Hollywood-Ambitionen hatte die Hamburgerin Helen Hoehne lang keine. Aber sie war schon früh vom Film fasziniert. «Top Gun», «Indiana Jones» und «Pretty Woman» waren die Blockbuster, die sie als Teenager ins Kino zogen. Sie verfolgte schon damals die Golden-Globe-Awards am Fernsehen und fragte sich, wer wohl diese Leute sind, die die Gewinner küren. In Los Angeles lernte sie – mittlerweile selber erfolgreiche Print- und TV-Journalistin bei der Bauer Media Group – ein Mitglied der Hollywood Foreign Press Association kennen und wurde 2004 Mitglied im Gremium. Seit zwei Jahren präsidiert sie die Organisation. Helen Hoehne über den Streik in Hollywood, die Kinokrise und die Zukunft der Award-Shows.
Helen Hoehne, wie ist die Stimmung derzeit in Hollywood?
Die Unsicherheit ist gross, alle sind nervös. Eigentlich beginnt jetzt die Award Season, aber durch die Streiks ist es schwierig für die Studios, ihr Material zu promoten. Ganz besonders sind natürlich jene betroffen, die jetzt keine Arbeit haben – nicht nur Drehbuchautoren oder Schauspielerinnen, sondern auch die Leute im Hintergrund. Von Maskenbildnern und Kostümdesignerinnen über Handwerker und Beleuchterinnen bis zu Stylisten und einfach alle, die an Produktionen arbeiten. Es geht schon Angst um.
Welchen Einfluss hat der Streik auf die Golden Globe Awards?
Die Zeremonie findet am 7. Januar statt. Bis dann haben sich die Parteien hoffentlich geeinigt. Die Emmys wurden ja bereits vom September auf den 15. Januar verschoben. Wir möchten die erste Show der Award Season 2024 sein und hoffen, dass es dabei bleibt.
Denn wenn die Schauspielerinnen und Autoren streiken, bedeutet das, dass sie nicht an die Award-Shows gehen dürfen?
Genau, denn sie dürfen ihre Arbeit nicht promoten, was sie an einer Award-Show ja tun würden. Dazu haben wir für die Preisverleihung natürlich auch Drehbuchautoren, die unsere eigene Show schreiben, die jetzt nicht arbeiten dürften – keine Drehbuchautoren, keine Stars, keine Show.
Abgesehen vom Streik, was ist normalerweise die grösste Herausforderung dabei, eine Award-Show wie die Golden Globes auf die Beine zu stellen?
O Gott, wo soll ich da anfangen? (Lacht.) Am Fernsehen mag das alles so einfach aussehen, aber da steckt wirklich eine Organisation dahinter, bei der sehr viele Elemente zusammenlaufen. Man muss immer einen Plan B haben, denn es gibt immer irgendetwas, das nicht funktioniert. Man muss daher extrem flexibel sein – und das innerhalb des Budgets. Die Vorbereitungen fangen schon im Sommer an, wenn man entscheidet, wer die Show produziert, wer hostet, wie sie aussehen soll und ob man etwas an den Kategorien ändern muss.
Wo ist denn da Handlungsbedarf?
Award-Shows müssen sich erneuern, wir haben ja in den vergangenen Jahren gesehen: Das Interesse an diesen Events schwindet. Wir haben immer noch das Glück, dass an den Golden Globes ein internationales Interesse besteht. Aber wir suchen auch nach Möglichkeiten, wie wir die Preisverleihung den Veränderungen in der Welt anpassen können.
Diversität und Inklusion ist ein zentrales Thema in Amerika – auch bei Ihrer Organisation und den Golden Globes. Hat sich inzwischen für Minderheiten tatsächlich etwas verbessert?
Aus der Sicht der Golden Globes haben wir sicher grosse Fortschritte gemacht. Wir waren auch schon zuvor eine sehr diverse Gruppe, jetzt steht unsere Diversität bei 52 Prozent. Wir haben Voters aus 76 Ländern. Wir unterstützen und finanzieren viele diversitäts- und inklusionsfördernde Projekte in der Filmindustrie. Aber es gibt noch sehr viel zu tun.
Wir blicken zwar gerade auf die Hits «Barbie» und «Oppenheimer» zurück, aber das Kino hat sich seit der Pandemie noch nicht richtig erholt. Ist das Kino langfristig nicht mehr zu retten?
Ich hoffe schon, dass wir in Zukunft noch ins Kino gehen werden. Die Kinoerfahrung ist etwas Besonderes. Natürlich finde ich es auch toll, was man alles zu Hause anschauen kann. «Top Gun» letztes Jahr und jetzt «Barbie» und «Oppenheimer» haben aber gezeigt: Die Lust auf Kino ist da. Aber reicht das? Wahrscheinlich nicht. Filmstars wie Nicole Kidman, Hugh Grant oder Hugh Jackman drehen nun limitierte Serien, die man gemütlich zu Hause anschauen kann. Schlafsessel, Dinner im Kino, virtueller Einbezug – die Branche muss sich sicher noch einiges einfallen lassen, um Kino noch toller zu machen. Solche Ideen sind wichtig, denn das Publikum ist immer hungrig auf Neues.
Glauben Sie, was in Hollywood bezüglich KI, also Künstlicher Intelligenz, verhandelt wird, hat eine Signalwirkung auf die Gesellschaft?
Mit Sicherheit. Die Filmindustrie bekommt immer sehr viel Aufmerksamkeit. Deswegen reden wir jetzt alle vermehrt über KI. Alle Sektoren, selbst die Schweizer Käseindustrie, sind irgendwann davon betroffen, und deshalb sind Regulierungen wichtig.
Wie würden Sie die gewonnene Zeit nutzen, wenn Ihnen KI die Arbeit abnehmen würde?
Ich würde mehr reisen. Seit der Pandemie reise ich weniger, aber ich würde wirklich gerne wieder die Welt erkunden und andere Kulturen kennenlernen. Ich finde es spannend, andere Sprachen zu hören und zu sehen, wie die Menschen auf der Welt leben.