Ein sonniger Samstagnachmittag, und wir befinden uns mitten im EM-Fieber. Die Schweiz hat soeben ihr erstes Spiel bestritten und kann sich einen Punkt sichern. Meine Freunde und ich diskutieren nach dem Spiel in hitzigen Debatten darüber, was die neue Ausgangslage für die Schweiz bedeutet. Enttäuschung, dass wir trotz der Überlegenheit nicht einen Sieg einfahren konnten, aber Freude über die solide Leistung einzelner Spieler, über die erarbeiteten Torchancen und über den Teamspirit unseres Nationalteams. Dann das zweite Spiel dieses EM-Tages, das vielversprechend zu werden scheint. Zwei nordische Teams treffen aufeinander, Finnland mit seiner Premiere an der Europameisterschaft, Dänemark mit bekannten Leistungsträgern wie Christian Eriksen oder Yussuf Poulsen.
Das Spiel ist körperlich intensiv, geziert durch clevere Spielzüge und viel Kampfgeist auf beiden Seiten. Dann scheint plötzlich die Welt stillzustehen. Eriksen bricht ohne Fremdeinwirkung zusammen, bleibt liegen, bewegt sich nicht. Captain Simon Kjær sowie medizinisches Personal eilen sofort zu Hilfe. Auch ohne das geschmacklose Hineinzoomen der Kameras ist allen Zuschauenden klar: Die Situation sieht nicht gut aus. Überall herrscht Stille. Vor dem Fernseher, im Stadion, im Fernsehstudio. Hier ringt ein Mensch um sein Leben. Der Fussball wird für die Spieler beider Teams und alle, die das Spiel mitverfolgen, plötzlich völlig irrelevant.
Nach ratlosem Abwarten das Aufatmen: Eriksen kann reanimiert werden und befindet sich in stabilem Zustand. Das Spiel wird fortgeführt, Finnland gewinnt mit 0:1, doch an Siegesgefühle oder Niederlagenenttäuschungen ist nicht zu denken. Die Sorge um die Gesundheit von Christian Eriksen ist in die Gesichter der Spieler geschrieben, alle Gedanken drehen sich um den Mittelfeldspieler von Inter Mailand.
Bei mir persönlich ruft es eine Erinnerung hervor, die ich verdrängt hatte. 2003 bricht Marc-Vivien Foé, ein kamerunischer Fussballer, im Confederation Cup zusammen und verstirbt trotz medizinischer Betreuung auf dem Platz. Ich verfolgte das Spiel als Kind am Fernsehen und konnte nicht verstehen, was genau geschehen war, wie jemand einfach so unerwartet und von äusseren Einflüssen verschont so plötzlich sterben konnte.
Dass Eriksen es geschafft hat, ist sicherlich dem medizinischen Personal und der schnellen Reaktion von Captain Kjær zu verdanken, die ihm das Leben retteten. Doch Eriksen ist weder der erste Spieler, der solch einen Zusammenbruch erlitt, noch der letzte. Und dies führt mich zur Frage: Würde ich wissen, was tun, wenn eine Mitspielerin von mir zusammenbricht? Könnte ich in einem solchen Schockmoment richtig reagieren? Ich glaube nicht. Man weiss nie, wie man in einer solchen Situation funktioniert. Hätte das Schweizer Team genauso gut reagieren können wie das dänische? Ich hoffe es fest. Und was passiert bei Spielen, die nicht auf dieser grossen Bühne stattfinden und bei welchen kein medizinisches Personal vor Ort ist? Sollten nicht alle Trainer:innen und Sportler:innen geschult werden, wie in Notfällen Erste Hilfe geleistet werden kann?
Meine Antwort: unbedingt! Wir fordern beim Sport unseren Körper, drängen ihn zu Spitzenleistungen, überfordern ihn von Zeit zu Zeit. Der Teamgedanke muss auch bei Notfällen im Vordergrund stehen. Wir haben als Spieler:innen nicht nur die Verantwortung, unseren Körper physisch und mental auf Spiele vorzubereiten und während des Spiels Vollgas für das Team zu geben, sondern auch, unsere Mitspielenden zu unterstützen, falls alles schiefgehen sollte. Deshalb braucht es unbedingt mehr Schulungen für Sportler:innen – und zwar nicht nur auf Leistungsniveau, sondern vor allem auch im Amateurbereich.