Bei dieser Familie geht alles stets ein bisschen schneller. Kein Wunder, gilt Mama Simone Niggli-Luder, 40, doch als beste Orientierungsläuferin aller Zeiten – mit 23 Weltmeistertiteln.
Ein hohes Tempo legen Simone und ihr Mann Matthias, 45, aber nicht nur beim Sport an den Tag. So waren sie beispielsweise auch mit ihrer Familienplanung schneller am Ziel als andere. Drei Kinder, aber nur zwei Schwangerschaften! Anja und Lars, bald, 7, sind Zwillinge. Und ganz dem Familienmotto verpflichtet, können es die beiden kaum erwarten, in die erste Klasse überzutreten. Schliesslich kommt die ältere Schwester Malin, 10, ja bereits in die Mittelstufe. Höchste Zeit also, dass aus den zwei Kindergärtlern stolze Schüler werden.
Die grosse Schwester als Lehrerin
Anja und Lars sitzen in ihrem Kinderzimmer im oberen Stock des Einfamilienhauses – ein Solarpreis- gekröntes Plus-Energie-Haus in Münsingen BE –, das die fünfköpfige Familie seit acht Jahren bewohnt. Und obschon die Zwillinge je ein eigenes Pult besitzen, teilen sie sich den Arbeitstisch. Einen Tisch übrigens, den Lars zusammen mit seinem Götti selbst gezimmert hat. Malin, die neben dem Pult steht, rückt ihre Brille zurecht und sagt: «Nun schauen wir uns mal die Ergebnisse an.» Dabei betont sie die Worte mit einer Dringlichkeit, als ginge es um die Aufnahme an eine Elite-Uni. Simone beobachtet die Szenerie und lacht herzhaft: «Schüelerlis und Lehrerlis spielen sie schon seit Jahren.»
Dabei nimmt Malin ihre Rolle als Lehrerin sehr ernst: Sie bereitet sich akribisch auf die «Schul»-Stunde vor, fabriziert Arbeitsblätter, die immer komplexer werden, und korrigiert mit grosser Sorgfalt die Ergebnisse. Mit der Folge, dass die beiden Kindergärtler dank diesem «Unterricht» bereits vor dem Schuleintritt etwas lesen und schreiben können.
Seit dieser Woche ist das Spiel sogar noch realistischer als sonst: Die Schultheks sind eingetroffen. «Unzählige Male wurden sie schon ein- und ausgepackt», sagt Simone. Klar, mit den richtigen Schulutensilien macht alles natürlich noch viel mehr Spass.
Die Geschwister satteln sich ihre Theks auf den Rücken und laufen den neuen respektive alten Schulweg ab – denn der Kindergarten liegt unmittelbar neben dem Schulhaus. Von daher wird sich für Anja und Lars wenig ändern, sind sie doch bereits die letzten zwei Jahre den knapp zehn Minuten langen Schulweg durch die kleinen Quartierstrassen in Münsingen gegangen.
«Die Kinder haben das OL-Laufen für sich entdeckt»
Auch für Simone ist der Wechsel in die Schule weniger einschneidend, als es der Eintritt in den Kindergarten war. Und seit die Orientierungsläuferin 2013 vom Spitzensport zurückgetreten ist, sind ihre Tage nicht mehr so durchstrukturiert wie früher, als noch alles im Zeichen von Training und Regeneration stand. Derzeit ist Simone Assistenztrainerin vom OL-Nationalteam und arbeitet einen halben Tag in der Woche in einem Café in Münsingen, das zu einer geschützten Werkstatt gehört. «Diese verschiedenen Aufgaben machen mir grosse Freude und füllen mich sehr aus», sagt sie. Ihr Mann Matthias organisiert Sport-Grossanlässe und arbeitet von zu Hause aus. «Wir sind gut aufgestellt», sagt Simone, «ausserdem leben Matthias’ Eltern nur einen halben Kilometer von uns entfernt, und meine Eltern wohnen ebenfalls in der Nähe. Auch sie unterstützen uns tatkräftig.»
Zum Beispiel dann, wenn Simone und Matthias «spasseshalber» im Ausland an einem OL teilnehmen. Meistens aber finden die Läufe an den Wochenenden in der Schweiz statt – und die ganze Familie rennt nun mit. «Die Kinder haben das OL-Laufen für sich entdeckt», sagt Simone. Doch wen erstaunt dies? Schnelligkeit liegt in dieser Familie einfach in den Genen.