Auf dem Wachthubel rinnt der Schweiss. Der Aufstieg von Schangnau BE im Emmental auf 1414 Meter über Meer ist stotzig. 500 Meter Höhendifferenz. Wer jetzt nicht nicht schnaufend wie ein Ross auf den Abstieg freut, ist entweder Masochist oder Spitzensportler. Zweiteres trifft zu auf Beat Feuz, Ersteres sicher nicht. «Im Kondi-Training sinnlos über Bänkli zu hüpfen, ist nicht meine Leidenschaft. Lieber spiele ich neunzig Minuten mit Vollgas Tennis, da hab ich auch noch Spass.» Dass der 25-Jährige trotzdem sagt, er könne stundenlang bergauf marschieren, aber nur ein paar Minuten bergab, hat «mechanische» Gründe: Im Frühling wurde Feuz ein abgerissenes Knochenstück im linken Knie operativ wieder befestigt. Seither muss er die Beweglichkeit behutsam aufbauen. Gewissen Belastungen wie das Bergabgehen sollte er vermeiden. Er hätte es vergangenen Winter keinen halben Tag ausgehalten, frei Ski zu fahren, erzählt er. Und wäre Feuz nicht so dich am Weltcup-Gesamtsieg dran gewesen, hätte er die Saison abgebrochen. «Jeden Morgen als Erstes Schmerzmittel - ich habe mich richtig ans Saisonende geschleppt.»
Nun geniesst Feuz die Aussicht. Der Blick schweift über seine Schangnauer Heimat – dem Startort der Tour – weit hinaus über das Emmental. Die Strecke nach Trubschachen BE ist eine eigentliche Panoramawanderung. «Da geht mir das Herz auf, hier bin ich zu Hause», sagt der Skicrack, der eine Wohnung im Stöckli unmittelbar neben seinem Elternhaus bewohnt. Etwa ab kommendem Spätherbst wird «Fööz», wie sie hier sagen, zum Pendler zwischen den rivalisierenden Skiwelten. Im 2000-Seelen-Dörfchen Aldrans vor den Toren Innsbrucks zieht er in eine neue Wohnung. Zusammen mit Freundin Katrin Triendl, 25, die auch der Grund ist für den Bezug eines Zweitwohnsitzes. Die ehemalige österreichische Slalomspezialistin studiert in Innsbruck Physiotherapie. «Sie schliesst in zwei Jahren ab, da stellt sich die Frage vorerst gar nicht, wo wir unseren gemeinsamen Lebensmittelpunkt haben. Was später ist, lassen wir offen.» Feuz mag die Tiroler, die Tiroler mögen Feuz. «Ich kenne in Katrins Dorf inzwischen fast so viele Leute wie in Schangnau. Aber ich bleibe natürlich immer ein waschechter Emmentaler.» Das Thema Heirat ist sowieso noch nicht akut. «Auch wenn es das durchaus einmal werden könnte.»
Die ganze Wandertour hat Beat Feuz so noch nie absolviert. Aber er kennt jeden Punkt darauf vom Biken. Das ist für ihn fast problemloser als das Zufussgehen. Auch Katrin ist hin und wieder dabei, wenn Beat aufs Bike oder aufs Rennvelo steigt. «Sie ist auch nach ihrem Rücktritt super im Schuss. Geradeaus bin ich wohl etwas schneller. Aber bergauf muss ich beissen.»
Kondition und Ausdauer waren nie Beats grosse Stärken. Und heute fragt er sich, ob nicht vielleicht sogar sein Kreuzbandriss, den er sich 2007 zuzog, mit besseren physischen Grundvoraussetzungen vermeidbar gewesen wäre. «Ich glaube, ich benötigte jene Verletzung, um mir bewusst zu werden, was es braucht, um als Spitzensportler zu bestehen. Talent allein ist auf Dauer nicht ausreichend.» Er sei danach, sagt der Lauberhorn-Sieger des vergangenen Winters, ein anderer Sportler geworden, einer mit besserem Körperbewusstsein. Wozu auch Freundin Katrin nicht unwesentlich beitrug. Mit ihr kam er ungefähr zur gleichen Zeit zusammen, als er die schwere Verletzung erlitt. «Sie hat mir manchmal recht schonungslos gesagt, dass ich mehr an meiner Physis arbeiten muss. Ich habs zwar nicht immer gern gehört. Aber gewusst, dass sie recht hat, hab ich schon.»
Nun ist Beat Feuz der Star und der grosse Hoffnungsträger des Schweizer Skisports, der «Ämmitauer Giu», der seine Heimat bekannt gemacht hat. Am Skilift Roseggli in Bumbach, neben seinem Elternhaus, dessen Betrieb sein Vater leitet, seien in jüngerer Zeit deutlich mehr Gäste verzeichnet worden, die meisten in der Hoffnung, ihr Idol anzutreffen. Vorher war Schangnau allenfalls für die einzigartigen Meringues vom Kemmeriboden berühmt. Jetzt weiss man sogar, dass es im Emmental liegt, wegen den Meringues und wegen Feuz.
Apropos Meringues: Lange wurde Beat Feuz auch vorgeworfen, seine Postur spreche nicht eben für einen Spitzensport-gerechten Lebenswandel. «Das hat mich schon etwas verletzt. Aber letztlich musste ich zugeben: Die haben ja recht.» Dass er nach fünf Jahren mehr oder weniger permanenter Verletzungen aller Art nun überzeugt ist, nächsten Winter auch körperlich gerüstet zu sein für den erneuten Angriff auf den Weltcup-Sieg, hat mit dem neuen Trainings-Bewusstsein zu tun. Und Feuz hat mit vielen Siegen auch sein Selbstbewusstsein gegen Kritik von aussen gestählt: «Die Vorwürfe, ich sei nicht fit, höre ich kaum noch. Und wenn doch, plagt mich das nicht mehr. Ich weiss, dass ich tue, was nötig ist. Ich muss ja kein schlanker Muskelprotz werden. Meine Qualitäten sind andere.»
So gönnt sich auch der «neue Feuz» weiterhin gern Pokerabende mit seinen Emmentaler Kumpels. Und dass er seit diesem Frühling ausgerechnet Werbepartner des Süssigkeiten-Herstellers Kambly ist, macht ihn stolz: «Da sagte ich auf die Anfrage mit Herzblut zu. Ich war schon früher oft im Fabrikladen in Trubschachen, als ich dort meine Maurerlehre absolvierte.»
Auch der Endpunkt der Wanderung liegt in Trubschachen. Und nach dieser Tour hat man sich den Besuch im Bretzeli-Paradies redlich verdient. Beat Feuz greift in die Probiererli-Kiste auf dem Gestell. «Däne Güezi chani eefach nid widerschtaa!» Man kann Gleiches vom ganzen Emmental behaupten.