László Kish, 60, hat sein Paradies gefunden: ein kleines Backsteinhaus im mecklenburgischen Klein Lukow, nicht mal 300 Einwohner. Im Garten wurzeln mächtige Baumriesen, Überreste des englischen Landschaftsparks, der einst zum Gutshaus des Dorfes gehörte. Ringsum Felder, Wälder, der See am Ortsrand. Die ländlichste Idylle für den gebürtigen Basler und seine deutsche Ehefrau Ulrike, 65.
Trügerisch ist die Dorfidylle im Bergdorf Oberwies, wo der Schauspieler im morgen startenden SRF-Krimidrama «Wilder» als Robert Räber mitmischt. «Ich spiele den Bürgermeister und ansässigen Baulöwen, der sich die Baubewilligungen selbst erteilt.»
Für Kish, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, ist es das erste Filmprojekt seit längerem in der Schweiz. Zuletzt ist er als Moritz Suter im Kino-Schlager «Grounding» zu sehen gewesen. Ein Basler spielte einen anderen Basler. In «Wilder» redet Kish jetzt Berndeutsch.
Ich sollte Arzt werden und Vaters Praxis übernehmen.
Sein Name verrät es: László I. Kish (das I steht für Imre) hat ungarische Wurzeln. Seine Eltern flüchteten nach dem Volksaufstand im Herbst 1956, landeten via Lausanne in Basel, wo László im März 1957 zur Welt kommt. «Ich war für meine Mutter der Freifahrtschein, weil sie hochschwanger überall durchgewunken wurde», erzählt Kish. «Dafür trug ich dich in die Freiheit», scherzte jeweils im Gegenzug seine Mutter.
Doch die Freiheit, seinen Weg als Schauspieler zu gehen, muss sich László auch bei seinen Eltern erkämpfen. «Ich sollte Arzt werden und Vaters Praxis übernehmen.» Nach der Matur beginnt er zu studieren (Englisch, Deutsch, Kunstgeschichte), fährt nebenbei Taxi. «Im Kino sah ich Taxidriver mit Robert De Niro, und die Basler Taxizentrale hatte damals genauso ein New Yorker Checker Cab im Einsatz.» Irgendwann sitzt Kish mit Lederjacke und Schirmmütze hinterm Steuer. «Es machte mir Riesenspass, die perfekte Dienstleistung anzubieten – und in gewisser Weise spielte ich eine Rolle, wie im Film», sagt Kish.
Die Schauspielerei reizt ihn anfangs gar nicht so, er träumt davon Regisseur zu werden. «Allerdings glaubte ich, dass man dafür in Hollywood leben muss, was mir so unmöglich erschien, wie Papst zu werden, US-Präsident oder Astronaut.» Irgendwann hört László, dass es Schulen gibt, «auf denen man sowas lernen könne». Ab 1979 besucht er die Schauspielakademie Zürich, die er, im Gegensatz zu seinem Studium an der Uni Basel, drei Jahre später mit einem Diplom abschliesst.
Und weil er, wie er selbst sagt, ein Glückskind ist, darf er sein erstes Engagement auswählen: Wiener Burgtheater oder Schauspielhaus Zürich. Er entscheidet sich für die Heimat. Auch Filmrollen kommen schnell. «Fehlstart» lautet der Titel seines ersten Streifens. «Ich glaube ja an die Kraft der Worte», sagt Kish lachend, «aber bei meiner Karriere hat sich das nicht bewahrheitet.»
Kish spielt und dreht. Ob in der Bern-Eichinger-Produktion «Salz auf unserer Haut», im Thriller «Schneller als das Auge», in dem der spätere Oscar-Preisträger Christoph Waltz an Kishs Seite spielt, oder aber in so erfolgreichen TV-Serien wie «Eurocops», «Auf Achse», «Alarm für Cobra 11», «Küstenwache» und «Die Rosenheim-Cops».
Ich bin ein Glückspilz! Ich bin 60 und sitze in meinem Haus mit grossem Garten.
Seinen Karrierehöhepunkt erlebt Kish nach der erfolgreichen Fernsehproduktion «Die zweite Heimat». Als sie 1992 in Venedig mit einem Spezialpreis ausgezeichnet wird, steht László spätnachts auf dem Markusplatz, freut sich gemeinsam mit seiner Frau Ulrike über den Erfolg und fragt eher rhetorisch: «Was kann mir das Fernsehen jetzt noch bieten? Den Tatort!»
Die Kult-Krimireihe gilt damals als Kronjuwel. Wochen später klingelt Kishs Telefon: Ob ich den Schweizer Tatort-Kommissar spielen wolle. «Erst dachte ich, da verscheissert mich jemand, weshalb ich kurz angebunden antwortete, ich wolle zuerst das Drehbuch lesen.» 1993 löst László Kish als Detektivwachtmeister Philipp von Burg seinen ersten «Tatort»-Fall, seinen neunten und letzten 2002 mit dem Ausstieg des Schweizer Fernsehen aus der ARD-Reihe.
Mein Mann glaubt an Zauberei, er verlegt Sachen und hofft, sie tauchen wieder auf. (Ehefrau Ulrike über László)
Sein Berndeutsch, wie es jetzt wieder in «Wilder» zu hören ist, hat Kish dank einer Lehrerin in Berlin aufgefrischt. In der Hauptstadt haben László und Ulrike noch eine Wohnung im Stadtteil Prenzlauer Berg. «Ursprünglich hatten wir ja nur eine Datscha gesucht, weil wir wieder mal einen höllischen Sommer in Berlin erlebten, bei dem die Steine kochten», erinnert sich Kish. Sie fuhren also raus aus der Stadt, und als seine Ulrike das kleine Häuschen in Klein Lukow sah, habe sie sich sofort verliebt. Im Gegensatz zu ihm. «Ich brauchte länger.»
Es hat sich als Glücksgriff erwiesen – ihr kleines Paradies im Osten Deutschlands. Der Schweizer und seine Frau wurden mit offenen Armen im Dorf aufgenommen. Sie haben auch schon anderes erlebt, an anderen Orten. «Unsere Nachbarn sind Hammer», schwärmt Kish.
In Berlin ist er eigentlich nur noch, um berufliche Dinge für seine Coachingfirma zu regeln. «Wir werden unsere grosse Stadtwohnung gegen eine kleinere tauschen.» Auf seinem Land fühlt sich Kish wie ein Dorfkönig. Hier chillt er in seiner Sänfte, der Hängematte im Garten.