«Wenn du Steak in die Pfanne haust, wird es fest.» Das Steak ist mein Gesicht. Gebraten wird es durch Dr. Omar Haroon, der einen Brand unter meiner Haut legen will. In der Praxis am Zeltweg in Zürch hat der plastische Chirurg ein Höllengerät stehen, das nur ganz wenige haben. Morpheus8 nennt sich die heiss begehrte Hollywood-Methode zur Hautstraffung ohne OP, die zusätzlich zu den 60 Kilojoule Energie gülden schimmernde Nadeln ganze vier Millimeter in die Haut jagt. «Wir needlen das ganze Gesicht, schiessen da Feuer rein, setzen einen Brand in der Tiefe. Das führt zu einem Re-Modelling-Prozess in Gewebe und Haut», flötet Dr. Haroon im Vorfeld. Der will also mit Absicht was kaputt machen. Ich bin frische 37, ich bin doch morsch genug. Könnte man meinen. Haroon kennt keine Gnade.
«The Journey of the face»
So sein Projekt. «Wie schaffen wir es, zu altern, dementsprechend auszusehen, aber trotzdem attraktiv und frisch zu wirken?», so seine Fragestellung. Es geht darum, langfristig nicht anders, sondern besser auszusehen. Aus diesem Grund betrete ich meinen persönlichen Albtraum – einen hübschen Altbau mit grossen Feigenbäumen und netten, schönen Menschen zwar, aber einem riesigen Bildschirm mit meinem Gesicht drauf an der Wand. Kunst ist das nicht, würde ich sagen. Aber deswegen bin ich ja da.
Dr. Haroon findet das Gesicht spannend. Das mag richtig sein, studiert man sich selbst aber so detailliert, sinkt man zunehmend desilliusionierter in den Ledersessel. Eine Erstkonsultation dauert in der Praxis am Zeltweg bis zu einer Stunde. Es ist wichtig, das eigene Gesicht besser zu verstehen. Nun gut, macht Sinn. Ich notiere widerwillig: Die Textur meiner Haut ist gut, ich habe Volumen, meine Falten-Dichte ist im grünen Bereich, da tummeln sich Pigmentflecken, dafür kaum Augenringe. Anhand der Analyse, die mich aus sämtlichen Winkeln durchleuchtet, sieht man, dass ich gerne in der Sonne bin. Meine Ohren sind schwarz. Oops. Dr. Haroon sieht mir an, dass ich Seitenschläferin bin. Weil eine Seite flacher ist. Platt gelegen. Problemzonen: die scheinbare Abwesenheit von Wangenknochen und die Nasolabialfalte. Straffen wir nun also. Ich fühle mich in guten Zauberhänden, vertraue dem Meister.
Morpheus8, der Rowdy unter den Beauty-Göttern
Needlen wollen wir also. Das bedeutet: Microverletzungen der Haut durch Nadeln. Unterschieden wird dabei zwischen Microneedling, Medical Needling und Trommelwirbel... der Königsdisziplin Morpheus8. Microneedling findet man auf dem Menü von Kosmetiker*innen, sie dürfen dabei 0.5mm tief stechen, man kratzt also noch an der Oberfläche. Beim Medical Needling stechen die sogenannten Derma Pens oder Roller bis zu 2mm tief – hier muss ein Arzt ran, weil Gewebe verletzt werden kann.
«Bei Morpheus8 gehe ich 4mm tief, so erreiche ich das Bindegewebe. Bei einer Entzündung im Gewebe wird die Kollagen-Neubildung stimuliert», erklärt Haroon. Zudem geben die Nadelspitzen einen Radiofrequenz-Wärmeimpuls ab. «Was passiert, wenn man Fett erhitzt? Es schmilzt.» Hilfe. Aber sachlich bleiben. Denn so werden zwei bewährte Therapieansätze miteinander kombiniert: Beim heissen Mix aus Needling und Radiofrequenzenergie dringt die Radiofrequenz nicht nur in das oberflächliche Gewebe vor, sondern bis in die Fettschicht, um die Kontur zu verbessern. Mein Gesicht steigt also irgendwann wie Phoenix aus der Asche? Das geht, weil der Körper ein verdammter Workaholic ist. Die Kollagen- und Elastinproduktion wird stimuliert und treibt so den körpereigenen Heilungsprozess an. Morpheus appelliert also an die natürliche Regenerationsfähigkeit des Körpers. Die Haut strafft sich selbst, schlaffe Partien hören auf zu baumeln. Und der Schmerz? Immerhin reden wir von Nadeln. Und 4mm.
Auf dem elektrischen Stuhl
Dr. Haroon rückt fröhlich mit einem Betäubungsgel an. Wo stumm geschalten werden muss, stehen Qualen an? Wo gehobelt wird, fallen Späne? Muss das wirklich sein? Bin ich so tief gesunken? Dem Jugendwahn wirklich in den Schlund gesprungen? Da liege ich nun und liefere mich aus.
Wir werden also dieses eingangs erwähnte Steak erwärmen und straff braten. Ein Schnitzel klopft man vorher. Und so in etwa fühlt sich Morpheus8 an. Es riecht leicht verkokelt und die Nadeln treffen die Haut mit einer durchaus unvorhergesehenen Wucht. Die stanzen sich durch die Schichten und schiessen. Von angenehm bin ich weit entfernt. Ich zucke, ich nöle, lasse mir Beileid wünschen, frage mich, warum man das freiwillig macht. Durch 400 Schüsse kämpfe ich mich, nach fünfzehn Minuten ist es vorbei. Ich frage aus Spass: «Blute ich?»
Jetzt bloss kein Feuerlöscher
Ja, ich blute. Ich bin schliesslich minimal angeschossen. Meine Haut ist im Anschluss zwei Tage gerötet, im Verhältnis zu dem, was passiert ist, sind die Auswirkungen aber mehr als erträglich. Weil man nach der Behandlung die Sonne meiden und brav SFP tragen soll, empfiehlt sich Morpheus8 eher im Herbst und Winter. Es werden zudem vier Treatments angeordnet, um den gewünschten Effekt zu erzielen – in einem Abstand von vier bis sechs Wochen. Weitere Spielregel: Zehn Tage nach dem Needlen auf Schmerzmittel wie Ibuprophen oder Aspirin verzichten, generell auf alles, was entzündungshemmend wirkt. «Den Entzüdungsprozess brauchen wir. Ein Feuerlöscher wäre kontraproduktiv», so Dr. Haroon. Ok. Burn, motherfucker, burn.
Ein Viertel hab ich geschafft. Ob ihr mich am Ende auf der Strasse noch erkennt, ist fraglich. Stay tuned! Die Needling-Reise geht weiter.
Mehr Infos unter praxisamzeltweg.ch