SI online: «Lovebugs, Coffee and Cigarettes» heisst Ihr kürzlich erschienenes Fotobuch. Sind Kaffee und Zigaretten die zwei Dinge, welche die Band am meisten konsumiert?
Adrian Sieber: Wir rauchen und trinken wirklich viel Kaffee, zudem heisst ein Song von uns so. Aber eigentlich fand Autor Marc Krebs dies von Anfang an ein guter Titel, weil er bereits schmöckt, wenn man ihn liest.
Simon Ramseier: So wie unser Proberaum...
Adrian: Stimmt, der Buchtitel bringt die Stimmung auf den Punkt. Stefan, der nicht raucht und keinen Kaffee trinkt, fands anfangs gar nicht lustig. Aber mangels Alternativen hat sich der Titel durchgesetzt! (lacht)
Sie nehmen keine Rücksicht auf die Nichtraucher in der Band?
Thomas Rechberger: Es ist eher umgekehrt. In unserem Bandraum rauchen auch plötzlich die Nichtraucher.
Simon: Es geht um Rock'n'Roll. Dieser schmöckt eben verraucht.
Ist das Musikerleben wirklich noch so?
Simon: Natürlich achten wir auf uns. Es sind Entscheidungen wie ‹Will ich mit 27 Jahren sterben oder das Ganze noch ein bisschen länger machen?›. Das ist jedem selbst überlassen. Rock’n’Roll oder Musik machen ist aber ein Lebensinhalt, eine Haltung, eine Leidenschaft, eine Berufung.
Wie hat sich Ihr Leben in den 19 Band-Jahren verändert?
Simon: Es ist lustig, wir haben Beziehungen und Freundinnen kommen und gehen sehen. Es hat Kinder und Hochzeiten gegeben. Aber immer konstant war und ist unsere Freundschaft. Die bildet den roten Faden.
Wie haben Sie es geschafft, zusammenzubleiben?
Adrian: Wir machen das alles aus dem gleichen Grund: Wir teilen die Leidenschaft zur Musik. Und zusammen können wir etwas fertigbringen, was jeder alleine wahrscheinlich nicht könnte. Wir sind ein starkes Team.
Simon: Thomas, du hast es einmal gut gesagt: Der Arschfaktor ist bei uns relativ klein.
Thomas: Wir geben uns Mühe miteinander. Wir sind eine Art Familie. Es geht nicht darum, am Ende des Jahres die fettesten Zahlen zu schreiben, sondern uns auf eine gute Art und Weise ausdrücken zu können. Mit einem Arschloch würde ich nicht in einer Band sein. Das geht einfacht nicht!
Haben Sie dennoch Streit?
Adrian: Wir haben eine ausgeprägte Diskussions-Kultur. Wir versuchen, Streit zu vermeiden.
Sie kennen sich in- und auswendig.
Adrian: Klar. Im Bandraum steht jeder von uns seit Jahren immer am gleichen Örtchen, und wir wissen genau, welche Bewegung was zu bedeuten hat. Am Album haben wir aber zwei Jahre gearbeitet. Da geht es um die Kreativität und darum, welches Lied es auf die Platte schafft. Dann gehts um die Wurst, und es gibt kein Pardon.
Sie haben bereits ein Best-of-Album veröffentlicht. Ist es nicht schwierig, mit «Life Is Today» wieder ein «normales Album» auf den Markt zu bringen?
Adrian: Es ist wie ein Neuanfang. Es ist wieder alles möglich. Du weisst nicht, wie weit es dich trägt. Das ist doch total schön.
Haben Sie keine Erwartungen an das Album?
Thomas: Wir hatten drei Nummer-1-Alben, und es wäre wirklich toll, wenn sich das wiederholen würde.
Ein Album landet auf Platz 1, das nächste nicht, dann wieder Platz 1. Bringt Sie dieses Auf und Ab nicht zum Verzweifeln?
Simon: Das ist es, was uns auf dem Boden hält. Diese Erfahrungen sind gesund. Es bedeutet, dass wir die Realität kennen.
Einen Nummer-1-Hit…
Adrian: …hatten wir noch nie und werden wir auch nie haben.
Wieso?
Adrian: Weil wir eine Album-Band sind und coole Bands haben keine Nummer-1-Hits. Die Leute kaufen glücklicherweise noch unsere Alben. Bei unserer Band gehört mehr dazu als ein Hit. Eben ein ganzes Lebensgefühl.
Und trotzdem kennt jeder einen Lovebugs-Song.
Adrian: Das ist ein Vorteil der 19 Jahre Bandgeschichte.
Thomas: Wenn wir unsere Energie darin investieren würden, könnten wir wohl einen Hit schreiben. Aber wir designen unser Album als Einheit. Uns ist es wichtiger, dass ein Album von A bis Z stimmig ist.
Simon: Auch Depeche Mode hatten übrigens noch nie einen Nummer-1-Hit.
Wie ist «Life Is Today»?
Simon: Es ist vielfältig, hat viele Stimmungen. Die tiefgründigen Lieder haben trotzdem noch etwas leichtes und hoffnungsvolles. Wir haben Songs, bei denen man spürt, dass unser Witz vorhanden ist.
Adrian: Die Grundstimmung ist sehr positiv, finde ich. Also für unsere Verhältnisse!
Hatten Sie in den 20 Jahren schon Existenzängste?
Adrian: Die gehören dazu. Das ist nichts spezielles für uns. Es ist ein Fakt, dass wir nicht wissen, was in einem Jahr ist. Wenn man wie ich Familie hat, ist es nicht so angenehm. Aber dem muss ich mich stellen. Wenn du das nicht kannst, bist du kein Musiker.
Hören Ihre Kinder Lovebugs?
Adrian: Ja klar. Sie sind wichtige Filter. Wenn plötzlich jemand ein Lied pfeift, das ich zwei Tage zuvor auf dem Klavier gespielt habe, weiss ich: Dieser Song hat sicher was.
Was ist Ihr Tipp, um langfristig im Musikbusiness erfolgreich zu sein?
Thomas: Spass haben. Wenn dies nicht der Kern vom Ganzen ist, lohnt es sich nicht. Denn finanziell machst du lieber etwas anderes! Und der zweite Tipp: Nicht warten, bis alles perfekt ist. Man wird es nie sein. Wir haben noch nie ein perfektes Album gemacht.
Adrian: Ich schätze, dass wir zusammen unterwegs sind. Das ist wunderschön. Es ist eine konservierte Kindheit. Ich kann ins Studio kommen und noch so sein wie vor 18 Jahren. Das ist cool.
Simon: Und wir entscheiden selbst! Das ist ein Gefühl von Freiheit.
Zum Schluss: Was sind Ihre Lieblingssongs auf dem Album?
Simon: «Little Boy» ist meiner. Er kam als allerletzer dazu. Und wir haben ihn nur zweimal gespielt, bevor wir ins Studio gegangen sind. Er hat etwas frisches, unverbrauchtes, spontanes.
Thomas: «60Ft. Napoleon», bei diesem Lied war von Anfang an etwas da, doch bis zur letzten Minute haben wir daran gebastelt. Zu Beginn war der Song ein riesiger Hoffnungsträger fürs Album. Alle fanden: «Wow, das gibt eine Perle». Und dann verlor er innerhalb der zwei Jahren mal den Faden und wäre fast vom Album geflogen. Und dann kriegte er doch noch die Kurve.
Adrian: «Cry Your Heart Out» ist momentan mein Lieblingssong. Da ist uns etwas ganz spezielles gelungen - musikalisch auch. Und Rykka singt mit, die ich einfach eine coole Nuss finde. Und bei mir ändert sich die Meinung über Songs übrigens nie! (lacht)