König während dessen Aufenthalt herumzuchauffieren.
Bei der festlichen Eröffnung des Honorarkonsulats für das Königreich Tonga in Zürich betont Luka Müller, wie wichtig es ihm ist, auch künftig von der Schweiz aus interessante Projekte zu realisieren – trotz der unglaublichen Distanz. Zum Beispiel im Solarbereich. «Mit unserem Know-how können wir viel helfen.»
Auch die Tourismusbranche werde immer wichtiger. Schon James Cook nannte Tonga nach seinem ersten Besuch 1773 «Friendly Islands», was so viel heisst wie «freundliche Inseln». Und Prinz Harry und Meghan wählten 2018 Tonga für eine ihrer ersten Auslandsreisen, sie waren von der Schönheit des Landes begeistert. Das kann Luka nur bestätigen.
Er besitzt ein Hotel auf der Hauptinsel Tongatapu – nur wenige hundert Meter vom Palast entfernt. «Wie die Malediven, nur ohne Massentourismus.» Dank Müllers Unterstützung absolvierte jüngst ein Tongaer die Schweizer Hotelfachschule. «Jetzt kann er das, was er gelernt hat, in seiner Heimat anderen weitergeben.»
Auch in «Drogen» investiert Luka Müller, wie er augenzwinkernd sagt: Gemeint ist der Anbau von Kava, auch Rauschpfeffer genannt. Daraus wird das Nationalgetränk und Allerweltsmittel gegen Schmerzen jeder Art gebraut.
Mit dem Besuch des Königs in der Schweiz hofft Müller, Tonga den Schweizern etwas näherzubringen. Deshalb gibt er im Rahmen des Schwingfests ein Dinner zu Ehren seines hohen Gastes – im Garten des privaten Familiensitzes der Müllers, direkt am Zugersee. Rund 100 handverlesene Gäste sind geladen. Auch Fürst Albert II. von Monaco und natürlich der ganze Müller-Clan.
Sandra hat eine besondere Überraschung für den König: In Begleitung der A-cappella-Gruppe Bliss singt sie das tongaische Lied «Isalei». Damit schafft sie es, den sonst in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltenden Freund ihres Mannes aus der Reserve zu locken. Herzlich applaudiert er nach ihrem Auftritt und bedankt sich für ihre wunderbare Geste.
«His Majesty» bleibt nach dem Schwingfest noch eine Woche in der Schweiz. Müller lässt es sich nicht nehmen, ihn, so oft es geht, zu begleiten. «Ich geniesse jeden Tag hier», sagt Tupou VI., «schade, bin ich seit damals bei Müllers nie mehr zurückgekommen.» Wenn sich die beiden am Flughafen die Hand geben, weiss Luka: Es wird kein Abschied für lange. «Im November sehen wir uns wieder – in Tonga.»