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Marilyn Monroe

«Nacktbilder - ist das alles wozu ich tauge?»

Fünfzig Jahre nach ihrem Tod enthüllt der Fotograf Lawrence Schiller Nacktfotos von Marilyn Monroe. Und verrät, warum die Hollywood-Diva sich vor seiner Kamera ausgezogen hat.

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Hi! Kommen Sie herein, ich bin Larry!», sagt Lawrence Schiller, in der einen Hand hält er noch den Telefonhörer, die andere zeigt zu einem ovalen Holztisch. «Am liebsten sitze ich am Fenster. Oder bevorzugen Sie etwa das rote Plüschsofa?» Der US-Fotograf stellt in diesen Tagen sein Buch «Marilyn & Me» vor. Wir treffen uns in seiner Suite im Berliner Soho House, 7. Stock, Traumaussicht auf den Fernsehturm am Alexanderplatz. Das Hotelzimmer – Backsteinwände, Samtsessel, Kristall-Lüster – versprüht modernen Bauhaus-Chic.

Schweizer Illustrierte: Sie haben eine Badewanne beim Bett. Das hätte Marilyn Monroe bestimmt gefallen!
Lawrence Schiller: Ehrlich gesagt – das Zimmer ist nicht so mein Geschmack. Ah, da kommt meine Frau. Darf ich vorstellen: Nina Wiener.
Nina Wiener: Entschuldige, wenn ich kurz störe. Du wolltest ein Aspirin …

Larry, im Umschlagdeckel Ihres Buches steht die Widmung: Für Nina, meine Freundin und fürsorgliche Ehefrau.
Wir kennen uns seit drei Jahren. Ich hatte Ninas Chef damals ein Buchprojekt für 250'000 Dollar verkauft, das sie zuvor abgelehnt hatte. Obendrein setzte er sie als Lektorin dafür ein.

Danach war der Kampf eröffnet?
Sie hat meine Telefonnummer mit einem eigenen Klingelton abgespeichert und hob nie ab, wenn ich anrief. Trotzdem wurde das Buch ein Erfolg. Eines Abends bat ich Nina nach einer Lesung: Wie wärs, darf ich Sie zum Dinner einladen? Als wir am Tisch sassen – sie trank einen Martini –, fragte ich: Was macht Ihnen am meisten Angst im Leben?

Was hat sie geantwortet?
Männer wie Sie! Da wars um uns geschehen. Wir haben 2009 geheiratet, sie ist 37, und ich bin 75.

«Marilyn & Me» zeigt bisher unveröffentlichte Fotos der Schauspielerin Marilyn Monroe. Als ich Ihren Text zu den Bildern las, dachte ich, die Monroe ist auferstanden und plaudert mit Ihnen am Filmset in Hollywood.
Als ich die Diapositive meiner Fotografien letztes Jahr nach fünfzig Jahren zum ersten Mal wieder in der Hand hielt, kamen alle Erinnerungen hoch. An einige Dialoge mit Marilyn erinnere ich mich genau. Wenn ich Zweifel hatte, rief ich Judy an. Mit ihr war ich damals gerade acht Wochen verheiratet. Ihr habe ich jeden Abend erzählt, was am Filmset der 20th Century Fox mit Marilyn, ihrem Coach Paula Strasberg oder Dean Martin passiert war. Mein eigenes Archiv durchforstete ich nach Tagebuchnotizen, sprach mit Marilyns Biograf und anderen Zeitzeugen. So entstanden die Dialoge in meinem Text. Ich wollte Sinn und Tonlage unserer Gespräche zwischen 1960 und 1962 so wiedergeben, dass man die Monroe bis in die letzte Pore spürt und ihre Stimme hört. Das letzte Mal sprachen wir uns am 4. August 1962, am Tag vor ihrem Tod. Sie stand in ihrem Vorgarten in Brentwood, ungeschminkt, unfrisiert, und kniete im Blumenbeet. Der «Playboy» wollte sie fürs Titelbild. «Nacktbilder – ist das alles, wozu ich tauge?», fragte sie mich, und ihr Blick sagte: Lass mich allein.

In der Nacht starb sie unter ungeklärten Umständen. Ihre erste Begegnung 1960 bei den Filmaufnahmen von «Let’s Make Love» war dagegen heiter bis dreist!
«Hi, Larry, ich bin Marilyn», so hat sie mich begrüsst. «Und ich bin der grosse böse Wolf», habe ich ihr geantwortet. Keine Ahnung wieso. Sie kicherte erst, brach dann in Gelächter aus und sagte: «Du bist viel zu jung, um so ein schlimmer Kerl zu sein!» Ich war 23 Jahre alt, sie 33, und ich habe einfach geredet, ohne nachzudenken, weil ich mir vor lauter Angst fast in die Hosen gemacht habe. Ich glaube, meine kindliche Offenheit hat sie beeindruckt. Ich wusste ja nicht, was es bedeutet, eine weltberühmte Schauspielerin zu sein, geschweige denn, was es heisst, einen Film zu machen. Erst als ich selbst Regisseur war, verstand ich Marilyns Kampf um Anerkennung und Erfolg.

Diese Anerkennung suchte sie mit Nacktbildern am Swimmingpool?
Marilyn verdiente als Schauspielerin für ihren letzten Film, «Something’s Got to Give», 100'000 Dollar. Zur gleichen Zeit erhielt Elizabeth Taylor als «Cleopatra» vom gleichen Filmstudio die sagenhafte Gage von einer Million! Laut Drehbuch sollte Marilyn in einem hautfarbenen Bikini im Pool schwimmen. Doch sie sagte zu mir: «Ich denke darüber nach, mich nackt zu zeigen.»

Sie profitierten vom Krieg der beiden Hollywood-Diven?
Marilyn hat sich nicht für mich ausgezogen. Sie zog sich aus für ihre Karriere. Sie war verzweifelt und nutzte ihren Körper als Waffe.

Gegen wen?
Nacktbilder von ihr würden ihrem Film die beste Werbung bescheren. In Marilyns Augen war sie selbst fürs Filmstudio genauso wertvoll wie die Taylor, aber nicht genauso geschätzt – wie man an ihrer Gage deutlich sehen konnte.

Die Monroe als kühl kalkulierende Geschäftsfrau?
Ja. Von ihr habe ich gelernt, ein Geschäftsmann zu sein.

Und vom Leben der anderen zu profitieren?
Ich gab ihr, was ich konnte – technisch einwandfreie Fotografie. Sie hingegen wollte entscheiden, welche Bilder von ihr auf den Markt kamen, und sie gab mir das alleinige Vermarktungsrecht daran. Die Bedingung: Titelgeschichte im Magazin «Life». Und in keiner Zeitschrift, die diese Bilder druckte, durften Fotos oder Berichte über Elizabeth Taylor erscheinen. Damit brachte sie ihren Pressechef auf die Palme!

Sie wurden dadurch reich!
Judy und ich erwarteten unser zweites Kind, wir konnten uns vom Honorar der Bilder ein Haus kaufen! An einem Nachmittag witzelten Marilyn und ich deshalb: «Wofür Titten und ein nackter Arsch nicht alles gut sind!» Mein im Überschwang dahergesagtes «Marilyn, du bist schon berühmt. Mit den Bildern machst du mich berühmt», konterte sie dann kühl und knapp: «Fotografen wie du können leicht ersetzt werden.»

Ging Ihr Verhältnis wirklich nicht übers Flirten hinaus?
Wir waren professionell. Ich hatte dauernd über jeder Schulter eine Leica, um den Hals zwei Nikons. Der Job war eine Riesenchance. Die wollte ich nicht vertun, indem ich mit Marilyn ins Bett gehe! Ausserdem, wer will schon morgens neben der Monroe aufwachen und erkennen, dass man nicht der beste Liebhaber der Welt war?

Marilyn hat Sie jung bekannt gemacht. Danach kamen Zeiten, in denen Sie oft verzweifelt waren. Warum?
Ich bin ein Spieler, der für seine Leidenschaften alles riskiert hat.

Als Filmproduzent, Regisseur und später als Buchautor?
Mit Norman Mailer habe ich fünf Bücher gemacht, für eines erhielt er den Pulitzerpreis. Ich gewann zwar einen Oscar und sechs Emmys, haftete aber für die Filme mit meinem Privatvermögen. Nach «The American Dreamer», dem Film über Dennis Hopper, war ich bankrott. Später riskierte ich einen dramatischen Film über Tschernobyl und ging wieder pleite.

Was reizt Sie heute?
Die Kamera nutze ich nur noch für Schnappschüsse. Meine Stiftung vergibt jährlich Stipendien an hundert junge Künstler. Spannend wirds für mich, wenn ich vor scheinbar unlösbaren Aufgaben stehe. 2009 drohte einer Fotografenkollegin von mir die Pleite. Ich hatte ihr erstes Buch veröffentlicht, sie hatte mich für «Vanity Fair» fotografiert. Also flog ich nach New York, fuhr zu ihrem Haus, klingelte – unangemeldet übrigens – an ihrer Tür und sagte: «Annie Leibovitz, ich rette dir dein Lebenswerk!» Weil ich wusste, wie man ihr Fotoarchiv zu Geld machen kann.

Da ist wieder der Geschäftsmann in Ihnen, den die Monroe einst formte.
Stimmt. Aber wissen Sie was?

Nein, was denn?
Glücklich macht mich nur eines: morgens aufwachen und in Ninas Gesicht schauen.

 

Von Stephanie Ringel am 1. Juni 2012 - 02:02 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 22:16 Uhr