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  4. 13. AHV-Rente: Gartenbuchautorin Sabine Reber hat ein Zimmer in der WG von Tochter Jeanne Rose

Schrumpfen aufs Nötigste

Darum hat Sabine Reber jetzt ein Zimmer in der WG ihrer Tochter

Alleinerziehend, kreativ schaffend, weiblich: Gartenbuchautorin Sabine Reber erfüllt mehrere Kriterien, die Altersarmut begünstigen. Nun beschränkt sie Besitz und Platz, lebt in je einem Zimmer in Lauenen BE und bei Tochter Jeanne Rose.

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Sabine Reber, Autorin, Tochter Jeanne Rose

Starkes Mutter-Tochter-Gespann: Sabine Reber hat Jeanne Rose allein grossgezogen. 

Kurt Reichenbach

Ganz klar, sie wollte sich raushalten! Auf keinen Fall wollte Sabine Reber, 54, ihrer Tochter beim Bepflanzen des ersten eigenen Balkons reinreden – Jeanne Rose, 17, hat in Bern eine Wohngemeinschaft gegründet. Aber was soll man machen? Beim Znacht in der WG-Küche fällt das Wort «Balkonkräuter», schon kommen der Gärtnerin der Nation die Ideen. Petersilie, Schnittlauch, Minze, Salbei, Thymian, Ysop und Bergbohnenkraut sind frostfest und können schon im Februar in den Topf. Im März essbare Blüten: Hornveilchen, Bellis und Primeln. Pflegeleichte Pflanzen! Sabine Reber weiss aus Jugendzeiten: «Die grösste Herausforderung in einer WG ist, dass jemand ans Giessen denkt.»

«Jeanne Rose ist quasi bei mir aus- und ich bei ihr eingezogen.»

Sabine Reber

Diese Aufgabe kann und will Sabine Reber nicht übernehmen, obwohl sie selbst auch ein Zimmer in der WG ihrer Tochter mietet. Ihre Rolle ist die der finanziellen und organisatorischen Unterstützerin. «Jeanne Rose ist quasi bei mir aus- und ich bei ihr eingezogen. So muss sie während ihrer KV-Lehre nicht zwischen dem Oberland und Bern pendeln. Aber ich verbringe nur zwei Tage pro Woche hier», erklärt Reber. Jeanne Rose gefällt die Abnabelung auf Raten: «Ich geniesse gemeinsame Momente jetzt noch mehr, meine Freiheit aber auch.»

Nicola, Jeanne Rose, Sabine Reber, Autorin

Fürs Kochen sind die Jungen zuständig: Sabine Reber in der WG-Küche mit ihrer Tochter Jeanne Rose und deren Freund Nicola.

Kurt Reichenbach

Ihren festen Wohnsitz hat die Gartenbuchautorin weiterhin im Berner Oberland, wo sie ihren Alpengarten pflegt. Zwar kann Sabine Reber sich neben der Stadtberner WG-Miete im teuren Gstaad keine zusätzliche Wohnung leisten, aber für ein halbes Ferienhäuschen etwas ausserhalb reicht das Budget. Ihre winzige Wohnung liegt in der Nähe des berühmten Lauenensees. Den Platz hat sie durch Einbau eines Hochbetts knapp verdoppelt. Darunter das Wohnzimmer, Büro, der Skikeller in einem. Fast wie in einem Tiny House.

Sabine Reber macht sich sorgen um ihre Finanzen im Alter

Stauraum bleibt nur fürs Nötigste. «Ich musste ordentlich ausmisten, um mit meinen neuen Platzverhältnissen klarzukommen.» Das Alphorn hat sie verkauft, das geliebte Plüschsofa verschenkt. Kistenweise Bücher und Kleider brachte sie auf Flohmärkten unter die Leute. Bleiben durften: die Ausrüstung für Ski- und Bergtouren (fast jedes Wochenende im Einsatz), fünf Laufmeter Literatur (gemessen an den aneinandergereihten Buchrücken), zehn Out-fits (eins für jeden Anlass – vom Jäten bis zur schicken Garten-Kreuzfahrt). Auch Küchenutensilien sind noch da. «Für mehr als einen Kaffeekocher, zwei Töpfe und etwas Geschirr habe ich keinen Platz. Jeanne Rose hat den Rest für ihre WG-Küche übernommen.»

Sabine Reber, Autorin

Wie im Tiny House: Sabine Reber lebt in der Nähe von Gstaad BE auf wenig Platz – den sie dank einem Zwischenboden doppelt nutzt.

Kurt Reichenbach

Ihre finanzielle Situation im Alter sehe – wie bei vielen Frauen und Kreativschaffenden – nicht rosig aus, sagt Reber. Als sie mit ihrem ersten Ehemann, dem Schriftsteller Hansjörg Schertenleib, von 1997 bis 2004 als freie Autorin in Irland lebte, entstanden Vorsorgelücken. Seither zahlt die alleinerziehende Mutter nach Möglichkeit in die Pensionskasse ein. «Ich habe mir den Betrag, den ich voraussichtlich erhalten werde, einmal ausrechnen lassen. Vor Schreck darüber, wie wenig es ist, habe ich ihn grad wieder verdrängt.» Nun achte sie auf ihre Gesundheit und hoffe, auch im Rentenalter noch fit genug zu sein, um sich etwas dazuverdienen zu können.

So wenig braucht Sabine Reber zum glücklich sein

Das «Schrumpfen aufs Nötigste» fühle sich gesund an, sagt Sabine Reber. Sie merke, wie wenig sie wirklich brauche, um happy zu sein. Gesundheit, Frischluft, Zeit, intellektueller Austausch. Nichts, was Platz wegnimmt. Diese Erkenntnis sei angesichts ihrer Zukunft erleichternd. Denn – sagt sie halb scherzend, halb ernst – aktuell sei «kein annähernd realistischer Partner in Sicht», mit dem sich ein gemeinsames Leben aufbauen liesse. Alleine stehe sie finanziell nicht gut genug da, um je wieder grosszügig wohnen zu können. «Ich glaube, dieser Zug ist abgefahren.»

«Meine Freundinnen und ich überlegen schon, eine Alters-WG zu gründen»

Sabine Reber

Sabine Reber vermutet, ihre eigene Zukunft werde sich ähnlich gestalten wie die des Gemüses in ihrem neuen Ratgeber «Der essbare Garten» (erscheint im März im LandLiebe-Verlag). Darin beschreibt sie, wie verschiedene Gemüsesorten angesichts knapper Ressourcen künftig solidarisch wachsen müssen. Die Erbsen spenden dem Kopfsalat Schatten, die Bohnen helfen dem Mais bei der Nahrungsaufnahme. «Im Gemüsegarten der Zukunft ist Kooperation gefragt, und es heisst: Zusammenrücken! Sonst wird das Überleben schwierig», so Sabine Reber. «Da gibts Parallelen zu meinem Leben. Meine Freundinnen und ich überlegen schon, eine Alters-WG zu gründen.»

Das wünscht sich Sabine Reber für die Zukunft ihrer Tochter

Eins ist sicher: Die ehemalige Grünen-Nationalratskandidatin wird parteikonform für eine 13. AHV-Rente stimmen. «Egal, wie befreiend es ist, nicht mehr viel zu haben – finanzielle Sorgen dürfen nicht sein, wenn man ein Leben lang in der Berufswelt oder in unbezahlter Care-Arbeit tätig war.» Für die Generation ihrer Tochter erhofft sie sich die Einführung eines Grundeinkommens, sodass es für alle möglich sein wird, in Würde alt zu werden. Mit ihrer eigenen finanziellen Situation ist sie dennoch im Reinen: «Sicher wäre ein anderer Lebensweg einfacher gewesen», sinniert sie.«Aber dann wäre ich vielleicht vor Langeweile schon gestorben.»

Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 21. Februar 2024 - 07:00 Uhr