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Social-Media-Star Raffaela Zollo im Porträt

«Ich esse Abfall, ich rede Abfall»

Mit einer Viertelmillion Fans auf Facebook, 170'000 auf Instagram und 115'000 Abonnenten auf Youtube ist Raffaela Zollo ein Social-Media-Star. Der Weg zur Beliebtheit war steinig: In ihrer Kindheit - als sie noch ein Bub war - wurde die gebürtige Bündnerin von ihren Mitschülern gehänselt. SI online hat die Transfrau in ihrem Zuhause besucht.

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Raffaela Zollo in ihrem Zuhause in Rudolfstetten

Im Morgenmantel checkt Raffaela Zollo ihre Nachrichten.

Joseph Khakshouri

Die pink gefärbten Haare zu Zöpfen geflochten, die Lippen dunkel geschminkt und künstliche Wimpern aufgeklebt. Raffaela Zollo empfängt uns in ihrer dreieinhalb-Zimmer-Wohnung in Rudolfstetten AG so, wie wir sie aus ihren Videos kennen.

Das Zuhause des Social-Media-Stars ist aufgeräumt, kommt blitzeblank daher. Es riecht nach Orient. «Das ist Ambre Narguilé von Hermès. Ich habe nicht auf den Preis geschaut, als ich es ausgesucht habe», sagt Raffaela.

Das Geld dafür hat die 25-Jährige bis vergangenen Oktober als Schmuckverkäuferin verdient. Seit knapp einem Monat ist Youtube ihre Haupteinnahmequelle.

Raffaela Zollo in ihrem Zuhause in Rudolfstetten

Hinter einem Video stecken rund sechs bis sieben Stunden Arbeit.

Joseph Khakshouri

«Ich kann davon leben»

Die gebürtige Bündnerin verdient an der Werbung, die vor ihren Videos abgespielt wird. Konkrete Zahlen möchte die gelernte Detailhandelsfachfrau nicht nennen. «Ich kann davon leben», sagt Raffaela lediglich. Neben ihrem eigenen Youtube-Kanal «Raffa's Plastic Life» ist sie bei SRF auf «Youngbulanz» zu sehen. Dort spricht sie über Liebe, Sex und andere Themen, die junge Leute beschäftigen. Auf ihrem eigenen Kanal hat Raffaela aber die grössere Zuschauerschaft: 115'000 Abonnenten, 52 Mal so viel wie «Youngbulanz».

Das ist bemerkenswert, denn die junge Frau tummelt sich erst seit elf Monaten auf dem Videoportal. Auf Instagram ist sie bereits seit zwei Jahren als «raffasplasticlife» unterwegs. Ihr Publikum wächst von Tag zu Tag. Mittlerweile folgen Raffaela auf Instagram mehr als 170'000 Menschen, auf Facebook sinds schon eine Viertelmillion.

Raffaela Zollo in ihrem Zuhause in Rudolfstetten

Raffaela Zollo produziert ihre Videos von A bis Z selber.

Joseph Khakshouri

Raffaelas Follower sind echt

Ob der Social-Media-Star, wie viele ihrer Kollegen, da mit Geld nachgeholfen hat? «Ich habe nie Follower gekauft», versichert sie. «Die Leute folgen mir, weil ich einzigartig und lustig bin.» In ihren Videos erzählt Raffa über ihre Alltagsprobleme. So erfahren die Zuschauer, dass sie oft pleite ist, Flipflops hasst, und warum sie ihren Verwandten nichts zu Weihnachten schenkt. (Klicken, um Video zu starten)

 

Für Raffaela gibt es keine No-Gos

Die Ideen für ihre Videos hat sie oftmals zu ungewöhnlichen Zeiten. «Manchmal stehe ich mitten in der Nacht auf, um mir Notizen zu machen, worüber ich im nächsten Video reden könnte», erklärt der Social-Media-Star.

«Bitch», «I don't care» oder «Fuck»

Als Youtuberin ist Raffaela eine Selbstdarstellerin. Sie gestikuliert in ihren Videos wild mit den Händen, rollt mit den Augen und mischt Englisch mit Deutsch. Als selbsternannte Trashbag-Queen kennt sie weder Tabuthemen noch No-Gos und vergisst dabei nie die Selbstironie: «Ich esse Abfall, ich rede Abfall.» Würde man eine Strichliste führen, wären die meist verwendeten Ausdrücke «Bitch», «I don't care» oder «Fuck».

Sie wählt den richtigen Mix

Raffaela schafft es, über ernste Themen zu sprechen, ohne ihre Abonnenten herunterzuziehen. Die Youtuberin kann über das Gefühl, sich innerlich tot zu fühlen, sinnieren und gleichzeitig quicklebendig wirken. Schaut man sich ein paar Videos an, fällt auf, dass der Instagram-Star vor allem für gegenseitige Toleranz wirbt.

Raffaela Zollo in ihrem Zuhause in Rudolfstetten

Ihr Smartphone ist ihr Arbeitsinstrument: Raffaela Zollo ist Youtuberin.

Joseph Khakshouri

Raffaela wurde als Junge geboren

Das kommt nicht von ungefähr: In ihrer Vergangenheit ist Raffaela vielen Menschen begegnet, die sie nicht akzeptiert haben. Besonders zu der Zeit, als sie noch Raffaele hiess. Die Transfrau kam in Poschiavo GR als Sohn einer Putzfrau und eines Kellners zur Welt. In ihrer frühen Kindheit habe sie die Geschlechter nicht gross wahrgenommen, sagt sie: «Ich war einfach Raffa.»

«Die Leute sagten, ich sei schwul»

Die Identitätsprobleme seien erst mit den Reaktionen ihrer Mitschüler gekommen. «Die Leute sagten, ich sei schwul, weil ich mit Puppen spielte», erklärt die Transfrau. Während dieser Zeit habe sie null Selbstbewusstsein gehabt und viel geweint. Niemand ahnte, dass sie transsexuell ist.

Im Alter von 13 Jahren dann schaffte eine «Big Brother»-Folge Klarheit: Als sie in der Fernsehshow eine Transfrau über den Bildschirm flimmern sah, wusste Raffaela: «Ich wurde im falschen Körper geboren. Es gibt eine Lösung für mein Problem.»

Raffaela Zollo in ihrem Zuhause in Rudolfstetten

Heute ist Raffaela Zollo zufrieden mit ihrem Aussehen.

Joseph Khakshouri

Geschlechtsangleichung mit 19

In einem Brief teilte die damals 14-Jährige ihren Eltern mit, dass sie lieber eine Frau wäre. Vater und Mutter sowie Raffaelas damals 11-jährige Schwester Serena sicherten ihr die volle Unterstützung zu. Am liebsten hätte sie den Plan «Frauwerden» sofort umgesetzt. Doch ihr Arbeitgeber machte nicht mit: «Mein Chef erlaubte mir nicht, Frauenkleider anzuziehen. Daher musste ich meine Lehre bei einem Schmuckgeschäft in St. Moritz als Mann beenden.»

Am Tag ihres 18. Geburtstags begann Raffaela, Hormone zu nehmen. Die Geschlechtsangleichung liess auf sich warten. «Ich brauchte die Bestätigung von vier Psychiatern, dass ich voll bereit für diesen Schritt war», erzählt sie. Mit 19 Jahren erhielt die Bündnerin dann den entscheidenden Anruf: Die Krankenkasse teilte ihr mit, dass die Kosten übernommen werden. «Ich habe geweint vor Freude und ins Telefon geschrien», erinnert sich der Social-Media-Star.

Raffaela Zollo in ihrem Zuhause in Rudolfstetten

Kaffee ist ihr Wachmacher: Als Social-Media-Star ist Raffaela Zollo selten offline und kriegt oft zu wenig Schlaf.

Joseph Khakshouri

«Ich kann einen Orgasmus haben»

Bei ihrem ersten Eingriff liess sich Raffaela den Penis entfernen und Brustimplantate einsetzen. Danach folgten weitere Operationen. So liess sich Raffaela die Wangen und Lippen aufspritzen, um weiblicher auszuschauen. Heute ist sie mit ihrem Körper zufrieden und fühlt sich als vollwertige Frau: «Der Penis ist weg. Ich habe Gefühle in meiner Vagina und kann einen Orgasmus haben.»

Raffaela Zollo in ihrem Zuhause in Rudolfstetten

In Raffaela Zollos Ankleidezimmer hat es über 60 Paar Schuhe, darunter viele hohe Hacken.

Joseph Khakshouri

In einer Sache steht sie einer biologischen Frau dennoch nach: Als Transfrau wird sie nie ein Kind gebären können. «Als ich mich für die Geschlechtsanpassung entschieden habe, dachte ich nicht ans Kinderkriegen. Ich habe mein Sperma vor der Operation nicht einfrieren lassen und bereue es auch nicht», sagt die Single-Frau. Ob sie eines Tages Kinder adoptieren wird, weiss sie nicht. Für ihre berufliche Zukunft hat die 25-Jährige aber konkrete Pläne.

Raffaela will Miss Schweiz werden

Im Oktober wurde Raffaela ans Casting für die Miss-Schweiz-Wahl 2018 eingeladen. In diesen Tagen kommt die Meldung, ob sie zur finalen Auswahl antreten darf. «Ich rechne mit einem positiven Bescheid. Ich bin eine interessante und humorvolle Frau und verfüge über eine grosse Community. So eine Kandidatin braucht die Miss-Schweiz-Organisation.»

Von Sarah Huber am 21. November 2017 - 08:00 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 13:00 Uhr