Warum kommt es so häufig zu Zahnfleischbluten? Gerade beim Zähneputzen fallen oft kleine Blutspritzer im Waschbecken auf. Dafür kann es mehrere Ursachen geben, wie Dr. Jochen Schmidt, zahnärztlicher Leiter des Carree Dental in Köln, im Interview verrät.
Viele machen sich bei Zahnfleischbluten vorerst wenig bis gar keine Gedanken. Was sind die häufigsten Ursachen für Zahnfleischbluten?
Dr. Jochen H. Schmidt: Kommt es beim Zähneputzen dazu, so spricht das fast immer für eine Entzündung des Zahnfleisches, also eine Gingivitis. Es kann allerdings auch ein Hinweis auf eine Entzündung des Zahnbetts sein, eine sogenannte Parodontitis.
Möglicherweise stecken hinter Zahnfleischbluten aber auch ganz andere Ursachen – beispielsweise ein Diabetes mellitus, Nährstoffmangel oder bestimmte Medikamente. Nicht selten ist auch der veränderte Östrogenspiegel während einer Schwangerschaft der Auslöser.
In manchen Fällen führt darüber hinaus einfach zu starkes Schrubben der Zähne mit der Bürste oder die falsche Handhabung der Zahnseide zu Verletzungen von Zahnfleisch oder Mundschleimhaut. Klären lässt sich das nur durch einen Besuch beim (Zahn-)Arzt.
Warum kommt es so oft zu Zahnfleischbluten?
Schmidt: Der Grund liegt hauptsächlich in der vielfach mangelnden Mundhygiene. Werden die Zähne nicht gründlich und regelmässig gereinigt, so vermehren sich die Bakterien in der Mundflora rapide. Zahnfleischentzündungen oder, wie bereits erwähnt, Parodontitis sind sehr häufig die Folgen. Zahnfleischbluten ist in den meisten Fällen ein deutlicher Warnhinweis darauf.
Wann sollte man sich Sorgen bei Zahnfleischbluten machen?
Schmidt: Grundsätzlich ist Zahnfleischbluten ein Hinweis darauf, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dauert es länger an oder tritt es regelmässig auf, so sollte man dies nicht ignorieren, sondern zahnärztlich bald klären lassen.
Steckt hinter diesem Symptom eine Zahnfleischentzündung, wie in den meisten Fällen, so ist eine zeitnahe Behandlung unerlässlich. Ansonsten entwickelt sich vielfach eine Parodontitis – und in diesem Fall drohen ernsthafte Folgen. Denn die chronische Entzündung des Zahnbetts lässt das Zahnfleisch über die Jahre zurückgehen und schadet langfristig dem gesamten Zahnhalteapparat inklusive Kieferknochen. Mögliche Folgen: Über die Entzündungsherde im Zahnfleisch gelangen die Keime in die Blutbahn und gefährden die Allgemeingesundheit. Das Risiko für Diabetes, Gefässverkalkungen und Herzinfarkte steigt.
Erwiesenermassen leiden Menschen mit Parodontitis besonders häufig an gefährlichem Bluthochdruck. Inzwischen geht die moderne Medizin sogar davon aus, dass Zusammenhänge existieren zwischen Entzündungen an Zahnhalteapparat und Gelenkbeschwerden. So gibt es einige Hinweise dafür, dass Menschen mit schwerer Parodontitis beispielsweise häufiger an Arthrose und Rheuma erkranken.
Wann sollte man mit Zahnfleischbluten zum Zahnarzt gehen?
Schmidt: Hält das Zahnfleischbluten über mehrere Tage an oder tritt es regelmässig auf, so ist eine medizinische Klärung erforderlich. Der Zahnarzt sollte zudem zeitnah konsultiert werden, wenn das Zahnfleisch stark blutet, angeschwollen ist oder wenn Fieber hinzukommt.
Auch im Falle einer reinen Zahnfleischentzündung ist der Zahnarzt gefragt. Denn nur so lässt sich verhindern, dass sich daraus eine Parodontitis entwickelt. Dabei werden in erster Linie Zahnstein und -beläge (Plaque) durch eine Professionelle Zahnreinigung entfernt. Bei einer Parodontitis werden zudem die Zahnfleischtaschen gereinigt. Begleitend können Antibiotika und desinfizierende Mundspülungen für den Erfolg der Behandlung erforderlich sein.
Ein grundsätzliches Problem liegt übrigens in der frühzeitigen Diagnose: Durch ihren langsamen und anfangs schmerzlosen Verlauf bleibt die Parodontitis meist unauffällig und wird daher oft erst sehr spät erkannt. Auch deshalb sind regelmässige Vorsorgeuntersuchungen ganz wichtig.
Wie können wir Zahnfleischbluten vorbeugen?
Schmidt: Neben regelmässigen Vorsorgeuntersuchungen ist die gründliche Zahnpflege das A und O der Parodontitis-Prävention und somit auch der beste Schutz vor Zahnfleischbluten. Sanft, aber gründlich lässt sich Zahnbelag mit einer elektrischen Zahnbürste entfernen. Konventionelle Zahnbürsten sind häufig zu weich oder zu hart und werden falsch angewandt, was Bakterienbelag fördern oder dem Zahnfleisch schaden kann. Bei der täglichen Mundhygiene sollten die schwer zugänglichen Backenzähne besonders gründlich mit Zahnbürste, Zahnseide und Zahnzwischenraumbürsten gereinigt werden. Denn hier sammelt sich erfahrungsgemäss viel Plaque an.
Hat sich das Zahnfleisch zurückgezogen, so sind Zahnzwischenraum-Bürsten eine exzellente Wahl. Mit ihnen lassen sich auch jene Bereiche gezielt reinigen, in die «normale» Zahnbürsten nicht vordringen können. Und auch Zungenbürsten machen sich bezahlt: Sie entfernen Bakterien auf der Zunge, die häufig unangenehmen Mundgeruch verursachen.
Empfehlenswert ist zudem zweimal jährlich eine zahnärztliche Kontrolle inklusive professioneller Zahnreinigung. Diese schützt vor Entzündungen und ist wesentlicher Bestandteil der zahnärztlichen Vorsorge, aber auch der fundierten Parodontitis-Behandlung.
Und was hilft bei akutem Zahnfleischbluten am besten?
Schmidt: Stillen lässt sich die Blutung mithilfe einer sauberen Kompresse. Diese wird leicht auf die betreffende Stelle gepresst. Auch Eiswürfel können die Beschwerden lindern. Darüber hinaus helfen (kurzzeitig!) Tees mit aufgekochter Kamille, Ingwer oder Salbei gegen Zahnfleischentzündungen und Blutungen. Mehrmals täglich als Mundspülung angewandt, wirken die lauwarmen Tees desinfizierend und Beschwerden lindernd.
Und noch ein Zahnpflege-Tipp: Bei akuter Zahnfleischentzündung sollten unbedingt die umliegenden Zähne gut geputzt werden, da die entstehende Plaque diese Entzündung verschlimmern kann.