«Wenn du nicht weinst, sobald du mich siehst, gehe ich wieder», scherzt Charlotte Baret (30). Doch sie muss sich keine Sorgen machen. Bei Ramona Bachmann (33) laufen die Tränen schon, als sie von ihrem Vater zum Traualtar geführt wird. «All die Menschen hier, die extra wegen uns nach La Réunion geflogen sind, um unsere Liebe zu feiern. Das überwältigt mich.» Als sie ihre Frau dann im langen weissen Traumkleid sieht, wird es noch emotionaler. «You look amazing», flüstert sie ihrer Charlotte zu. Das Paar unterhält sich auf Englisch. Ramona spricht kaum Französisch, Charlotte wenig Deutsch. Dieses Manko wollen sie beheben – irgendwann, in ferner Zukunft.
Charlotte ist Französin, geboren und aufgewachsen in Paris, wo Ramona seit 2020 bei Saint-Germain unter Vertrag steht. Die Stürmerin stammt aus Malters LU. Im Frühling 2021, mitten in der Coronapandemie, steht auf einmal das ganze Frauenteam unter Quarantäne. Zwei Wochen darf Ramona Bachmann ihre Wohnung nicht verlassen. Sie lädt sich die Dating-App Tinder herunter und beginnt zu swipen. Bald erscheinen die Fotos von Charlotte auf ihrem Bildschirm. «Sie war genau mein Typ», erinnert sich Ramona. «Eigentlich kam ich grad aus einer Beziehung und hatte keine Lust auf eine neue. Doch ihre Bilder haben mich umgehauen. Sie hatte auch ihren Instagram-Account verlinkt. Ich machte einen Screenshot, bevor ich nach rechts wischte. Für den Fall, dass sie mich nicht matcht, damit ich sie auch anderweitig ausfindig machen konnte.» Ramona lacht. Und Charlotte wirkt ein bisschen verlegen. Die Sorge ist unbegründet. Auch Charlotte gefällt Ramonas Profil – sie haben ein Match.
Das erste Treffen muss warten – wegen der Quarantäne. Liebe auf den ersten Blick ist es dann ebenfalls nicht. «Aber auf den zweiten», hält Ramona fest. Und Charlotte ergänzt: «Beim zweiten Date gingen unsere Gespräche tiefer, da merkten wir, dass es ernst ist.» Ramona bestätigt: «Charlotte hätte noch so hübsch sein können – wenn es menschlich nicht gepasst hätte, hätte das nichts gebracht.» Charlotte nickt. «Ramona ist ruhig, erwachsen, sie sucht nie die Konfrontation. Ich habe sie zum richtigen Zeitpunkt getroffen, hatte meine Erfahrungen gemacht. Manchmal sagen die Leute, sie sei arrogant. Aber das ist sie überhaupt nicht. Sie redet selten über sich selbst und nimmt sich auch nicht ganz so ernst. Sie ist einfach ein guter Mensch, dazu sehr intelligent.»
Ramona schätzt ähnliche Werte an ihrer Frau: «Sie kümmert sich um die Menschen, die ihr wichtig sind. Besonders um mich. Und wir kommunizieren extrem gut miteinander. Wie wir miteinander sprechen, ist für uns der Schlüssel unserer Beziehung. Sie ist ehrlich, auch wenn es mal wehtut. Aber es hilft.»
Nach einem halben Jahr ziehen die beiden zusammen. Im Sommer 2022 folgt der Antrag. Ramona stellt Charlotte im Urlaub auf der griechischen Insel Lefkada die Frage aller Fragen. Dabei wollte sie eigentlich gar nie heiraten. «Früher dachte ich, ich muss nicht verheiratet sein. Es war nie etwas, was ich brauchte. Doch als mir klar war, dass Charlotte die Richtige ist, spürte ich, dass ich das wollte.» Die beiden Frauen sprechen darüber, wie sie sich die Zukunft vorstellen. «Wir fühlten genau das Gleiche», erzählt Ramona. «Es ergab alles Sinn. Ich habe noch nie so gefühlt vorher. Und sie auch nicht.» Charlotte bestätigt: «Es war für mich neu, dass die Liebe immer weiterwächst. Aber mit Ramona ist es so.» Im vergangenen Sommer heiraten die beiden standesamtlich in Paris, tragen fortan den gemeinsamen Nachnamen Bachmann Baret.
Ende Dezember dann das grosse Hochzeitsfest auf der zu Frankreich gehörenden Überseeinsel La Réunion mit 100 Gästen, darunter Ramonas Nati-Kolleginnen Meriame Terchoun, Eseosa Aigbogun und Coumba Sow. Auf La Réunion ist Charlottes Vater zur Welt gekommen, hier lebt ein grosser Teil ihrer Familie. Ein Jahr zuvor haben die beiden gemeinsam die Location ausgesucht – den Rest der Vorbereitungen überlassen sie mutig einem Hochzeitsplaner. «Wir konnten das Essen oder den Kuchen nicht selbst probieren», erzählt Ramona Bachmann Baret. «Charlottes Familie hat das für uns übernommen.»
Am grossen Tag ist dennoch alles perfekt. Vor den Augen der gesamten Familie und der engsten Freunde wird Ramona in einem weissen Anzug von ihrem Vater zur freien Trauung geleitet. Ihre Emotionen kochen über. «Meine Visagistin hat gesagt, ich dürfe nicht heulen oder die Tränen abwischen, sondern nur abtupfen», berichtet sie lachend. «Sonst sehe ich auf den Fotos aus wie eine kranke Eule.» Charlotte folgt in einem langen weissen Traumkleid, das sie in einer Boutique in Zug ausgesucht hat. Über den beiden wehen weisse Vorhänge und Schleierkraut im Wind, hinter ihnen rauscht das Meer. Charlottes Bruder hält eine kurze Zeremonie. «Ich fühlte eine Mischung aus Liebe und Erleichterung, dass alles geklappt hat, dass alle unsere Liebsten hier sind für uns. Dieser Moment war Glück pur.»
Auf dem gleichen Gelände liegt die Partylocation. Im floral dekorierten Zelt wartet ein grosses Speisebuffet. Eine Freundin und eine Cousine von Charlotte sowie Ramonas ehemalige Nati-Kollegin Rachel Rinast singen live. Und auch der Fussball darf nicht fehlen. An einer Torwand stellen Brautpaar und Gäste ihr Können unter Beweis. «Die meisten Treffer landete Ramona», erzählt Charlotte Bachmann Baret. «Aber immer, wenn jemand getroffen hat, lagen alle jubelnd aufeinander», ergänzt Ramona lachend. Später zeigt auch Charlotte ihr spezielles Talent: Mit ein paar Kolleginnen führt sie eine eigene Tanzchoreografie auf. Zudem haben die Liebenden unter Charlottes Federführung einen Hochzeitstanz eingeübt. Und das, obwohl Ramona sonst kaum das Tanzbein schwingt. «Sie hat es super gemacht», lobt Charlotte. Irgendwann gibt es für die Gäste kein Halten mehr – sie entern die Tanzfläche und machen die Nacht zum Tag.
Nun ist das Ehepaar Bachmann Baret zurück im Alltag. Für Ramona stehen wieder Trainings auf dem Programm, noch bis 2025 steht sie bei Paris Saint-Germain unter Vertrag. Und im gleichen Jahr möchte sie für die Schweiz bei der Heim-EM auflaufen. Charlotte nimmt eine neue Herausforderung als Finanzberaterin an. Sie will einem Job nachgehen, den sie eines Tages vielleicht auch in der Schweiz ausüben kann. Nach Ramonas Karriere möchte das Paar in deren Heimat ziehen. Und dann auch gern eine Familie gründen. «Mit zwei Kindern», verrät Ramona Bachmann Baret. «Vielleicht auch drei», fügt Charlotte hinzu. «Zwei!», beharrt Ramona. Beide lachen. Ihr gemeinsamer Weg hat jetzt richtig begonnen.