Sie polarisieren mit ihrer politischen Satire. Selbst jetzt, wo alle Theater geschlossen sind. So auch das Millers in Zürich. Dort treffen wir die beiden zum Interview. Patti Basler und Philippe Kuhn, beide 44, beide aus Baden AG, führen eine «eingetragene Bühnenpartnerschaft». Sie haben ihre Auftritte während Corona ins Internet verlagert. Statt Applaus erhalten sie nun Online-Kommentare, Likes und «manchmal auch Dick-Pics, ungefragte Penisbilder», sagt Basler und legt den Kopf leicht schräg. Eindringlicher Blick. Sie lässt das Gesagte wirken, befindet es mit steinernen Miene als skandalös. So funktioniert ihre Satire. Sie stellt Gegebenheiten fest und damit an den Pranger, macht vor niemandem halt. Auch nicht vor Mitgliedern des Bundesrats. Allen hält sie den Spiegel vor. Gnadenlos.
GRUEN: Patti Basler, möchten Sie sich an dieser Stelle bei jemandem für eine Ihrer satirischen Einlagen entschuldigen?
Basler: Nein.
Kuhn: Jetzt hast du die Gelegenheit.
Basler: Früher, während unserer Vorstellungen, pickte ich üblicherweise jemanden aus dem Publikum. Aus dem Namen der Person entstand dann ab und zu ein Wortspiel, etwas Spontanes. Manchmal tüpfte man da was, und all denen möchte ich sagen: «Nimm es ruhig persönlich, war auch so gemeint. Wenn du dich betroffen fühlst, bist du es auch. Denk mal drüber nach.»
Gibt es Themen, die Ihnen zu heikel sind?
Kuhn: Eigentlich gibt es keine Grenzen, keine Tabus.
Basler: Ausser es geht um Privates. Das ans Licht zu bringen und daraus eine Affäre zu machen, davon sehen wir ab. Solange es seine Politik nicht tangiert.
Kuhn: Oder ihre.
Basler: Es sind doch meistens die Männer.
Kuhn: Weil es mehr Männer in der Politik gibt.
Basler: Nein. Weil Männer die grösseren Grüsel sind.
Kuhn: Sexistisch.
Basler (flüstert): Satire.
Privates ist also privat.
Basler: Was die Intimsphäre oder die sexuelle Ausrichtung betrifft, interessiert es mich generell nur, wenn die sexuelle Ausrichtung Patti Basler heisst. Ist ja
oft genug der Fall.
Kuhn: So beliebt bist du?
Basler: Ja, ja, Selbstüberschätzung. Aber die muss man auch haben, wenn man auf der Bühne stehen will – mit dir.
Auf welche Abstimmungen freuen Sie sich besonders in diesem Jahr?
Basler: Die Volksinitiative zum Verhüllungsverbot im März bietet voraussichtlich sehr viel komödiantisches Potenzial. Auch hinsichtlich der aktuell gültigen Maskenpflicht.
Welche weiteren Themen werden besonders relevant?
Basler: Das 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimmrechts wird sicher Thema sein. Und die Klimaziele rücken wieder stärker in den Fokus. Darauf konnte man die Politikerinnen und Politiker im vergangenen Jahr wegen der Pandemie nicht richtig festnageln.
Leben Sie selber umweltbewusst?
Basler: Jein.
Kuhn: Doofi Antwort.
Basler: Die Frage kann ich auch nicht abschliessend beantworten. Wenn sie sich auf Fortbewegung bezieht, dann lautet sie Nein. Ich fahre Auto. Aber auch nur zu den Auftritten. Sonst ist es einfach wahnsinnig kompliziert. Aber dafür fliege ich privat überhaupt nicht mehr. Natürlich machte ich auch mal eine Weltreise, als ich jünger war.
Reichte Ihnen die Schweiz als Auftrittsort und die Grösse der Bühnen bisher?
Kuhn: Tatsächlich schrieben wir vor Corona an einem Programm, mit dem wir in Deutschland und Österreich auftreten wollten. Das fiel natürlich flach.
Wie geht es weiter nach dem Lockdown?
Basler: Wenn alles wieder geöffnet ist, werden alle Künstlerinnen und Künstler auf die Bühnen drängen. Und es wird weniger Auftrittsorte geben, denn viele gehen ein. Einige taten es jetzt schon. Im Ausland traf es die Szene noch stärker, da deren Lockdown viel härter und länger war, die Löhne sowieso tiefer. Nach der Pandemie beabsichtigen wir nicht, den anderen Künstlern in anderen Ländern die wenigen verbleibenden Plätze streitig zu machen.
Sehr solidarisch.
Basler: Wir haben das Privileg, dass wir von unserer Kunst leben können. Wir haben nach wie vor keine existenziellen Probleme – unter anderem auch, weil vom Bund und den Kantonen tatsächlich Zahlungen geflossen sind.
Beruht Ihr Erfolg auf Glück? Oder haben Sie in Ihrer Karriere einfach etwas besser gemacht?
Basler: Ein grosser Teil ist wirklich Glück. Ich würde sogar behaupten, der grösste Teil. Dazu kommt die spezielle Ausrichtung. Ich mache auch viele Textarbeiten – die waren auch während des Lockdowns gefragt. Philippe hat sich sehr viel Wissen im Bereich Videoschnitt angeeignet.
«Ein grosser Teil unseres Erfolgs ist Glück. Ich würde sogar behaupten, der grösste Teil.»
Patti Basler
Videos sind also der Schlüssel fürs Überleben?
Kuhn: Wir sind ein kleines, kompaktes Paket und liefern relativ schnell Inhalte. Mein Tonstudio haben wir zum Drehort für Apocalypso TV umgebaut. Von da aus senden wir unsere selbst produzierten Songs wie «Systemrelevant» und alle Beiträge während des Lockdowns.
Wie bewahren Sie sich in diesen Zeiten den Humor?
Basler: Momentan hat man nicht viele Ansprechpersonen. Kein Publikum, mit dem man interagieren, auf das man reagieren kann. Das fehlt jetzt natürlich. Dadurch, dass wir uns zu einem Duo zusammengetan haben, gibt es da trotzdem jemanden, mit dem ich sticheln kann. Die Zusammenarbeit hat auf jeden Fall geholfen, die Lebensfreude zu be-wahren. Trotz dieser Situation.
Kuhn: Patti hat direkt am 13. März 2020 ihre Agenda entsorgt. Aber es war klar, dass wir weitermachen würden. Wir mussten.
Wenn man nicht von Haus aus so lustig ist wie Sie beide: Kann man Humor irgendwie lernen?
Basler: Humor ist keine Frage der Technik. Er ist vielmehr eine Einstellungssache. Man muss sich manchmal fragen: «Will ich mich dieser traurigen Situation hingeben?» – was ja wirklich teilweise auch absolut verständlich ist – «Oder kratze ich da die letzte humoristische Essenz heraus?»
Lachen trotz aller Tragik?
Basler: Je tragischer eine Situation ist, desto grösser ist doch auch das Potenzial, lustig zu sein. Humor und Tristesse als Gegensätze? Im Gegenteil!
Alle Kulturschaffenden leiden. Was können wir, das Publikum, für euch jetzt tun?
Basler: Viele von uns hoffen und sagen: «Vergesst uns nicht.» Aber man soll ja auch an die Kranken denken, an die Krankenpfleger, an die Ärztinnen, an all die Systemrelevanten.
Und abgesehen von den guten Gedanken?
Basler: Bestellt eure Bücher nicht bei Amazon, sondern im Buchladen eures Orts. Um nur ein Beispiel zu nennen.
Kuhn: Projekte wie das Ghost Festival Ende Februar sind wahnsinnig spannend. Diese Solidaritätsaktion für Schweizer Musikschaffende sollte man unterstützen. Aber wir wollen irgendwann auch wieder machen, was wir am besten können.
Live auftreten.
Kuhn: Genau. Darum: Wenn es wieder Licht am Horizont gibt, man in der Freizeit wieder das Haus verlassen und Kulturstätten betreten darf, tut das unbedingt.
Basler: Und bitte erinnert euch daran, wie man Unterhaltung jenseits von Sofa und Netflix konsumiert. Im Theater müsst ihr wieder eine Hose anziehen!
Kuhn: Also, am besten schon beim Verlassen des Hauses.