Dieses Haus ist mehr als vier Wände, ein paar Zimmer und ein schöner Garten. «Die Seele macht es aus», sagt Lukas Gwerder, der jeden benötigten Stein und jede Holzlatte eigenhändig verbaute. Sechs Jahre lang brauchte der Schreiner, bis seine Vision von einem Haus aus vollständig natürlichen Materialien Realität wurde.
Dass es sich beim Haus in Seelisberg UR um eine Pionierarbeit handelt, merkte der damals 28-Jährige von den ersten Minuten an. Angefangen hat es mit dem Bruchsteinfundament, auf welchem das Holzhaus stehen sollte. Lukas Gwerder fand keinen Maurer, der ihm bei dieser traditionellen Methode helfen konnte. Das jahrhundertealte Wissen war verloren. «Deshalb machte ich es einfach selber», sagt er. Der Schreiner recherchierte nach alten Handwerkstechniken, probierte aus, scheiterte, baute weiter. Mit diesem Verfahren fuhr er fort. «Ich entdeckte Hanf, Lehm und Kalk. Alles Materialien, die seit je vorhanden sind.» So lernte Gwerder zum Beispiel, dass Hanf ein extrem gutes Isolationsmaterial ist. Die Fasern brennen schlecht, sind geruchsneutral und uninteressant für Ungeziefer. Paradoxerweise sind chemisch hergestellte Baustoffe viel leichter zu bekommen.
Die aufreibende und einsame Arbeit am Haus brachte Lukas Gwerder aber an seine Grenzen – persönlich und finanziell. Seine Beziehung ging in die Brüche, es gab Tage, da hatte er nur noch eine Zwanzigernote im Portemonnaie. Da wusste er: «Ich muss für das Haus einen guten Käufer finden. Einen, der das Konzept versteht.»
Das Haus Eins steht für einzigartige Handwerkskunst
Zu diesem Zeitpunkt las Urs Kasper in der Zeitung erstmals über das Projekt. «Ich war sofort fasziniert und wollte mir das persönlich anschauen», sagt der gelernte Schreiner und Unternehmer. Die einzigartige Handwerkskunst sei ihm gleich aufgefallen: «So etwas habe ich noch nie gesehen. Es gibt viele Häuser, die biologisch sein sollen, bei denen diese Bauweise aber nicht konsequent durchgesetzt wird. Sobald das erste Problem auftaucht, machen die meisten hier und dort eine kleine Ausnahme.»
Die beiden Männer verstanden sich auf Anhieb. Urs Kasper kümmerte sich um die Innenausstattung. Dafür reiste er durch die Schweiz und suchte nach passenden Gegenständen. Sie sollten ökologisch, fair produziert, hochwertig und modern sein. Die Tischplatte im Esszimmer wurde aus einem einzigen Stück Oliv-Esche gefertigt. In das Treppengeländer setzte ein bekannter Strahler als Hingucker einen heimischen Bergkristall. Alle Möbel kommen ohne Leim aus, genauso wie das Haus – auf chemische Hilfsmittel wird ganz verzichtet. Lediglich die vorgeschriebenen Elektrorohre und Sanitäranlagen machen da eine kleine Ausnahme. Künstliche Lichtquellen sind auf ein Minimum reduziert. Dafür sorgen grosse, dreifachverglaste Fenster ohne UV-Schutz für natürliche Helle. Im ganzen Haus stehen tragbare LED-Lampen. Wer in einer schummrigen Ecke lesen oder einen Abendspaziergang im 3500 Quadratmeter grossen Garten machen möchte, schnappt sich einfach eine.
Urs Kasper hat sich nach der Fertigstellung entschieden, das Haus Eins an Feriengäste zu vermieten. Er möchte möglichst vielen die Vorteile einrer solche Wohnform zeigen und ist sich sicher, dass diese Bauweise Zukunft hat: «Ein Haus auf diese Art zu bauen, ist, was das Material angeht, nicht unbedingt teurer. Das benötigte Know-how und die Zeit machen den Unterschied», sagt Urs Kasper. Es sei eine Frage der Lebensphilosophie: Anstatt günstig und schnell zu bauen, verwendet man natürliche Materialien und alternative Techniken. Das braucht länger, schont dafür die Umwelt und wirkt sich auf die Bewohner aus. Denn wo alles seine Zeit bekommen hat, findet die Hektik keinen Platz.