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Alles blöd & dumm!

Ein Plädoyer fürs Fluchen!

Wer ein Kind hat, das Schimpfwörter benutzt, wird schnell als asozial abgestempelt. Redaktorin Maja sieht das ganz anders. Warum ihr Dreijähriger schimpfen darf und sie sich Gopferdeckel nicht schämt dafür.

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Fluchendes Kind

Im Hauhalt von Redaktorin Maja darf auch der Jüngste schimpfen.

Getty Images

Neulich sitze ich mit meiner Schwester und unseren Kindern im Kinderzimmer meiner Nichte. Während die 8-Jährige und mein Dreijähriger friedlich zusammen spielen, sind meine Schwester und ich tief in ein Gespräch verwickelt. «Tante Maja, du musst einen Franken in mein Kässeli tun», ruft die Nichte bestimmt. Der Grund: Ich habe gesündigt. Ich habe «Scheisse» gesagt. Wer im Hause Schwester-Schwager-und-Nichte Wörter sagt, die «man nicht sagt», wird zur Kasse gebeten.

Bis sich mein Sohn und ich verabschieden, bin ich fünf Stutz ärmer. Ich habe nebst drei Mal «Scheisse» auch «Hurensiech» und «geil» gesagt.

Schon klar, das ist nicht optimal. Und auch schon klar, meine Nichte hat völlig recht, wenn sie mich zurecht weist. Aber ich bin, wer ich bin. Und ich rede, wie ich rede. Ich schaffe es beim besten Willen nicht, meine Sprache jedes Mal anzupassen, wenn ich um Kinder bin.

Fluchendes Kind

Die Nichte unserer Redaktorin flucht kaum. Dafür hat unsere Redaktorin schon als Kind geflucht.

Getty Images/Westend61

Kürzlich hole ich meinen Sohn von der Kita ab. Auf dem Heimweg sagt er «Mama, du bist dumm und blöd». Hat er in der Kita aufgeschnappt. Was es heisst, weiss er nicht. Also erkläre ich es ihm in ruhigem Ton. Was ich ihm sicher nicht sage ist, dass er die Worte NIE benutzen darf.

Nun ist es so, dass er ganz viele Dinge «dumm und blöd» findet. Zum Beispiel Regenwetter, wenn er sich auf die Badi gefreut hat. Oder den Fakt, dass seine Lieblingsschaukel schon besetzt ist. Oder dass sein Lieblingsspielzeug kaputt gegangen ist.

Kann denn Scheisse Sünde sein?

Ich verstehe ihn. Das finde ich alles auch doof.

Im Alltag mit unserem Kind rutscht meinem Partner und mir sehr wohl mal ein «Scheisse» raus. Wir sagen hie und da auch «geil». Oder eben «hurensiech». So wie das halt im alltäglichen Sprachgebrauch ist. Und wie dieser halt zum Leben gehört. Warum also eine Zensur?

Natürlich wollen wir nicht, dass unser Kind hart flucht. Wörter wie «Fuck» und «Bitch» und «Arschloch» brauchts natürlich nicht. Aber «Scheisse», «doof» «blöd»? Voll okay. Manchmal braucht es ein Kraftwort, um Gefühle adäquat zu äussern.

 

 

In Sachen Fluchen setzten wir also ganz bewusst auf viel Freiheiten und wenig Regeln. Was wir nicht dulden, sind Beleidigungen, die sich gegen Mitmenschen richten. Ist unser Sohn sauer auf uns, darf er das sagen. Was er rege tut. Er sagt jeweils, dass er «ganz hässig ist» auf uns.

Bei uns wird nie ein Fluch-Kässeli stehen

Kommts hart auf hart, darf er Schimpfwörter sagen, die wir selber erfunden und als okay definiert haben. So bin ich manchmal ein «Konfibrot», Papa ein «Eierkuchen» und Kinder in der Kita «Mayonnaise-Pastete». Spätestens dann giggeled der Bub und findet seine Umwelt wieder alles andere als «Konfibrot», «Eierkuchen» oder «Mayonnaise-Pastete».

Ein Fluch-Kässeli wird also definitiv nie Einzug halten in unsere gute Stube. Für meinen nächsten Besuch bei der Nichte aber lege ich schon mal 10 Stutz in Einfränklern zur Seite. Ich werde sie brauchen. Mal schauen, wie lange es geht, bis mich ihr Kässeli in den finanziellen Ruhm treibt. Damit das Kind aber, und da wette ich alles drauf, spätestens in ein paar Jahren selber wie ein Rohrspatz flucht. Dann aber wird meine Kohle weg sein. Das ist doch einfach «dumm und blöd».

Maja Zivadinovic
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Von Maja Zivadinovic am 23. September 2023 - 07:00 Uhr