Dass Frieden im Kleinen anfängt, weiss Thomas Meyer (49) aus eigener Erfahrung. Der Bestsellerautor des Romans «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» wurde in der Schule gehänselt, weil er der Kleinste war. Im gerade erschienenen Kinderbuch «Das Tännchen Felix» erzählt Meyer die Geschichte von Felix, den Kurt verspottet, weil er die kleinste Tanne in der Baumschule für Weihnachtsbäume ist. Meyer bewegt das Thema Frieden seit dem Überfall auf Israel am 7. Oktober mehr denn je. Seine eindeutige Botschaft: «Wenn ich Frieden wünsche, dann allen Menschen.»
Was tun Sie aktuell für den Frieden?
Ich habe fünf Israel-Fähnchen und fünf Palästina-Fähnchen in meine Pflanzentöpfe auf dem Balkon gesteckt. Frieden durch Widerspruch!
Das müssen Sie näher erklären: Sie sind Jude und lassen auf Ihrem Balkon neben der israelischen Flagge auch die palästinensische Fahne wehen?
Ja, dazu möchte ich anmerken, dass es in der Vergangenheit keinen Grund für mich gab, eine Palästina-Fahne zu Hause zu haben. Nach dem Überfall auf Israel am 7. Oktober beschaffte ich mir zunächst auch nur eine israelische Flagge, um Solidarität zu zeigen und Stellung zu beziehen. Dann las ich ein Interview mit Etgar Keret, einem israelischen Schriftstellerkollegen und Drehbuchautor, der ein extrem kluger Kopf ist. Er wies im Gespräch darauf hin, dass es eigentlich gar nicht möglich ist, für nur eine Seite Stellung zu beziehen, weil alles so entsetzlich und komplex ist.
Was löste dieses Interview in Ihnen aus?
Mir wurde bewusst, dass mir die Menschen auf beiden Seiten leidtun, die betroffen sind. Wenn ich Frieden wünsche, dann für alle Menschen, nicht nur für eine bestimmte Gruppe. Die Leute, die «From the river to the sea …» rufen, sagen damit ja eigentlich, Juden raus und Frieden für die Palästinenser – auf Kosten Israels. Aber das funktioniert so nicht. Ich sagte mir: Wenn ich Flagge zeige, dann für beide. Ich bestellte palästinensischen Fähnchen nach – jetzt wehen beide bei mir.
Keine Angst, damit zu provozieren?
Nein! Ich denke, es hat etwas entwaffnendes, für beide Seiten Position zu beziehen. Die Botschaft ist klar: Frieden für alle! Wobei ich an mir selbst merkte, wie viel schwieriger es ist, die Fahne der «ungeliebten» Seite aufzuhängen. Es löste in mir selbst Widerspruch aus, doch ich glaube an die positive Kraft des Widerspruchs!
Was braucht es für den Frieden?
Den absoluten Willen dazu. Der fehlt derzeit akut.
Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
An der extremen Emotionalität. Vor Ort sind die Fronten seit Langem verhärtet, ja entmenschlicht. Man spricht von Monstern und Tieren auf der jeweils anderen Seite. Dabei fehlt allen das Verständnis fürs Leid des anderen.
Was heisst Frieden für Sie persönlich?
Wenn ich mit allem, was ist, okay bin. Das fiel mir auch schon leichter.
Inwiefern?
Ich spüre in mir noch Frieden, aber auch Stress. Ich fand die Situation schon vor dem Überfall auf Israel am 7. Oktober ziemlich scheisse: Klimaerwärmung, Mikroplastik, Ukraine-Krieg, Mietexplosion, der zunehmende Hass in der Politik. Die gesellschaftlichen Spaltungen nehmen zu.
Haben Sie selbst schon mal mit jemandem Frieden geschlossen?
Ich habe einige Male schon «Es tut mir leid» gesagt. Ich würde es gern noch einige Male hören. Es fällt allen schwer, auch mir.