Die rechte Schulter. Dort riss ein Band leicht an. Das passierte im Training nach dem Thurgauer Kantonalen Anfang Mai. Er fiel auf die Schulter und einer auf ihn drauf. Kurz danach war es ihm kaum bewusst, was passiert war. Es spannte leicht. Er liess es untersuchen. Und es hiess: Vier Wochen nicht ins Sägemehl, nur kontrollierte Übungen. Und das in einem Eidgenössischen Jahr!
So kommt der Thurgauer Samuel Giger, der Mann mit dem gefürchteten Kurz-Zug, nicht häufig zum Schwingen in diesem Jahr. Vor allem, weil er sich aus Vorsicht bis Ende Juni und dem Nordostschweizer Schwingfest schont. Den Zweitplatzierten von Estavayer 2016 hat das gewurmt. Nach dem harten Training den Winter durch war der 21-Jährige «giggerig» darauf, dass es losgeht. Letztlich blieb ihm nur Kraft- und Konditionstraining. Und das lange Warten.
Grösse / Gewicht / Schuhgrösse 1,93 m / 115 kg / 48
Geboren am 24. 3. 1998
Verband NOSV
Kränze 33 (12 Siege)
«Was mir fehlt, sind ein paar Siege fürs Selbstvertrauen. Denn das Schwingen verlernt man in dieser Zeit nicht. Und bis zum Eidgenössischen kommen noch genügend Wettkämpfe», hat er gesagt. Vorsichtiger werde er deswegen nicht. Das wäre gefährlich. Und er würde auch nicht die gleiche Leistung bringen. Wenn man reingeht, findet er, dann ohne Zweifel. Kein Rumstudieren, voll drauflosschwingen.
Giger, der seit dem Spätherbst in einer 100-Prozent-Stelle als Chauffeur arbeitet, hat im Winter an der Technik gefeilt, um auf die linke Seite noch vielseitiger zu werden. Am 30. Juni kehrt er am NOS in Hallau endlich zurück. Zwei Gestellten zu Beginn lässt er vier Siege folgen. Am Ende ist es Rang drei. Für das Eidgenössische könnte Giger nun volle Fahrt aufnehmen. Und dann ist er schwer zu bremsen.
Ihre Erinnerungen ans ESAF 2016 in Estavayer auf einen Moment reduziert – was kommt Ihnen spontan in den Sinn?
Als ich vor der NOS-Tribüne, nach meinen vier gewonnenen Kämpfen, am Sonntag jubeln konnte, war das ein Hühnerhaut-Moment.
Welches ist Ihr bevorzugter Schwung und weshalb?
Wie alle wissen der Kurz. Ich ziehe ihn am meisten. Wieso ich das mache? Er hat für mich früher als Bubenschwinger schon gut funktioniert. Ich habe auch gute körperliche Voraussetzungen dafür. Die Technik ist auch von den Körpermassen abhängig. Jeder ist verschieden.
Für die Medien sind Sie zusammen mit Armon Orlik, Joel Wicki und Pirmin Reichmuth ein Mitfavorit auf den Königstitel 2019. Was löst das bei Ihnen aus?
Es ist natürlich einfacher, als Jäger zu schwingen statt als Gejagter. Ich mache mir aber nicht zu viele Gedanken. Und es klingt blöd, aber ich weiss ja, dass ich zu den Besseren gehöre. Da muss ich mir jetzt nichts vormachen.
«Der Killerinstinkt ist beim ersten Schwingfest am grössten»
Was ist die jeweils grösste Stärke und Schwäche Ihrer drei Mitfavoriten?
Armon ist technisch sehr vielseitig, er ist athletisch und geistig top in Form. Und er kann aus fast jeder Situation heraus schön ziehen. Eine Schwäche bei ihm zu finden, ist schwierig. Vielleicht – aber das trifft ja fast auf jeden zu – macht er sich an einem schlechten Tag zu viele Gedanken. Aber das ist schon fast gesucht. So wie er schwingt und wenn er fit ist, ist er immer einer der Besten. Bei Wicki Joel ist der Angriffswille die vielleicht grösste Waffe. Wenn er den voll eingeschaltet hat, ist es schwierig, gegen ihn zu schwingen. Er ist körperlich zwar kein Übermensch – und gerade das ist die Gefahr. Seine Gegner haben
wahrscheinlich schnell mal ein gutes Gefühl mit ihm, und dann kommen sie unter die Räder. Er überrascht einen dann. Weil er immer volle Pulle angreift. Es ist eine Super-Waffe, wenn das einer so kann. Nachteil? Weil er nicht übergross ist (1,83 m, d. Red), können die ganz langen Schwinger oft noch ein wenig abstehen oder ausdrehen, obwohl er immer voll am Motoren ist. Aber natürlich können das nicht alle und nicht immer. Reichmuth Pirmin war technisch schon immer sehr vielseitig. Ein grosses Talent. Weil er immer verletzt war, blieb er vielen halt nicht im Bewusstsein. Er ist mit 1,98 m gross, hat recht an Muskelmasse zugelegt. Bei ihm weiss man nie, was kommt.
Auf dem Stoos hat er gesagt, ihm fehle der Killerinstinkt. Ist das seine Schwäche?
Der fehlt jedem nach drei Schwingfesten in Folge. Der Killerinstinkt ist beim ersten Schwingfest am grössten. Das geht auch mir so. Vier Sonntage nacheinander – da fehlt irgendwann der Hunger. Darum ist es wichtig, zwischendurch Pause zu machen. Eine Schwäche kenne ich bei ihm nicht. Im Moment ist er super in Form.
Welchen Gegner würden Sie als Schlussgang-Gegner lieber vermeiden?
Wenn man so weit ist, dann sind die zwei Besten im Schlussgang. Dann schwingt man mit dem, der vor einem steht. Am liebsten hätte man einen, von dem man weiss: Gegen den kann ich nicht verlieren. Aber das ist bei einem Schlussgang-Gegner nicht so. Ich denke aber auch von niemandem, dass er speziell mühsam ist. Ich geh’ rein und denke: ich habe diese Taktik, ich gewinne jetzt den Gang, fertig!
Wenn Sie als Zuschauer und nicht als Aktiver nach Zug fahren würden: Was liessen Sie sich auf keinen Fall entgehen?
Das Ganze. Ich würde schon am Freitag anreisen, die ganze Festmeile besuchen. Als Nichtschwinger würde ich vielleicht auch etwas Party machen. Aber das Schwingen wäre für mich auch als Besucher zentral. Von frühmorgens bis abends. In Estavayer war ich ja so müde nach dem Schwingfest. Weil alles plötzlich abfiel. Wir gingen zwar noch etwas feiern. Aber nicht allzu wild.
Wer ist der Schwingheld Ihrer Jugendtage?
Ich habe alle bestaunt. Ging wie die heutigen Kinder alle Unterschriften holen, hatte viele Hütchen voll mit Unterschriften. Mir ist es bewusst, wie sie sich fühlen. Ich sage nur jeweils: Kommt nach dem Gang, nicht vorher! Ich habe selber auch Freude. Ich kann mit etwas Kleinem eine grosse Freude machen.
Wer wird Schwingerkönig 2019 in Zug?
Das sage ich dann am 26. August.