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Montessori sagt Ja

Können wir aufhören, Kinder zum Teilen zu zwingen?

Unsere Redaktorin ist seit 3,5 Jahren Mutter eines Sohnes. In dieser Zeit hat sie den Jungen schon oft aufgefordert, seine Spielsachen und Esswaren zu teilen. Warum sie das nicht mehr machen will, verrät sie hier.

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Streitende Kinder

Wenn sich Kinder streiten, neigen Eltern dazu, diese zum Teilen zu animieren.

imago images/YAY Images

Lasst es mich sagen, wie es ist: Streng! Saustreng! Vor allem zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag. Danach ist es, wenn man Glück hat, etwas einfacher. Aber easy ist es noch lange nicht. Wie auch? Die Kinder sind noch klein. Sie verstehen viel, sie verstehen aber auch vieles nicht.

Es gehört zum guten Ton, das Kind zum Teilen aufzufordern

Was die meisten Kinder in diesem Alter gar nicht verstehen, ist, dass sie ihre Sachen teilen sollen. Ich rede hier von Spielsachen, Sändeli-Sachen, Esswaren. Und wenn sie Geschenke bekommen, dann fordern wir sie sogar auf, andere anwesende Kinder beim Auspacken mithelfen zu lassen. 

Was dann folgt, ist meiner Erfahrung nach stets dasselbe: Wutanfälle sondergleichen. Ein Fakt, der mich nun sehr lange gestresst hat. Dennoch aber gehört es irgendwie zum guten Ton, sein Kind zum Teilen aufzufordern, sobald ein anderes Kind an seinem Spielzeug oder dem Inhalt seiner Znünibox interessiert ist. 

Streitende Kinder

Sogar wenn Kinder Geschenke bekommen, wünschen sich Eltern, dass das Auspacken zur Gemeinschaftssache wird.

imago images/Shotshop

Schon klar, die Idee des Teilens ist ja an und für sich eine schöne. Wer teilt, ist sozial. Und gut erzogen. Und anständig, lieb, nett, Bla Bla ....! Dabei vergessen wir aber komplett, dass Kinder im zarten Kleinkind-Alter einfach noch nicht so weit sind, dass sie das Teilen als einen Akt der Solidarität verstehen. Nicht weil sie nicht wollen oder asozial sind. Sie sind in ihrer Entwicklung einfach noch nicht so weit. 

So gut wie nie waren zwei Kinder zufrieden

Obwohl mir dieser Fakt bewusst ist, habe ich ewig lange mitgemacht. Und meinen Sohn zum Teilen aufgefordert. Egal, wie schön und friedlich er gerade am essen oder spielen war, wollte ein anderes Kind auch einen Apfelschnitz oder den Bagger, mit dem sich mein Sohn beschäftigte, schritt ich ein. Es endete jedes Mal mit Tränen. 

Genau gleich habe ich es zu hauf von anderen Müttern erlebt: Interessierte sich mein Sohn für Sachen, mit denen gerade ihre Kinder beschäftigt waren, wurden diese ebenfalls gedrängt, mit meinem Kind zu teilen. So gut wie nie ging eine dieser Story mit zwei zufriedenen Kindern aus.

Neulich liege ich abends im Bett und überlege mir, dass ich das nicht mehr will. Dass ich meinen Sohn nicht zum Teilen animieren will. Weil es schlichtweg nichts bringt, ausser eben Tränen und Frust. Ich überlege, dass ich es auch nicht cool fände, wenn ich mein Snickers teilen müsste. Oder meinen Laptop, wenn ich grad mitten in einem Text wäre. Ich würde es natürlich machen, weil ich erwachsen und sozialisiert bin, aber hätte ich Freude? Nein! Wieso also sollen es unsere Kleinsten verstehen? Und mit Freude umsetzen?

Dann ist das Spielzeug einfach besetzt!

Ich google mich durch verschiedene Foren und stosse auf einen Montessori-Artikel, der mir aus dem Herzen spricht. Wer das Montessori-Konzept nicht kennt: Es basiert auf der Idee, dass jedes Kind von Natur aus neugierig und lernbegierig ist, weil es nach Selbstständigkeit strebt. Daher sollten sich das Lernangebot und die Lernumgebung an den individuellen Interessen und Bedürfnissen orientieren.

In Sachen Teilen hat Montessori eine klare Haltung: Kinder sollten nicht dazu animiert werden. Ist ein Kind gerade mit einem Spielzeug beschäftigt, das ein anderes Kind haben will, soll man diesem erklären, das besagtes Spielzeug gerade besetzt ist und es damit spielen darf, wenn das andere Kind fertig gespielt hat. Ich juble.

 

Little girl cooking pizza in the kitchen Rome, Lazio, Italy ,model released, Symbolfoto PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY CRYUKI200123B-225438-01

Wenn das Kind sein Essen nicht teilen will, findet das unsere Redaktorin okay.

imago images/Cavan Images

Natürlich ist es mir wichtig, dass mein Sohn lernt zu teilen. Natürlich werden wir ihn motivieren und bestärken, es zu tun. Wir wollen aber damit warten, bis er in seiner Entwicklung so weit ist, dass er selber Interesse zeigt und den Sinn des Teilens verstanden hat.

Bis dahin muss unser Sohn weder Darvida, noch Apfelschnitze, Bagger oder Bälle teilen. Er muss es aber auch handeln können, wenn andere Kinder ihre Sachen nicht teilen wollen. Denn das schreibe ich mir auch auf die Fahne: Nicht nur mein Sohn muss in meiner Anwesenheit nicht teilen, auch alle anderen Kinder müssen nicht. 

In diesem Sinn: Auf viele entspannte Stunden im Sandkasten, in der Badi und auf dem Znüni- und Zvieri-Bänkli.

Maja Zivadinovic
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Von Maja Zivadinovic am 7. Januar 2024 - 18:00 Uhr