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Das Drama von Flaach

Onken und Jenny schreiben offenen Brief an Sommaruga

Für die Frauenrechtlerin Julia Onken ist klar: die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb gehört abgeschafft. Und genau das verlangt sie jetzt von Justizministerin Simonetta Sommaruga. Zusammen mit Schriftstellerin Zoë Jenny beklagt sie die «gravierenden Missstände» bei der Behörde.

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Julia Onken, was bringt Sie dazu, sich gegen die Kesb zu engagieren?
Wie kann man sich hier nicht engagieren! Hinzu kommt, dass auch ich in instabilen Verhältnissen aufgewachsen bin. Meine Mutter war alleinerziehend, mein Vater uralt. Hätte es die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde damals gegeben: Ich wäre im Heim gelandet.

Wie kommen Sie darauf?
Die Kesb geht von einem idealen Familienbild aus. Fällt da jemand durchs Raster, hat er verloren. Der Fall Flaach zeigt exemplarisch, dass bei der Kesb keine Menschen arbeiten, die Verantwortung übernehmen, sondern Funktionäre, die Paragrafen runterkauen.

Das sind schwere Anschuldigungen. Können Sie diese belegen?
Ich und meine Kollegin Zoë Jenny haben rund 1000 Zuschriften von Menschen erhalten, die ihre Erfahrungen mit der Kesb schildern. Die Fälle dokumentieren, wie die Behörde mit Leuten in Not umgehen: arrogant und selbstherrlich. Schauen Sie sich nur mal an, wie die Kesb-Verantwortlichen im Fall Flaach kommunizieren! Keiner sagt: Wir machen uns Vorwürfe, wir haben grosse Fehler gemacht.

Die Kesb kann sich doch nicht entschuldigen, bevor die Fakten klar sind.
Ich möchte zumindest spüren, dass diese Leute ihr Handeln reflektieren. Und ich will die Betroffenheit und die Erschütterung sehen. Wenn sie sagen, wir müssen das jetzt analysieren, bringen sie die Leute noch mehr zum Kochen.

Dennoch: Die Mutter hat ihre zwei Kinder umgebracht, nicht die Behörde.
Wer einer Mutter die Kinder wegnimmt, tritt urgewaltige Kräfte los. Diese können sie nicht mit «Formulärli» und Verordnungen auffangen - sonst kommt es wie im Fall Flaach zu einer Katastrophe.

Die Kesb hat der Mutter einen Beistand zur Seite gestellt. Sie wurde also betreut.
Das reicht doch nicht! Es braucht eine intensive psychologische Hilfe. Ausserdem müssen die Behörden abklären, ob es im Umfeld Bezugspersonen gibt, die unterstützend eingesetzt werden können. Die Kinder ins Heim zu bringen war ein einfacher und teurer Entscheid, der keinen grossen Aufwand mit sich brachte. Auch wenn der Entscheid juristisch vielleicht korrekt war.

Was schlagen Sie stattdessen vor: noch mehr Personal? Das wird niemand bezahlen.
Es braucht nicht mehr, sondern das richtige Personal. Und das können auch Laien sein. Bei meiner Arbeit als Psychologin im Strafvollzug habe ich mit Laien sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir haben diese geschult und als Bewährungshelfer eingesetzt. Das waren alles Menschen, die sich leidenschaftlich engagieren.

Unter dem alten Vormundschaftssystem hatten Laien die Verantwortung.  Kinder wurden verdingt und unter Zwang zur Adoption freigegeben.
Ich sage nicht, dass das alte System die heile Welt war. Aber mit der Kesb gab es eine Verschlechterung. Sie misstraut den Menschen, anstatt zuzuhören.

Ein Beispiel?
Die Kesb macht der Mutter einen Vorwurf daraus, dass sie selber für  ihre behinderte Tochter aufkommt. Das sei doch Sache der Kesb. Sie stellen der Tochter eine Beiständin zur Seite, die Mutter darf nicht einmal mehr die Ausgaben einsehen. Das ist doch Entmenschlichung! Eine Behörde, die so arbeitet, gehört abgeschafft.

Mit dieser Forderung setzen sie sich mit Vertretern der SVP in ein Boot. Ist Ihnen als Frauenrechtlerin wohl dabei?
Ich bin ein freidenkender Mensch. Aus welcher politischen Ecke diese Forderung kommt, ist mir egal.

Jessica Pfister
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Von Jessica Pfister am 12. Januar 2015 - 14:46 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 16:35 Uhr