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CNN-Chefreporterin Clarissa Ward

Mutige Journalistin holt die Taliban vor die Kamera

Als in Kabul längst chaotische Zustände herrschen, bleibt sie mitten im Geschehen: CNN-Chefreporterin Clarissa Ward. Wer ist diese Frau, die aus dem Kriegsgebiet berichtet – und zu Hause Familie hat?

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This image taken from video provided by CNN shows CNN reporter Clarissa Ward. Ward says her story this week about Russian involvement in the Central African Republic came with a price: she was trailed during her reporting and made the subject of a 15-minute propaganda video denigrating her work. "This was very clearly an attempt to discredit and intimidate us," Ward, CNN's chief international correspondent, said Friday, Aug. 16, 2019. (CNN via AP)

Der Vorteil einer Frau in der Kriegsberichterstattung: «Sie ist weniger sichtbar als ein Mann», sagt Clarissa Ward. 

Keystone

Es ist eine ihrer letzten Liveschaltungen aus Kabul, kurz bevor sie aus Afghanistan evakuiert wird: Clarissa Ward, 41, steht am Flughafen und erzählt, wie zwei Frauen ihre Babys über einen Stacheldrahtzaun in die Hände von US-Soldaten geworfen haben, um zu verhindern, dass diese von der Masse zerquetscht werden. «Wie verzweifelt müssen Eltern sein, wenn das ihre letzte Hoffnung ist?», fragt sie in die Kamera und versteckt nicht, dass ihr Herz am Zerreissen ist.

Clarissa Ward, CNN Reporterin, Kabul August 2021, SI 34/2021

Clarissa Ward als CNN-Reporterin in Kabul, kurz nach dem Fall der Stadt.

Brent Swails/CNN via AP

Clarissa Ward ist Chefreporterin des US-amerikanischen TV-Senders CNN. Sie ist aber auch Mutter von zwei kleinen Söhnen. Und eine Frau, die einer anderen, ohne zu zögern, ihren Schal als Schlafunterlage schenkt.

Eine der letzten vor Ort

Drei Wochen hat sie aus Afghanistan berichtet, 19 Stunden pro Tag. Nach dem Fall von Kabul ist sie als eine der letzten ausländischen Journalistinnen geblieben, hat Menschen auf der Strasse interviewt, ja gar mit bewaffneten Taliban gesprochen – um den Kopf stets einen Hidschab («aus Sicherheitsgründen»), auf der Zunge pointierte Fragen («Wie wollen Sie Frauen schützen?»). Sie wollte verstehen, was hier vorgeht. Weil das Verstehenwollen stets ihr Antrieb war.

Clarissa Ward, CNN Reporterin, mit Ehemann Philipp von Bernstorff, SI 34/2021

Clarissa Ward mit ihrem Mann Philipp von Bernstorff.

Clarissa Ward Instagram

Ward ist in Manhattan, New York, aufgewachsen, als privilegiertes Einzelkind, wie sie sagt. Sie studiert Literaturwissenschaften an der Elite-University Yale, ist im Abschlussjahr, als die Türme des World Trade Center einstürzen. «9/11 hat mein Leben verändert», sagt sie an einem Podium der NGO Women for Women International. Damals sei ihr klar geworden: «Ich will zwischen den Kulturen übersetzen.» Zugute kommt ihr, dass sie neben Englisch sechs Sprachen spricht: Französisch, Italienisch, Russisch, Arabisch, Spanisch und Mandarin.

«Ein normales Leben»

2002 beginnt Ward ihre Karriere mit einem Praktikum im Moskauer Büro von CNN. Sie arbeitet dann für verschiedene andere amerikanische Nachrichtensender, bis sie 2015 zu CNN zurückkehrt. Sie hat aus dem belagerten Aleppo in Syrien berichtet, über den Krieg in Jemen und die Anschläge in Paris, eigentlich von überall, wo in den vergangenen Jahren ein grösserer Konflikt brodelte.

«Für diesen Job brauchst du ein normales Leben, sonst zerbrichst du», hat ihr ihre Vorgängerin bei CNN, Christiane Amanpour, geraten – und Clarissa Ward hält sich daran. 2007 lernt sie ihren Mann, den deutschen Grafen und Fondsmanager Philipp von Bernstorff, bei einer Dinnerparty in Moskau kennen. «Kriegsreporter sind Egomanen», sagt er zu ihr – und heiratet sie 2016. Zwei Jahre später kommt Sohn Ezra Albrecht Nikolas Nour zur Welt, 2020 dann Caspar Hugo Augustus Idris. Die Familie lebt in ihrer Wahlheimat Frankreich.

Clarissa Ward, CNN Reporterin, mit Familie, 202, SI 34/2021

Das Paar hat zwei Söhne: Ezra, 3, und Caspar, 1. «Es war einfach wunderbar, meine Buben zu umarmen», sagt Clarissa Ward nach ihrer Evakuierung.

Clarissa Ward Instagram

Immer wieder wird Ward gefragt, wann sie ihren Job aufgebe, jetzt da sie Mutter sei. «Diese Frage nervt mich, weil man sie meinen männlichen Kollegen nie stellen würde», schreibt sie auf Instagram. Aber es sei nicht einfach, die beiden Welten zu verbinden. Gestern mit der schusssicheren Weste im Krieg, heute mit den Kindern im Kino. «Dieser Übergang ist hart. Aber solange es Menschen gibt, die schweigend leiden, müssen ihre Stimmen hörbar gemacht werden.» 

Von Michelle Schwarzenbach am 28. August 2021 - 14:02 Uhr