Nah dran: Der 14. August 2016 ist ein denkwürdiger Tag für Joel Wicki. Und das nicht im positiven Sinn: Im dritten Gang des Schwägalp-Schwinget knickt Wickis Bein. Er muss aus dem Ring getragen werden. Die Diagnose: Wadenbeinbruch. Und das zwei Wochen vor dem Eidgenössischen in Estavayer, wo der Sörenberger zum erweiterten Favoritenkreis gezählt hätte. Dass Wicki das Geschehen zu Hause vor dem TV verfolgen muss, ist der bitterste Moment seiner bisherigen Karriere. «Es war extrem hart. Als ich meinen Innerschweizer Kollegen beim Einmarsch zusah, hatte ich Gänsehaut. Gleichzeitig kamen mir beinahe die Tränen.»
Ein weiteres Mal ist Joel Wicki nur Zuschauer: beim Unspunnen-Schwinget 2017 in Interlaken. Der Baumaschinenmechaniker wartet in Topform auf. Nach einem Gestellten gegen König Kilian Wenger gewinnt er jeden Gang. Doch für den Einzug in den Schlussgang fehlt ihm die Maximalnote gegen Armon Orlik. Statt um den Sieg zu schwingen, zittert Wicki neben dem Ring. Er weiss: Bei einem Gestellten zwischen Stucki und Curdin Orlik wäre er Unspunnen-Sieger. Die Uhr tickt. «Die längste Viertelstunde meines Lebens.» 62 Sekunden trennen ihn am Ende vom prestigeträchtigen Triumph.
Grösse / Gewicht / Schuhgrösse 1,83 m / 110 kg / 46
Geboren am 20. 2. 1997
Verband ISV
Kränze 41 (26 Siege)
Im Netz joelwicki.ch, Instagram: @wickijoel, FB: @wickijoel
Partner Tanner Möbel, Migros, Bruno’s Best, Sörenberg Bergbahnen, Allianz, Kistag, Amag Audi Center Kriens, Hummel und All Stars
Dem trauert Wicki nicht lange nach. Er arbeitet konsequent weiter, gewinnt seitdem 14 Feste. Dass er der Mann für die Bergfeste ist, beweist er erneut auf dem Stoos Mitte Juni. Auf diese Saison legt er bewusst an Gewicht zu, um die fehlende Körpergrösse wettzumachen. Wicki weiss aber auch, dass er sich zwischendurch bremsen muss. «Das fällt mir schwer. Ich will zeigen, dass mit mir zu rechnen ist. Doch bis zum Höhepunkt Ende August muss ich den Mut haben, auf meinen Körper zu hören, und mir auch mal Ruhe gönnen.»
Abschalten kann der 22-Jährige auf Spaziergängen mit seiner Freundin und dem Hund, beim Fischen oder auf der Jagd. «Halt einfache Dinge tun» … damit auf dem Schwingplatz dann Aussergewöhnliches gelingt.
Welches ist Ihr bevorzugter Schwung und weshalb?
Der Kurz. Weil ich relativ klein bin, mache ich ihn nicht, wie er im Buche steht, sondern in meinem eigenen Stil. Meine Kniearbeit ist anders, zudem bin ich fast im hohlen Kreuz und ziehe den Gegner über mich drüber.
Wie haben Sie Ihr Arbeitspensum im Hinblick auf Zug eingeteilt? Ich habe mein Pensum als Baumaschinenmechaniker im März auf 60 bis 80 Prozent reduziert. Diese Tage kann ich selber einteilen, da bin ich meinem Chef dankbar. Denn die Erholung ist essenziell. So reicht die Zeit auch mal für eine Massage und fürs Ausruhen.
Welcher Verband wird Ihrer Meinung nach das ESAF 2019 dominieren?
Schwierig. Wir Innerschweizer sind gut drauf. Doch ich denke, zwischen uns, den Ostschweizern und den Bernern wirds ausgeglichen.
Für die Medien sind Sie mit Giger, Orlik
Manchmal ist es schön, manchmal weniger. Der Druck wird grösser, klar. Doch das belastet mich nicht stark, ich kann das gut ausblenden. Es wird immer viel geredet, ich bleibe am Boden und zeige, was ich kann. Allerdings sind durch die Mitfavoritenrolle viele Medientermine hinzugekommen. Es ist zeitlich schlicht schwierig, alles unter einen Hut zu bringen.
«Jeder Mensch hat Schwächen, ich muss sie nur finden»
Welches ist die jeweils grösste Stärke und Schwäche Ihrer Mit-Favoriten?
Orlik ist sehr, sehr fokussiert. Es gibt für ihn kein links und kein rechts. Wenn er etwas macht, dann richtig. Giger ist körperlich und mental sehr stark. Und mein Verbandskollege Reichmuth ist ein Modellathlet. Piri ist auch schwingtechnisch Spitzenklasse. Aber klar, jeder Mensch hat Schwächen, ich muss sie nur finden. (lacht) Das werden drei Knacknüsse.
Stichwort «Geheimtipp»: Auf wen aus der zweiten Garde empfehlen Sie uns, in Zug ein Auge zu haben?
Käser Remo und Alpiger Nick machen einen super Eindruck. Und – zwar nicht aus der zweiten Garde – Stucki Christian und Wenger Kilian darf man nie unterschätzen.
Welchen Gegner würden Sie in einem allfälligen Schlussgang lieber meiden?
Stucki, da er mir körperlich doch sehr überlegen ist. Obwohl, ich stand ihm auch schon mal in einem Schlussgang gegenüber, und wir stellten.
Welchen Glücksbringer nehmen Sie nach Zug mit, und welches Ritual kommt rund um Ihre Kämpfe zur Anwendung?
Ich bin keiner, der sich völlig abschottet. Ich wechsle gern noch ein Wort mit den Kameraden und versuche, sie zu pushen. In der Arena gehe ich vor jedem Gang zum Brunnen. Als Glücksbringer in meiner Tasche sind zwei Dinge: Ein kleiner Diamant als Andenken an Schwingkollege Benno Studer, der 2013 bei der Schiesserei in Menznau ums Leben kam. Den Edelstein haben wir vom Schwingklub erhalten. Zudem habe ich einen Grandel dabei. Das ist ein Hirschzahn, er gilt als Jagdtrophäe. Ein Geschenk meines Vaters.
Wenn Sie als Zuschauer in Zug wären: Was würden Sie neben dem Sägemehl
Den Gabentempel und die Festzelte am Abend, um die Dimension, das eindrückliche Areal und die Fan-Menge erfassen zu können.
Welches ist der geilste Preis, den
Die Lebendpreise bedeuten mir am meisten. Einige davon habe ich noch immer, sie liegen mir am Herzen.
Wer ist der Schwingheld Ihrer Jugend?
Studer Benno. Es fühlt sich noch immer eigenartig an, dass er nicht mehr unter uns ist. Dann Hüsler Dani, heute mein Konditrainer. Er bedeutet mir mehr als alles Gold der Welt. Er hat grossen Anteil an meinen Erfolgen.
Welchem Athleten aus einem anderen Teilverband stehen Sie besonders nahe, und was unternehmen Sie abseits des Sägemehlrings zusammen?
Mit Dorian und Lario Kramer, Käser Remo, Döbeli Andreas und Studer Stefan war ich im Trainingslager. Mit Remo gehe ich manchmal fischen, mit Orlik war ich im WK in Magglingen. Das sind alles gute Kollegen, die engeren Beziehungen habe ich aber dennoch mit den Verbandskollegen.
Wer wird Schwingerkönig 2019 in Zug?
Hoffentlich ein Innerschweizer!