Sie ist uns immer noch dicht auf den Fersen, die Trägheit, die sich während der finsteren, kalten Monate wie eine warme Decke über uns ausgebreitet hat. Zeit für einen Boxenstopp. Und neuen Kraftstoff, dank dem wir Bäume ausreissen könnten – doch die sind mit ihren ersten Blüten grad so schön anzuschauen.
Was wir unserem Körper jetzt füttern, muss etwas auf dem Kasten haben. Uns nicht nur satt, sondern auch fit machen. Das darf man durchaus erwarten. «Nahrung ist das Benzin unseres Körpers», sagt die Ernährungsberaterin Sandra Mikhail von Nutrition A–Z in Zürich. Wir haben uns drei vielversprechende Food-Trends angeschaut, die uns helfen, den Energietank wieder aufzufüllen.
Über Energie sprechen, ohne Mitochondrien zu erwähnen? Geht eigentlich nicht. Das zeigt, wie wichtig die Körnchen in unseren Zellen sind. Kein Wunder, werden sie gerade als die nächsten Darmbakterien gehandelt. Von Darm mit Charme zu Zelle mit La-Ola-Welle? Hände hoch, wer verwirrt ist.
«Mitochondrien sind die Energiefabriken unseres Körpers.»
Sandra Mikhail klärt auf: «Mitochondrien sind die Energiefabriken unseres Körpers, wir haben Trillionen davon. Sie bauen mithilfe von Sauerstoff energiereiche Stoffe ab und stellen damit Energie für verschiedene Stoffwechselprozesse bereit.»
Man tut also gut daran, sie mit passender Kost bei Laune zu halten, um die Produktion der Miniwerkstätten zu steigern. Nicht nur, weil wir dadurch unser volles Kraftpotenzial anzapfen können, sondern auch den Alterungsprozess beeinflussen. Bei der Umwandlung in den Mitochondrien entsteht neben Energie auch ein Abfallprodukt: freie Radikale. Die kleinen Zerstörer greifen Gewebe und Zellen an, was unseren Körper altern lässt. «Wir sind dafür ausgestattet, freie Radikale bis zu einem gewissen Grad abzufangen, aber sie sollten nicht die Überhand gewinnen. Deshalb sind Antioxidantien, unsere Radikalfänger, so wichtig.» Wie sorgen wir dafür, dass in den Zellwerkstätten möglichst viel Energie und wenig Abfall entsteht? Mit Vitamin B und Antioxidantien. «Vitamin B ist das Energievitamin, weil es für die Umwandlung von Nahrung zu Energie elementar ist.»
Notizbuch gezückt? Es folgt eine Liste mit Vitamin-B-Wundern, bei deren Anblick die Mitochondrien aus Vorfreude schon die Maschinen anwerfen: Pilze, Spargeln, Spinat und Sonnenblumenkerne. Anschliessend räumen die Antioxidantien Vitamin C und Zink den Müll weg. Kiwis, Beeren und Kürbiskerne liefern die wichtigen Helfer. Und schon läuft alles wie geschmiert.
Momentan kommt man auch kaum um das Wort Keto herum. Und das, obwohl die Ernährungsweise nicht neu ist. «Ich bin der Keto-Diät zum ersten Mal bei meiner Arbeit in Spitälern begegnet. Sie wird seit den Zwanzigerjahren Epilepsiepatienten verschrieben, bei denen nicht alle Medikamente wirken», so Sandra Mikhail.
Die High-Fat-Low-Carb-Ernährung bringt den Körper in eine sogenannte Ketose, bei dem er seine Energie aus Fettsäuren statt Glukose gewinnt. Das Resultat: schneller Gewichtsverlust. Wenn jetzt die Alarmglocken läuten: Keine Sorge, wir preisen keine Crash-Diät an. Im Gegenteil – unter die Lupe nehmen heisst, kritisch zu sein und Probleme der ketogenen Ernährung genau zu beäugen.
Zum Beispiel den extrem hohen Anteil an tierischen Fetten, die uns zu viel schlechtes Cholesterin produzieren lassen, oder die Auswirkung auf unsere Darmflora, wenn Kohlenhydrate mit wichtigen Ballaststoffen weggelassen werden. Ein Kompromiss bietet der neue Hype um den Ketarier, eine Kombination aus Keto und Vegetarier. Die Grundpfeiler: viele gute, also ungesättigte, pflanzliche Fette und vegetarische Proteinlieferanten wie Tempeh aus fermentierten Sojabohnen. Die Ballaststoffe sollen vorwiegend aus Gemüse kommen, Broccoli ist ein Favorit.
«Raus aus dem gefürchteten Nachmittagstief!»
Auch bei der Ketarier-Ernährung werden die Kohlenhydrate zurückgeschraubt. Das kann helfen, den Blutzuckerspiegel auszugleichen, der nach kohlenhydratreichem Essen in die Höhe schwingt und einen anschliessend ins gefürchtete Nachmittagstief katapultiert. Die Ernährungsexpertin bleibt skeptisch: «Es ist nie gut, eine Lebensmittelgruppe zu verteufeln.» Stimmt! Ihr Vorschlag: Je nach Aktivitätslevel die wertvollen Fette und pflanzlichen Proteine mit komplexen Kohlenhydraten wie Quinoa ergänzen. Die lassen uns nämlich nach dem Essen nicht ins Tief crashen.
Ein Löffelchen pulverisierte Ashwagandha-Beeren, eine Messerspitze getrocknete Reishi-Pilze und eine Prise gemahlene Ginseng-Wurzeln – fertig ist der Zaubertrank aus Adaptogenen, der uns resis-tenter gegen Stress macht. Und wie genau? Die biologisch aktiven Pflanzenwirkstoffe beeinflussen die sogenannte Stressachse, die drei Hormondrüsen verbindet: den Hypothalamus, die Hypophyse und die Nebennierenrinde. Sitzt uns die Chefin wegen einer Deadline im Nacken, schüttet die Nebennierenrinde wie wild Cortisol aus. Dieser Alarmzustand hat sich seit der Steinzeit nicht verändert – es ist unserem Körper herzlich egal, ob ein Bär oder der Boss auflauert. Gut, dass wir inzwischen wissen, was da drinnen abläuft. Und was dabei hilft, die Ausschüttung des Stresshormons zu minimieren: Adaptogene. Als Pulver dem Smoothie beigemischt oder als Pille eingenommen, helfen sie dem Köper, sich besser an Stresssituationen anzupassen. Auch wenns wunderbar klingt – die Wurzeln und Pilze bieten keine Sofortlösung, um ab sofort entspannt durchs Leben zu segeln.
«Stress? Sparen wir unsere Energie für Schöneres!»
«Adaptogene steuern dem Effekt von Stress entgegen, ja, aber sie reichen nicht, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Wer unter viel Belastung leidet, wird die Situation von mehreren Seiten angehen müssen», sagt Sandra Mikhail. Das ist aufwendig und ironischerweise stressig, aber: Schlittert man nicht mehr ständig in den nervenaufreibenden Alarmzustand, bleibt die bisher darauf verschwendete Energie für Schöneres übrig. Spaziergänge an der Frühlingssonne zum Beispiel. Im Gegensatz zu Bär und Boss ist Bewegung nämlich positiver Stress für unseren Organismus. Also, los!
Eigentlich wissen wir es ja: Ernährung und Bewegung gehen Hand in Hand, wenn es um unseren Energiehaushalt geht. Jonas Caflisch, Sportwissenschaftler und Gründer der Luxus-Fitnesskette Indigo, sagt, wieso.
Style: Auspowern für mehr Energie klingt wie ein Widerspruch – wieso funktioniert es aber tatsächlich?
Jonas Caflisch: Das lässt sich auf unseren Hormonhaushalt zurückführen. Gerade intensive Trainingseinheiten haben einen grossen Effekt darauf. Nach dem Sport werden vom Körper Adrenalin und Serotonin ausgeschüttet. Letzteres ist das sogenannte Glückshormon. Forscher haben herausgefunden, dass unser Hormonhaushalt für bis zu 24 Stunden verändert bleibt. Genau deshalb mögen viele dieses An-die-Grenzen-Gehen.
Das heisst, wer nach dem Sport glücklich und wach sein will, muss zwingend an seine Grenzen gehen?
Nein, überhaupt nicht. Man spürt den Effekt – in einer abgeschwächten Form – auch nach lockeren Trainingseinheiten und sogar nach einem einstündigen Spaziergang.
Was ist Ihre Lieblingsübung für einen sofortigen Energieboost?
Ganz klar: ein kurzer Sprint. Ich bin aber auch Fan aller Arten von Sprüngen. Die heizen schon innerhalb von fünf Minuten ein und geben Lebensenergie zurück.
«Ich esse nichts vor dem Work-out»
Was essen Sie vor einem Work-out, um dafür in Topform zu sein?
Nichts! Dazu wurde viel geforscht in den letzten Jahren. Mittlerweile ist Sportergänzungsnahrung ja überall, aber ich als Sportwissenschaftler sage: Man braucht vor dem Training gar nichts. Das ist alles Marketing. Der Körper trägt durch unsere sehr regelmässige Ernährung genug Energie für ein Work-out in sich.
Stichwort Frühlingsmüdigkeit – wie kommt man aus dem Endlos-Gähnen heraus?
Das beginnt eigentlich schon während des Winters mit Vitamin-D-Nahrungsergänzung. In der Schweiz erhaschen wir nicht genug Sonnenstrahlen und können deshalb auf natürlichem Weg zu wenig Vitamin D3 aufnehmen. Und, langweilig, aber wahr: viel Bewegung und gutes Essen.