Die erfolgreiche Schweizer Rollstuhlsportlerin Edith Hunkeler, 37, wird zum ersten Mal Mutter. Das Kind soll im September zur Welt kommen. Die 50-fache Schweizer Meisterin spürt den Nachwuchs aufgrund ihrer Lähmung vom Bauchnabel abwärts allerdings nicht, wie sie im Interview mit der «Schweizer Illustrierten» erzählt: «Aber ich werde es spüren. Das kann ich kaum erwarten.» Am meisten freue sie sich darauf, das Kind nach der Geburt endlich berühren zu dürfen, es zu riechen und stundenlang anzusehen.
Edith Hunkeler und ihr Partner Mark Wolf, 36, sind seit neun Jahren ein Paar - sie lernten sich kennen, als Edith nach dem Autounfall vor 16 Jahren bereits mit gelähmten Beinen im Rollstuhl sass. Für das Paar stellte das Handicap nie ein Problem dar, der Familienwunsch blieb. Bei einem Rennen in Australien merkte Hunkeler, dass die Monatsblutung ausblieb, zurück in der Schweiz machte sie den Schwangerschaftstest: «Als ich das Resultat sah, rief ich gleich Mark an. Abends kam er mit einem ‹I love Mama›-Nuggi nach Hause.»
Über das Geschlecht ist sich das Paar noch uneinig, erzählt Edith Hunkeler: «Ich war mir immer sicher, dass mein erstes Kind ein Bub werden wird. Doch Mark ist davon überzeugt, Vater eines Mädchens zu werden. So oder so ist es ein absolutes Wunschkind.» Die behandelnde Ärztin werde das Geschlecht den baldigen Eltern demnächst verraten, bis dahin rede das Paar immer vom «Chliine».
Zwiegespräche mit dem Kleinen sind der werdenden Mama im Alltag wichtig: Der erste Gedanke morgens sei immer, dass sie jetzt zu zweit sei. «Dann fasse ich mir an den Bauch und sage meinem Baby: ‹Guete Morge, chum, miir stönd uf.›» Wenn sie rausgehe, beschreibe sie, wie schön grün alles ist. Oder bevor sie sich in den Rennstuhl setzte, warnte sie: «Jetzt wirds eng.» Doch das ist passé, denn Hunkeler passt nicht mehr in ihren Rennstuhl, da sie durch die Schwangerschaft vier Kilo zugenommen hat. «Mark freut sich, dass ich mich verändere, und betont, wie sehr ich ihm gefalle - er nennt mich ganz liebevoll ‹U-Böötli›.»
Die Paraplegikerin weiss bereits, dass sie das Kind per Kaiserschnitt gebärt, weil sie sich und das «Chliine» keinem unnötigen Risiko aussetzten will. Mark soll bei der Geburt dabei sein, wie das jetzt schon bei allen ärtzlichen Untersuchungen der Fall sei. Eingekauft und vorbereitet hat das Paar für den Nachwuchs noch nicht viel. Fest stehe aber schon, dass das Kinderbettchen vorerst im Schlafzimmer stehen soll und der Wickeltisch auf Hunkelers Höhe angepasst werde. Ihr ist klar, dass sie als Mutter Hilfe in Anspruch nehmen muss: «Alles wird Neuland sein für mich. Es wieder wie damals, als ich in den Rollstuhl kam: eine völlig neue Situation. Ich werde bestimmt wieder meinen Weg finden.» Trotzdem wird sie auf gewisse Dinge verzichten müssen.
Mit dem Kind im Sandkasten herumtollen wird Hunkeler nicht möglich sein und auch alltägliche Dinge wie einkaufen werden eine Herausforderung darstellen: «Ich kann mein Baby nicht einfch unter den Arm nehmen», erklärt sie, bleibt allerdings auch positiv: «Angeblich werden Kinder von Behinderten schneller selbstständig: Mein Kind wird auf meinem Schoss nie so sicher sitzen wie bei anderen, und genau weil es fühlt, dass Mami das nicht kann, wird es schneller ‹stabil› werden.»
Das Familienglück ist für Edith Hunkeler und Mark Wolf bald perfekt, wäre da für eine Hochzeit nicht der richtige Moment? «Das ist zurzeit kein Thema», meint die Schwangere, «s ‹Chliine› heisst vorerst mit Nachnamen Hunkeler.» Und der Vorname? «Der soll möglichst kurz sein.»