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Stefan Kurt

«Es ist schweizerisch, ein Grümscheler zu sein»

Er brilliert auf der Leinwand, besonders wenn er den «Kurligen» spielen darf. Privat sammelt der Berner Schauspieler Stefan Kurt Töne und fotografiert - am liebsten die kleinen Dinge. Die «Schweizer Illustrierte» hat ihn in Berlin besucht.

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Er nimmt das Geräusch der WC-Spülung auf. Und legt die Tonspur dann über Meeresrauschen. «Das Ohr ist irritiert, das Hirn gefordert. Dieses Gefühl liebe ich», sagt Stefan Kurt, 54. Er hält das iPhone ganz nah ans Ohr. Lauscht nochmals. Und sagt dann: «Schade, dass mans bei diesem Verkehr nicht klar heraushört.»

Der Schauspieler sitzt auf der Terrasse seines Lieblingscafés, keine 200 Meter von seiner Berliner Wohnung. 29 Jahre schon lebt der Stadtberner in Deutschland. Zwar spielt er in den letzten Jahren in viel beachteten Schweizer Filmen wie «Stationspiraten», «Der letzte Weynfeldt», «Giulias Verschwinden», «Der Verdingbub» - aber wer ist der Mann privat? «Das frage ich mich manchmal auch», antwortet er und lacht.

Am kommenden Donnerstag, 5. September 2013, läuft «Lovely Louise» im Kino an. Kurt spielt einen 50-jährigen Modellflugfan, der noch bei seiner Mutter (Annemarie Düringer) lebt. Im Schwimmbad föhnt er ihr die Haare. Ins Theater chauffiert er sie in seinem Taxi. Stefan Kurt brilliert wie immer, wenn er den Unsicheren spielen darf.

Mit 14 Jahren begann Stefan mit der Schauspielerei zu liebäugeln. Ohne je im Theater gewesen zu sein. Der Sohn eines Versicherungs-Vizedirektors wagte kaum, seinen Berufswunsch zu äussern. «Ich war überzeugt, das ist was für die anderen, doch nichts für mich!» Also machte er das Lehrerseminar. In Trimstein BE sass er erstmals am Lehrerpult. Zwölf Schüler, siebte bis neunte Klasse. Vor allem in den Französischlektionen seis «e cheibe Chrampf gsy». Er brachte extra Platten von Mireille Mathieu in den Unterricht. «Und die Schüler sagten mir dann: ‹Mir wei doch nie uf Paris! Mir sy wou hie!›»

Nach einem halben Jahr hängte er die Lehrertasche an den Nagel. Und ging auf die Schauspielschule. Die Eltern unterstützten ihn. «Sie habens wohl geahnt. Ich machte schon als kleiner Bub immer den Clown.» Ans erste Vorsprechen in Bochum erinnert er sich noch gut. «Als Schweizer hatte man damals einen gewissen Bonus. Weil wir so ‹anders› sind.» Wie anders, das merkte er mit den Jahren in Deutschland. Besonders an sich selbst. «Es ist schweizerisch, ein Grümscheler zu sein.» Detailverliebt, ja vielleicht sogar versessen. «Ich fotografiere Naturstrukturen und sammle Töne. Total grümschelig!»

Wenn er sich im Berliner Ensemble auf einen Auftritt vorbereitet, schlägt er in der Garderobe nochmals das Textbuch auf. Daneben das obligate Ricola-Schachteli, seine Uhr, das Wasserglas. Alles an seinem Platz. Ein durch und durch aufgeräumter Mensch. Dazu passt auch seine Art abzuheben: Er liebt das Fliegen. Aus Sicherheitsgründen aber lieber im Simulator als in der Cessna. «Ich bin etwas schreckhaft. Und bei Turbulenzen verliere ich schnell die Ruhe.» Modellflugzeuge wie im Film jedoch hätten ihn nie interessiert. «Leimen, malen. Da fehlt mir die Geduld. So weit Grümscheler bin ich dann doch nicht.»

In «Lovely Louise» spielt Kurt das Muttersöhnchen. Auf das jeden Abend die Pantoffeln im Eingang warten. Im echten Leben ist ihm der Abnabelungsprozess einfacher gefallen. Obwohl er sich sehr geliebt gefühlt habe. Aber er musste früh Abschied nehmen: Seine Mutter starb 1994 mit erst 66 Jahren. «Von ihr habe ich das Friedliebende geerbt», sagt er, «bis zur Selbstaufgabe.» Er sei keiner, der explodiert. Das glaubt man ihm aufs Wort.

Wer stellt ihm denn die Pantoffeln bereit? «Wir haben keine Pantoffeln», antwortet Stefan Kurt. Mit wem er seine frisch renovierte Viereinhalbzimmerwohnung teilt, behält er für sich. «Vor der Haustür fällt der Vorhang. Meine private Bühne ist nicht öffentlich.»

In Bern ist er «dr Stüfi». Die Verniedlichung haftet an, genauso die Verehrung des Migros-Käsekuchens. «In Berlin spreche ich anders, bin vielleicht sogar ein anderer.» Dass er in zwei verschiedenen Welten lebt, ist ihm vor seinem 50. Geburtstag aufgefallen. Er wollte ihn feiern. Bloss, wo? In Berlin mit den Berliner Freunden? In Bern beim Bruder mit den Berner Freunden? Oder mit allen zusammen irgendwo auf halbem Weg? «Ich habe mich für Bern entschieden. Wir gingen kegeln. Es war wunderbar.»

Zehn Jahre möchte er noch in Berlin spielen. Dann ziehts ihn zurück in die Schweiz. Den Lebensabend malt er sich so aus: «Eine superschöne Villa am See, wo es sonnig ist. Etwas Trauben lesen, ab und zu in die Berge fahren oder ins Tessin. Im See baden oder nach Zürich shoppen…» Er lacht über seine kitschigen Vorstellungen. «Irgendeinisch», erklärt er, ziehe es ihn sicher zurück ins Käsekuchenparadies.

Von Yvonne Zurbrügg am 4. September 2013 - 13:32 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 18:25 Uhr