Ein überdimensionales, fettes Plastikschwein baumelt von der Decke. Es ist durchsichtig und was man durchschimmern sieht, ist Geld. Sehr viel Geld. Die, die darunter sitzen, sind Menschen, die eben das nicht haben. Gar nichts haben sie nämlich – bis auf einen Berg Schulden. Man verspricht ihnen ein Vermögen, wenn sie sich dazu bereit erklären, sich einsperren zu lassen und in tödlichen Kinderspielen gegeneinander anzutreten. Wer übrig bleibt, kriegt den Inhalt der Sau. So warten die Teilnehmer im südkoreanischen Netflix-Hit «Squid Game» also in durchnummerierter Häftlingskleidung auf ihre lustige Henkers-Partie. Anonymsiert in Tracksuits, Retro wie jene aus den späten Siebzigern – nicht gestreift, nicht orange (the new black), sondern tannengrün. Klar, es geht schliesslich sportlich zu. Und Grün ist die Farbe der Hoffnung. Dann fallen jede Menge Schüsse und das Blut spritzt. Ironie tut manchmal so weh.
Normcore des Horrors
Und der Fan, der schaudert. Ist begeistert ob des brutalen, sadistischen und deprimierenden Plots. Verkleidet sich drum so an Halloween. Liegt so aber auch der Couch. Geht so einkaufen. Hockt so im Home Office. Geht so spazieren. Holt so Kaffee. Laut der Modesuchmaschine Lyst nämlich sind die globalen Suchanfragen für eben jene Tracksuits um 97% gestiegen. Die weissen Slip-on-Sneakers von Vans, mit denen die Protagonisten über die sandige Arena stürzen, waren nach Start der Show sofort ausverkauft.
Es war schliesslich einmal... der Jogginganzug als hippe Uniform einer nie dagewesenen Pandemie. Mit dem Look des Eingeperrtseins, der Ungewissheit kann sich sich wohl so ziemlich jede*r identifizieren. «Squid Game» hat den Lockdown-Grusel auf eine neue Ebene gehoben. Mit Trainingsjacken statt Sweater. Mit kleinem Stehkragen statt Kapuze. Die nämlich gehört den Bösen. Dass wir tatsächlich noch Lust haben, uns so anzuziehen, als stünde uns das Schlimmste noch bevor? Der gelangweilte Mensch möchte gefordert werden. Sich mitreissen lassen. Das hat Netflix geschafft. Und Massenmedien verführen schliesslich immer zu Massenkonsum.