Kennen Sie Irina Beller? Der Name kommt Ihnen bekannt vor? Ist das nicht die…
…Ja, genau - das ist die Frau, die in einem Nobelrestaurant in Palm Beach mit einem Steak nach ihrem Ehemann geworfen haben soll.
…Die Frau, die vor laufender Fernsehkamera erzählt, dass es Pelzjacken in ihrem Kleiderschrank besser haben als Pelztiere in freier Wildbahn.
…Die Frau, die am ehrwürdigen Zürcher Opern- oder Kispi-Ball in ihren Wenig-Stoff-viel-Durchblick-Kleidern so tief schauen lässt, dass die Herren Stielaugen bekommen und die Damen zornesrot ihren Männern unterm Tisch gegen das Schienbein treten.
Solche Geschichten konnte man über Irina Beller, 41, hören und lesen. Aber kennen Sie Irina Beller? Irina Beller ist eine Frau, die sicher zuerst durch ihr Äusseres auffällt: braun gebrannt, figurbetont gekleidet - so erscheint sie bei einem ersten Treffen im Zürcher Luxushotel The Dolder Grand. Eine Frau, die Selbstbewusstsein ausstrahlt. Im Gespräch zeigt sie sich höflich zurückhaltend und ist erstaunt, dass man sich nicht nur für ihr heutiges Glamourleben interessiert, sondern auch für ihre Vergangenheit in der ehemaligen Sowjetunion.
Schlagzeilen macht die gebürtige Ukrainerin erstmals vor eineinhalb Jahren - in der «Weltwoche», in «Le Matin», «TagesAnzeiger», «Blick» und in der «Coop-Zeitung». Angefangen hatte der Rummel nach der SRF-Reporter-Sendung «Die Ballkönigin und der Baulöwe» im April 2012. Über Nacht werden Irina Beller und ihr Mann Walter, 64, die seit Jahren Charity-Anlässe und Bälle besuchen, wahrgenommen. Schnell wird klar, es gibt die Irina Beller, die tagtäglich unbeobachtet das tut, was eine Frau ohne Geldsorgen so tut. Und es gibt die Irina Beller, die, mitunter angestachelt, in der Öffentlichkeit steht - und diese munter provoziert. Die bewusst erregt mit ihrer offenen, ehrlichen Art. Doch nie hätte Irina Beller mit einer solchen Reaktion auf den TV-Beitrag gerechnet. «Zuvor tauchte ich höchstens mal auf einem Foto auf der letzten Seite irgendeiner Zeitung auf, ohne dass mein Name dazugeschrieben worden wäre», sagt sie.
Geboren wird Irina Beller als Irina Strychun in der kleinen westukrainischen Stadt Kiwerzi. Ihre Mutter Valentina, Russin, ist 24, ihr Vater Valery, Ukrainer, 26, als sie 1972 auf die Welt kommt. Irina wächst in einem behüteten und für kommunistische Verhältnisse durchaus privilegierten Elternhaus auf. Ihre Mutter ist Französisch-Lehrerin, ihr Vater hat zwei Berufe: einen offiziellen als Filmhändler - und einen inoffiziellen als Mitglied des sowjetischen Geheimdienstes KGB. Irina ist ein Jahr alt, als die Familie zuerst nach Moskau zieht, 1976 geht es weiter nach Dresden. Ihr Vater wird in die ostdeutsche Stadt als Diplomat entsandt. Er ist in der DDR Vorgänger auf dem Posten, den später Wladimir Putin einnimmt, der heutige russische Präsident.
Die Familie ist eine heilige Sache bei uns.
In Russland gilt die Familie traditionell als hohes Gut. «Das hat mir mein Vater so eingeflösst, und ich gab es an Irina weiter», sagt Valery Strychun, 66. Irina Bellers Vater ist, wie seine Tochter, äusserst schlank. Ein drahtiger Typ, blaue Augen, die wenigen grauen Haare millimeterkurz, dunkelblauer Anzug, weisses Hemd, der Kragen offen. Sein Auftreten ist weltmännisch. Er spricht Deutsch mit leicht russischem Akzent, und wenn er redet, tut er dies leise, aber sehr überlegt. «Die Familie ist eine heilige Sache bei uns, eine echte Herzensangelegenheit. Familienmitglieder sind die einzigen Menschen, die einander lieben, ohne durch Geld oder andere Dinge beeinflusst zu sein.»
Irina Beller sagt von sich, keine Freundin zu haben, keine zu brauchen - ja, überhaupt nicht an Freundschaft zu glauben, erst recht nicht unter Frauen. «Viele verwechseln Freundschaft mit Bekanntschaft», sagt sie. Ihr Herz würde sie einzig ihrer Mutter und ihrer Schwester ausschütten. «Ihnen vertraue ich, bei ihnen weiss ich, dass sie mich nie betrügen würden.» Was diese Einstellung betrifft, hat Irina Beller offenbar aus Erfahrungen lernen müssen. «Am meisten betrogen wurde ich in meinem Leben von Frauen.» Punkt! Ins Detail gehen will sie nicht.
Kein Wunder, dass das Verhältnis zu ihrer elf Jahre jüngeren Schwester Alona Kalberer, 30, innig ist. Alona lebt in Zürich, ist mit David Kalberer, der rechten Hand des russischen Oligarchen Viktor Vekselberg verheiratet. Sie selbst arbeitet als Anwältin für Vekselberg, der in der Schweiz unter anderem am Technologiekonzern OC Oerlikon beteiligt ist. Irina ist es, die Alona in die Schweiz holte.
Als Kind wünschte sich Irina lange einen Bruder oder eine Schwester. Sie hatte die Hoffnung längst aufgegeben, als ihre Eltern ihr eröffneten, dass sie ein Geschwisterchen bekommen würde. Irina fühlt sich durch die elf Jahre Altersunterschied zu ihrer Schwester allerdings «mehr wie eine Mutter für sie». Früh schon übernimmt sie Verantwortung für die Jüngere: Windeln wechseln, Fläschchen geben, Spazieren gehen. «Im Ostblock waren Mädchen in meinem Alter schon ein bisschen wie kleine Frauen», sagt sie, und es ist nicht kokett gemeint. «Zwischen den beiden gab es nie Streit», erinnert sich auch ihr Vater. Irina sei sehr sorgsam mit Alona umgegangen, habe stets versucht, der kleinen Schwester etwas beizubringen. «Irina ist sehr aufmerksam, und wenn es Probleme gibt, versucht sie zu helfen.» Dass ihre «kleine» Schwester bald zwei Kinder hat, macht sie glücklich.
Irina selbst hat auch eine Tochter, Aliona, 17. Der Kontakt zu dem Mädchen ist jedoch so gut wie abgebrochen: eine traurige Geschichte, über die zu sprechen Irina Beller schwerfällt. Ihre Ehe mit dem Schweizer Bauunternehmer Walter Beller ist ihre dritte. Erstmals heiratet sie mit 18. «Ich wollte frei sein von meinen Eltern, tun und lassen können, was ich wollte.» Ihr Mann, ein Lette, ist nur zwei Jahre älter. «Viel zu jung, wir waren noch Kinder», sagt sie rückblickend. Kennengelernt hatten sie sich im Internat in Moskau. Eine Jugendliebe, die Ehe hält zwei Jahre. Noch während ihres Filmwissenschaft-Studiums am Moskauer Staatsinstitut für Filmografie wird die Ehe geschieden.
Kurz darauf trifft Irina in ihrer Heimat einen Schweizer. «Er war sehr attraktiv, lebte in einem für mich schönen Land und bemühte sich anfangs extrem um mich.» Fünf Monate nachdem sie sich kennengelernt haben, ist sie zum zweiten Mal verheiratet - und landet erwartungsvoll in der Schweiz.
Kaum im Land ihrer Träume, realisiert sie, dass ihre Auffassung vom Leben und die ihres Mannes völlig gegensätzlich sind. Irina, im kommunistischen, von Mangelwirtschaft geprägten System der Sowjetunion aufgewachsen, steckt voller Lebenshunger, will ihr Leben geniessen, und dazu zählt für sie eben auch Konsum. Ihr Ehemann, «ein typischer sparsamer Schweizer, konservativ dazu», predigt dagegen Bescheidenheit und dass Irina zufrieden sein soll mit dem, was sie hat. Aber sie ist nicht zufrieden.
«Für mich war das ein langweiliges Leben, da hätte ich auch in Russland bleiben können.» Doch sie ist schwanger, bringt Aliona zur Welt und wird drei Monate nach der Geburt von ihrem damaligen Mann vor die Tür gesetzt, wie sie erzählt. Das Sorgerecht für ihre Tochter wird bei der Scheidung Monate später dem Vater zugesprochen. «Ich habe mein Mädchen zwar über die Jahre, so oft ich konnte, besucht, aber ihre Abneigung gegen mich wuchs mit der Zeit immer mehr.» Irina Beller ist ihrer Tochter nicht böse. «Ich denke, sie wurde auch von ihrem Umfeld negativ beeinflusst.»
Nach diesem für sie schmerzhaften Eheende fasst Irina einen Entschluss. Sollte sie noch einmal einen Schweizer heiraten, will sie diesen genau unter die Lupe nehmen, «dann muss alles stimmen für mich». Nach einer kurzen Liaison mit einem Italiener aus einer wohlhabenden Mailänder Familie lernt sie schliesslich ihren heutigen Ehemann Walter Beller kennen. Er gefällt ihr von Anfang an, «er hatte etwas von Richard Gere». Doch sie lässt sich nicht blenden vom ersten Auftreten dieses Mannes im Casino und bleibt ihrem gefassten Entschluss treu. Drei Jahre lässt sie den Bauunternehmer zappeln, ehe sie ihm ihr Ja-Wort gibt.
Walter trägt Verantwortung, weiss, was eine Frau will.
Unterdessen ist das Paar 13 Jahre verheiratet. «Walter trägt Verantwortung, weiss, was eine Frau will. Ich fühle mich bei ihm sicher.» Auch finanziell. «Liebe geht auch schnell wieder auseinander, wenn es am Materiellen fehlt.» Geldsorgen muss sich die 41-Jährige längst nicht mehr machen. Sie ist abgesichert und von ihrem Mann auch finanziell unabhängig. Das haben sie geregelt. Früher sei ihr Geld sehr wichtig gewesen. Wenn man wenig habe, sei das einfach so! Jetzt, wo sie Geld hat, ist es ihr nicht mehr so wichtig.
Dass die Bellers inzwischen berühmt-berüchtigt sind, hat für Irina Beller weniger mit ihrem Reichtum zu tun. «Mein Mann ist sicher kein Armer, aber es gibt reichere Männer - so ab 500 Millionen aufwärts.» Das Vermögen des «Baulöwen», wie die Boulevard-Presse Walter Beller gern betitelt, wird in der Branche auf rund 50 Millionen Franken geschätzt. Als Sohn eines Malers im berüchtigten Zürcher «Chreis Cheib» aufgewachsen, arbeitet sich Beller mit Fleiss vom Hochbauzeichner-Stift zum Unternehmer und Treuhänder hoch. Vermehrt hat der Selfmade-Millionär sein Vermögen mit dem Bau von Casinos sowie mit Immobilien, welche er baut oder saniert - und dann, im Gegensatz zu vielen anderen in der Branche, zu anständigen Preisen vermietet. Sein Businessmodel spült ihm zwar nicht riesige, dafür aber sichere Erträge in die Kasse. «Ich schlafe auch in Krisenzeiten sehr gut», sagt er. Bellers Wohnungen stehen kaum je leer. So extrovertiert-luxuriös er in der Öffentlichkeit auftritt, als Geschäftsmann ist Walter Beller grundsolide, er gilt als zuverlässig, pünktlich und extrem kostenbewusst.
Ich schlafe auch in Krisenzeiten sehr gut.
Heute fährt er selbstverständlich im grossen Mercedes auf seinen Baustellen vor. Es gab Zeiten, da parkte er seinen Ferrari ausser Sichtweite und kam zu Fuss zur Besprechung mit Architekten und Handwerkern. «Im Gegensatz zu anderen zahle ich gut und pünktlich - warum soll ich dann auch nicht zeigen dürfen, was ich mir erarbeitet habe?» Dass das nicht schweizerisch ist, weiss er. «Da habe ich von Irina gelernt.»
Zürichs Society, die einst die Einladungen der Bellers zu Art on Ice gerne annahm, rümpft inzwischen die Nase über das Paar. «Die beiden waren in der feinen Gesellschaft nie jemand», urteilt die Society-Kolumnistin Hildegard Schwaninger. «Die Bellers sind in der Schweiz das, was die Geissens in Deutschland sind.» Schwaninger erinnert sich, dass Irina Beller zwar vor vier Jahren schon am Medienball im «Dolder» durch ihre Garderobe auffiel, keiner der anwesenden Journalisten aber ihren Namen kannte. «Irina wollte berühmt werden. Das ist ihr gelungen - und fast schon wieder bewundernswert», spottet Schwaninger.
Irina Beller kümmert es nicht, ob über sie getuschelt, gelästert oder ob sie ganz geschnitten wird. Ljuba Manz, Zürichs «Hotelkönigin», ebenfalls mit russischen Wurzeln, verlangte vom Schweizer Fernsehen vor zwei Jahren, dass eine Filmszene, in der sie als Gast von Walter und Irina Beller beim Kispi-Ball im «Baur au Lac» neben dem Gastgeber sitzt, herausgeschnitten werde. Das ging dem SRF zwar zu weit, trotzdem erkannte man Manz nicht, sie wurde verpixelt. Nun würde sich keiner wundern, wenn Irina Beller über einen solch undankbaren Gast herziehen würde. Nicht ein böses Wort kommt aber über ihre Lippen. Im Gegenteil. «Ljuba Manz ist eine grossartige Frau. Ich habe grossen Respekt vor ihr.»
Es macht Irina durchaus Spass zu provozieren. Vielleicht auch, um dieser feinen Gesellschaft, die Bellers für zu schrill und zu laut hält, ein bisschen den Spiegel vorzuhalten. «Jeder geht doch an einen Ball, um zu sehen und gesehen zu werden», sagt sie. Wer behaupte, es sei lästig, an solchen Anlässen von Fotografen abgelichtet zu werden, der lüge sich selbst an. «Insgeheim hofft jeder, am nächsten Tag in der Zeitung zu erscheinen.»
Es mag auch mit ihrer Vergangenheit zu tun haben, dass Irina Beller frei heraus sagt, was sie denkt. In der Sowjetunion musste sie schweigen. Besonders schlimm war es für sie, als ihr Vater in den 80er-Jahren nach Amsterdam versetzt wurde. Irina musste in Moskau im Internat bleiben, durfte ihre Eltern nur in den Sommerferien für zwei Monate besuchen. «Vor meiner Rückreise ging mein Vater jedes Mal mit mir spazieren. So konnten wir nicht abgehört werden, und er bläute mir stets ein, im Internat ja nichts Positives über meine Zeit in Holland zu erzählen.» Es hätte die Familie in Schwierigkeiten bringen können. Dabei war Irina begeistert von der westlichen Musik und den Filmen, die sie im hauseigenen Kinozimmer in den Ferien hörte und sah. «Ich musste lange Zeit mich selbst und andere belügen, um unsere Familie zu schützen.»
Irina Beller ist sehr belesen. Als junge Frau vergrub sie sich in die grossen russischen Klassiker wie Tolstoi oder Dostojewski, aber auch in französische wie Stendhal, wie sich ihr Vater Valery erinnert. Dass sie in der Schweiz mit ihrem Auftreten nicht nur für Freude sorgt, wundert ihn nicht. «Sie ist extrem selbstbewusst.» Schon in der Schule habe sie das Tun der Lehrer hinterfragt und sich nicht alles gefallen lassen. Strychun erinnert sich an einen Vorfall, bei dem einige ältere Jugendliche einen Hund gequält hatten und Irina mutig dazwischen gegangen ist. Dabei gehe sie sonst jeglichem Streit lieber aus dem Weg.
Zwischen Vater und Tochter selbst gibt es jedoch trotz allem ein grosses Streitthema: «Das ist ihr mitunter sehr freizügiger Kleidungsstil. Ich würde mich nie so anziehen.» Allerdings hält in diesem Fall Irinas Mutter Valentina fest zu ihrer Tochter. So ist das eben in einer russisch-ukrainischen Familie - man hält fest zusammen.