Stockholm präsentiert sich für einmal von seiner garstigen Seite. Ein nordisch herber Wind weht vom Meer her. Passend dazu stehen zwei bärtige Männer in der steifen Brise. Nicht bereit zum Auslaufen auf hohe See, sondern um sich zu umarmen und zu küssen. Es ist das herzliche Treffen von Vater und Sohn. Von Felix «Fige» Hollenstein und seinem Sohn Denis. Der ältere ist 48 und hat seine Geschichte schon geschrieben. Zumindest die auf dem Eis. 650 Mal spielte er in der Nationalliga A für den EHC Kloten, viermal wurde er mit dem Klub seines Herzens Schweizer Meister. 131 Mal streifte er die Schweizer Farben über, erzielte 47 Tore. 17 Saisons, vier Meisterzigarren, vier Nasenbrüche - Fige Hollenstein ist eine Legende. Und Denis, der mit dem roten Mannschaftspulli neben seinem Vater sitzt, will eine werden.
Der Junior macht seinem Namen alle Ehre. Der Flügelstürmer ist Teil dieser frechen jungen Einheit, die an der Weltmeisterschaft in Schweden alle verblüfft: Nach neun Siegen in Folge zieht das Schweizer Team souverän ins Finale ein, nur für die Goldmedaille reichts nicht ganz. Denis trifft als Topskorer seines Teams und reiht sich ein unter die zehn besten Spieler der Welt. «Er ist stolz auf mich, auf das, was wir geleistet haben», sagt der 23-Jährige und nickt in Richtung seines Vaters, um anzufügen: «Als Bub war er mein Idol, mein Held.»
Denis durfte bereits als Zweijähriger mit seinem Papi ins Training zum EHC Kloten. «In voller Montur wartete er auf der Auswechselbank, bis wir fertig waren, dann furzte er eine Viertelstunde auf dem Eis rum», sagt Felix. «Das bedeutete schon damals alles für ihn. Das war ihm das Warten wert.»
Zur Geburt bekam Denis von seinem Götti Marcel Wick, selbst Eishockey-Profi und Vater des heutigen Nationalspielers Roman Wick, eine Ausrüstung. Kaum kann er laufen, will er nicht mehr aus den Schlittschuhen steigen. Selbst in der Wohnung stapft er mit blanken Kufen über den Teppich. «Manchmal schlief er sogar mit den Schlittschuhen.» Im Winter wird die Terrasse vom Schnee geräumt und mit einem Gartenschlauch gespritzt, damit Denis sein kleines Eis-Paradies hat. «Er war damals schon verrückt danach und ist es heute noch», sagt Fige. «Er ist Hockey-sick, im positiven Sinn.»
Die Kindheitserinnerungen sind Denis noch immer präsent. Er und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Marc hobeln im Winter den Banden entlang, vertauschen im Sommer den Puck mit dem Tennisball. Der Vater ist beim Knebeln Gegenspieler, Schiedsrichter und Tröster in einem. «Wenn dein Vater Nati-Spieler ist, platzt man fast vor Stolz. Es war wirklich cool», sagt Denis.
Die erfolgreichste Kampagne von Senior Hollenstein im Nationalmannschaftsdress bekommt er aber noch nicht richtig mit. 1992, an der Weltmeisterschaft in Prag und Bratislava, reihen die Schweizer eine Überraschung an die nächste. Gegen Russland und Kanada spielen sie unentschieden. Vor dem Viertelfinal gegen Deutschland schreibt die «Bild»-Zeitung: «Schiesst den Schweizern Löcher in den Käse.» Das spornt an. «Fige» machte beim 3:1 eine Hammerkiste», wie er selbst zugeben muss. «Schwierig zu sagen, was das Beste in meiner Karriere war. Aber das war sicher einer der schöneren Momente.»
In diesem Jahr ist nun Denis reif, um grosse Schlagzeilen zu schreiben. Er ist einer dieser neuen Generation Spieler, die nicht mehr vor Ehrfurcht zusammenzucken, wenn Kanadier, Tschechen, Russen oder Schweden das Eis berühren, wenn NHL auf der Verpackung steht. «Wir hätten keine Chance gegen das heutige Team», sagt Vater Felix. «Denis macht einiges besser als ich. Offensiv ist er sehr gut, technisch und läuferisch. Aber ich will ihn nicht zu viel loben. Andere sollen ihn beurteilen.»
Ein Kanada-Abenteuer hat er bereits hinter sich. Mit zarten 17 Jahren wird er an der U18-WM in Finnland vom Coach des kanadischen Juniorenteams von Guelph Storm entdeckt. Vater Felix, der in den Junioren-Auswahlen auch sein Trainer ist, und Mutter Barbara entscheiden sich nach dem Gusto des Juniors. Der darf auf die weite Reise. Er spricht kaum Englisch, kommt in eine Gastfamilie. Zwei lange Saisons bleibt er da, lernt zu beissen, sich nach Verletzungen zurückzukämpfen. Er sei als Bub gegangen und als Mann zurückgekommen, findet sein Vater heute. Als aktueller Trainer der Kloten Flyers wird er seinen Sohn, einen seiner besten Trümpfe, verlieren, weil es ihn nach Genf zu Servette zieht. Dass der Westschweizer Klub nur eine Zwischenstation auf dem Weg in die grosse NHL sein soll, ist ein offenes Geheimnis.
Aber vorläufig darf er stolz sein auf ein wunderbares Kapitel, das er in der Nationalmannschaft mitgeschrieben hat. Ob er den Vater irgendwann ganz übertrumpft? «Seine Karriere war unglaublich», sagt Denis. «Ich müsste zuerst viermal hintereinander Schweizer Meister werden. Ich kann mich noch lange nicht mit ihm vergleichen. Er ist einer der besten, die das Land je hatte.»