Martina Hingis, Sie haben vor vier Jahren gesagt, dass Sportlern nach dem Rücktritt das Adrenalin und die Aufmerksamkeit fehlt, aber auch die Tagesstruktur. Haben Sie diesmal ein gutes Gefühl?
Es ist sicher eine andere Situation. Und ich habe Harry an meiner Seite. Ich habe meine Pferde, die Tennisschule der Mutter, wo ich mithelfe. Es wird ein anderes Leben sein. Ich freue mich auf einfache Dinge: wenn Harry abends heimkommt und wir im Sommer grillieren, Freunde und Familie einladen.
Es könnte ja sein, dass Sie sich zu Tode langweilen.
Ich lebte in den Jahren vor meiner zweiten Rückkehr schon sehr selbstständig. Es ist ja nicht so, dass mir jetzt der Boden unter den Füssen weggerissen wird.
Sie bauen Stallungen inklusive einer Wohnung in Bad Ragaz. Wird das eine grosse Ranch?
Nein, es ist nicht riesig. 6000 Quadratmeter. Es gibt acht Pferdeboxen dazu eine Zweizimmerwohnung. Jetzt, wo ich nicht mehr dauernd unterwegs bin, will ich dort mehr Zeit investieren. Ich will nahe meiner alten Heimat eine Basis zum Reiten.
Ich habe ja gewusst, worauf ich mich da einlasse.
Harry Leemann, Sie sind beide gleich alt. Haben Sie als Teenager Martina am Fernsehen verfolgt? Sich die Nächte am TV um die Ohren geschlagen?
Leemann: Das weiss ich nicht mehr genau. Aber ich war Tennisfan, spielte selbst immer. Und sie war schon das Thema Nummer 1. Ja, im Rückblick ist das komisch. Das hätte ich mir damals nicht gedacht, dass sie irgendwann meine Freundin wird.
War es für Sie schwierig, plötzlich einen Star an der Seite zu haben?
Leemann: Ich habe ja gewusst, worauf ich mich da einlasse. Und ich habe das Interesse der Leute und der Medien akzeptiert. Probleme hatte ich nie damit. Ich bin stolz auf das, was sie erreicht hat.
Meine Mutter war Fan von Martina. Sie wollte sofort ein Foto mit ihr.
Wie waren die Reaktionen Ihrer Freunde?
Leemann: Für kurze Zeit war es das grosse Thema. Heute wissen sie, dass Martina eine ganz normale Frau ist.
Und wie war es bei Ihrer Familie?
Leemann: Natürlich waren alle überrascht. Wir sind auch eine Tennisfamilie, und meine Eltern waren Fans von Martina. Meine Mutter wollte darum zuerst ein Foto mit ihr, als sie vorbeikam.
Sie spielen zusammen Tennis. Die Herausforderung für Sie, Martina, ist wohl eher bescheiden.
(Lacht.) Nein, nein, Harry ist ja auch Tennislehrer, trifft den Ball schon. Es macht Spass, mit ihm Doppel zu spielen. Wir sind ein gutes Team. Seine Vorhand ist gut. Ich habe gegen ihn auch schon ein Crosscourt-Duell verloren.
Leemann: Dann will sie natürlich sofort immer eine Revanche.
Sie golfen auch beide, stimmt das?
Leemann: Ja, ich habe vor drei, vier Jahren begonnen. Das wollen wir jetzt intensivieren. Ein anderes Hobby ist das Skifahren.
Wir wünschen uns Kinder, ja. Nur geht das nicht auf Knopfdruck.
Wer fährt besser Ski?
Hingis: Er. Wobei Harry einen Vorteil hat, weil er auch noch Verbandsarzt von Swiss-Ski ist und auch sonst oft auf der Piste steht. Wenn er mal 20 Meter vor mir fährt, verfolge ich ihn verbissen.
Sie waren dauernd unterwegs. Jetzt haben Sie einen Arzt als Partner. Sie wissen, worauf Sie sich eingelassen haben, Martina?
Klar. In der Unfallchirurgie wird viel gearbeitet. Ich bin ja stolz darauf, was er erreicht hat. Und sein Beruf interessiert mich. Als Athletin hat man Interesse am Körper. Ich kann mich jetzt anpassen.
Sie hätten jetzt auch Zeit für Kinder. Wie akut ist dieser Wunsch?
Hingis: Wir wünschen uns Kinder, ja. Nur geht das nicht auf Knopfdruck.
Generell bin ich keine, die zwei Nannys haben möchte. Ich will das selber machen.
Statt dolce far niente würde das wiederum harte Arbeit bedeuten. Das wissen Sie schon, oder?
Hingis (lacht): So weit denke ich gar nicht. Natürlich weiss ich das. Ich bin viele Jahre im Vordergrund gestanden. Wenn es so weit ist, hat das Kind Priorität.
Sie haben gesehen, dass man auch mit Kindern auf der Tennistourreisen kann. Angenommen, Sie wären früh genug ein Paar gewesen: Wäre das für Sie infrage gekommen?
Hingis: Es wäre schön, hätte ich Harry schon früher kennengelernt. Aber das Herumreisen mit Kind ist sicher nicht einfach. Ich bin gespannt, wie das Serena Williams macht. Ich weiss, dass meine Bedürfnisse dann nur noch an zweiter Stelle stehen. Generell bin ich keine, die zwei Nannys haben möchte. Ich will das selber machen. Meine Mutter war 24 Stunden am Tag für mich da. Ich kenne es so.
Kinderwunsch, sesshaft werden: Hatten Sie die viele Reiserei satt?
Hingis: Ja. Weil wir oft getrennt waren. Nur schon zwei Wochen in China fand ich mühsam. Die Vorstellung, im Januar wieder einen Monat alleine nach Australien zu fliegen, fand ich nicht prickelnd. Ich glaube, wenn daheim auf dich nichts und niemand wartet, versuchst du, deine Karriere zu verlängern. Aber das Leben neben dem Tennis erfüllt mich jetzt.
Worauf freuen Sie sich am meisten?
Dass alles, was mit Tennis zu tun hat, kein Müssen ist. Darauf, dass ich meine Pferde wieder selber bewegen kann. Ich werde mir wieder einen geordneten Tagesablauf geben. Und mich viel bewegen. Denn ich will ja nicht aufgehen wie ein Weggli. Der Sport wird immer ein Teil von mir bleiben. Ausser, ich gehe dann aus anderen Gründen in die Breite (lacht). Davor hatte ich Respekt in Bezug auf Kinder. Denn auf meine Figur, meine Athletik, war ich immer ein wenig stolz.
Alles muss ich nicht auf den Kopf stellen.
Würden Sie Ihr Kind sportlich fördern?
Wenn es daran Freude hätte, warum nicht? Dass ist ja auch etwas, was ich weitergeben kann. Der Sport hat mir sehr viel geholfen und gegeben im Leben.
Sie haben eine Wohnung in Feusisberg und eine in Zug. Wo werden Sie wohnen?
Leemann: Je nachdem, was gerade los ist. Wenn ich arbeite, sind wir zusammen in Zug. Jedenfalls sind wir immer zusammen.
Die Wohnung in Feusisberg behalten Sie?
Hingis: Auf jeden Fall. Ich bin zwar zurückgetreten. Aber alles muss ich nicht auf den Kopf stellen.
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