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Neuer Trend im Schiesskeller

Jetzt trauen sich auch die Frauen

Schiessen statt shoppen: Immer mehr Frauen nehmen eine Waffe in die Hand und besuchen schiesskurse. Allerdings bleiben sie dabei gerne unter sich. Zu Besuch in einem Schiesskeller in Sitten VS.

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Waffenrecht

Konzentriert: Die Frauen trainieren in einem Keller in Sitten VS das Schiessen mit einer Glock-Pistole.

Remo Nägeli

Der Kursleiter legt eine Hand auf ihren Rücken. Sie muss sich weiter nach vorne lehnen. Margot Duc, 20, im gelben Pulli, hält die Pistole mit beiden Händen, die Arme beinahe gestreckt. Ein kühler Keller im Gewerbegebiet von Sitten VS. Hier verbringen sieben Frauen den Sonntagnachmittag. Ein Inserat auf Facebook hat sie auf den Schiesskurs aufmerksam gemacht.

Starke Zunahme von Frauen in Schiesskursen

Frauen trauen sich zunehmend in diese Männerdomäne, wie Robin Udry vom Waffenlobby-Verein Pro Tell der Schweizer Illustrierten sagt. Die gleiche Beobachtung macht Silvan Meier vom Schweizer Schiesssportverband. «Die Zahl der Jungschützinnen stieg seit 2016 um zwei Prozent.» Eine starke Zunahme von Frauen in Schiesskursen verzeichnet die Zuger Sicherheitsschule Elite Guard: Vor zehn Jahren absolvierten 15 Prozent Frauen den Grundkurs, 2018 waren es mit 30 Prozent doppelt so viele. 

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Kontrolle: Jürg Schöttli erklärt Rebecca Michelet, worauf sie beim nächsten Durchgang achten muss.

Remo Nägeli

Im Keller riecht es nach Metall, Patronenhülsen liegen am Boden. «Holster!» Die Stimme von Kursleiter Jürg Schöttli, 57, dringt durch den Gehörschutz. Vorsichtig stecken die Frauen ihre Pistolen in die Halterung. Margot Duc aus Saillon VS ist mit ihrer Mutter hier. «Shopping mag ich nicht», sagt die Gymnasiastin. «Schiessen ist jetzt unser gemeinsames Hobby», ergänzt ihre Mutter Kathy, 48. Die Weinverkäuferin war früher bei den Jungschützen. «Aber ich will mich nicht mit Männern messen.» Tochter Margot hat mit ihrem Freund mal «zum Spass» geschossen. «Nun merke ich erst, wie anstrengend es ist!»

«Jetzt geben wir zwei Schuss ab»

Die nächste Gruppe der Frauen steht breitbeinig an der Linie. «Jetzt geben wir zwei Schuss ab», sagt Jürg Schöttli. Bei «Contact!» gehen die Arme hoch. Dann rollt Schöttli seine Zunge: «Drrr!» In dieses Geräusch hinein schiessen die Frauen, jede in ihrem Tempo. «Das Drrr hilft dabei, die Dinge nicht zu sehr zu überdenken», sagt Schöttli. Der Berufsoffizier bietet den Kurs ehrenamtlich an.

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Mal was Neues! Die sieben Frauen werden von drei Instruktoren ausgebildet. Für viele ist es die erste Erfahrung mit einer Waffe.

Remo Nägeli

Viele Frauen halten hier erstmals eine Waffe in der Hand. Die meisten besuchen den Kurs aus Neugier. «Mein Grossvater war Polizist, hat mich aber nie zum Schiessen mitgenommen», sagt Anwältin Aurelia Sculati, 35. «Ich hatte Lust darauf, aber auch Angst», sagt Kleinkindbetreuerin Donna Ramuski, 27. «Ich fühle mich unsicher und höre sehr auf die Kursleiter», sagt Kunststudentin Rebecca Michelet, 28. Jürg Schöttli grinst, als sich die Haare einer Teilnehmerin im Gehörschutz verwickeln. Frauen hätten weniger Erfahrung als Männer, sagt er. «Dafür hören sie gut zu und sind vorsichtig.» 

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Mutter und Tochter: Kathy und Margot Duc aus Saillon VS zielen, Kursleiter Jürg Schöttli korrigiert – ehrenamtlich.

Remo Nägeli

Mitglied bei Pro Tell oder einem Schützenverein sind die Teilnehmerinnen nicht. Die Abstimmung über die Verschärfung des Waffenrechts finden sie wichtig, sagen manche. Teilnehmerin Célia Fusco hat Unterschriften gegen die Verschärfung gesammelt. Margot und Kathy Duc können sich vorstellen, mal eine eigene Waffe zu kaufen. Ob sie die zu Hause aufbewahren würde, wisse sie noch nicht, sagt die Mutter. 

Jetzt steht die letzte Übung an: erst in die rechte, dann in die linke Ecke der Scheibe schiessen. Margot Duc steht still, lehnt sich nach vorne. «Drrr!» – sie drückt ab.

LS
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Von Lynn Scheurer am 22. März 2019 - 10:23 Uhr