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Er zeigt seine Heimatstadt

Der Bundesrat-Kandidat Jon Pult zeigt sein Chur

Zu jung und zu unerfahren für den Bundesrat? Nein, findet der Bündner Nationalrat Jon Pult. Der Shootingstar der SP träumt in drei Sprachen, lebt in zwei Städten und hat als Kandidat einen Nachteil, den er als Vorteil sieht.

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Jon Pult, SP- Nationalrat, Bundesrat-Kandidat

Jon Pult (l.), SP- Nationalrat und Bundesrat-Kandidat

Kurt Reichenbach

Jon Pult (39) packt in seinem alten Klassenzimmer in der Kanti Chur einen Stuhl und setzt sich neben Andri Perl (39). «So brav warst du selten im Unterricht», sagt dieser – und beide prusten los. Die Männer kennen sich seit der Kindheit, besuchten zusammen die Kantonsschule, leben heute in einer WG in der Bündner Hauptstadt. «Andri war besonders in den letzten Wochen eine wichtige Stütze für mich», sagt Pult. Er will Bundesrat werden.

Jon Pult wird in Scuol GR geboren und verbringt die ersten Jahre in Guarda GR und später in Mailand. Die Familie zieht nach Graubünden zurück, als Jon Pult in den Kindergarten kommt. Erst da lernt er Deutsch. Mit dem Vater, einem Lehrer aus dem Unterengadin, redet er Rätoromanisch, mit der Mutter, einer Kunsthistorikerin aus Rom, Italienisch. «Bis heute träume ich in allen drei Sprachen.» Die italienische Staatsbürgerschaft würde er – anders als Ignazio Cassis – bei einer Wahl nicht abgeben. «Ich bin als Doppelbürger geboren und bleibe Doppelbürger. Als Bundesrat würde ich mich zu 100 Prozent für die Schweiz engagieren.»

Debatten am Stammtisch

In der Kanti singt Pult im Chor, nimmt Einzelunterricht in Gesang. «Ich war ein grosser Fan von Robbie Williams, wollte Popsänger werden», sagt er. Durch seinen besten Freund kann er diesen Traum zumindest etwas ausleben: Andri Perl gründet in den 90ern die Bündner Hip-Hop-Band Breitbild. «Ich ging manchmal mit auf Tour, trank backstage ein Bier.»

Als Schüler organisieren Pult und Perl den Mittwochs-Talk. Die freien Nachmittage verbringen sie mit Gspänli in der Beiz, diskutieren über die Ereignisse, die sie beschäftigen: den Irakkrieg, den Konflikt im Nahen Osten, den Terroranschlag vom 11. September 2001. «Da merkte man bereits, wie gut Jon debattieren kann, wie er das liebt», sagt Andri Perl. «Das ging jeweils so lange, bis der Kellner fragte, ob wir die Probleme der Welt endlich gelöst hätten.»

In der Politik legt Pult eine Karriere hin, so steil wie die Berge seiner Heimat: 2003 gründet er die Juso Graubünden, wird 19-jährig ins Churer Stadtparlament gewählt, übernimmt mit 24 das Präsidium der SP Graubünden und politisiert mit 26 im Grossen Rat. 2019 wechselt er – im dritten Anlauf – nach Bundesbern. Als Nationalrat präsidiert er die Verkehrskommission, in der auch Mitte-Nationalrat Martin Candinas sitzt: «Wir arbeiten Hand in Hand, was den Ausbau des öffentlichen Verkehrs angeht. Auf Jon ist Verlass.» Auch SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner schätzt seinen Kollegen: «Obwohl ich politisch meilenweit von ihm entfernt bin, würde ich mit dem Menschen Jon Pult jederzeit ein Bier trinken gehen. Er hat einen frischen Humor, welcher ihn teilweise auch gefährlich macht.»

Jon Pult gilt als Shootingstar seiner Partei, als gewiefter Taktiker, treffsicherer Redner. «Ich weiss, dass ich selbstbewusst wirke. Aber ich hinterfrage vieles und bin selbstkritisch.»

Jon Pult, SP- Nationalrat, Bundesrat-Kandidat

Schneller Zmittag für unterwegs: Pult und Perl machen halt an einem Wurststand am Weihnachtsmarkt.

Kurt Reichenbach

Zwischen Chur und Bern

Über sein Privatleben gibt er wenig preis. Er reist gern, liest, mag Gnocchi und Spaghetti. Jon Pult ist mit Sara Ibrahim verheiratet. Sie lernen einander bei der Hochzeit seines Cousins kennen. Die Italienerin lebt damals in Paris. Das Paar führt einige Jahre eine Fernbeziehung. Heute teilen sich der Kommunikationsberater und die Journalistin eine Wohnung in Bern. «Letztes Jahr verbrachte ich die Hälfte der Nächte dort, die andere in Graubünden.» Seine Frau stehe hinter der Kandidatur. «Wir haben das lange diskutiert und sind zum Schluss gekommen, dass jetzt der richtige Moment ist.»

Auch bei seinen Eltern hat er Rat gesucht. «Sie sind stolz. Gleichzeitig fragt sich meine Mutter, ob ich dann überhaupt noch ein eigenes Leben habe und glücklich bin.» Seine Familienplanung will er nicht offenlegen. «Aber ich möchte in einem Land leben, in dem Regierungsmitglieder gleichzeitig Papa oder Mama sein können – auch von ganz kleinen Kindern.»

Jon Pult, SP- Nationalrat, Bundesrat-Kandidat

Pult mit seinen Vertrauten, alt SP- Nationalrätin Sandra Locher Benguerel und dem Bündner SP-Parteipräsidenten Andri Perl (r.), im Museumscafé Chur.

Kurt Reichenbach

Im Museumscafé stossen Pult und Perl mit der ehemaligen Bündner Nationalrätin Sandra Locher Benguerel, 48, an. «Ich freue mich sehr über seine Kandidatur!» Sie ist eine von Pults besten Freundinnen und hilft beim Wahlkampf. «Mit Jon wäre eine neue, jüngere Generation in unserer Landesregierung vertreten», sagt sie. Sein Alter – er ist 20 Jahre jünger als sein Konkurrent, Basels Regierungspräsident Beat Jans – sieht auch Pult nicht als Nachteil: «Ich stehe mitten im Leben und bin voller Energie. Wenn sieben Menschen unser Land anführen, ist es nicht schlecht, wenn einer davon etwas jünger ist.» Auch seine fehlende Regierungserfahrung ist für ihn kein Hindernis: «Ich verstehe die politischen Prozesse, kann mit verschiedensten Menschen zusammenarbeiten und traue mir zu, ein Department zu führen.»

Jon Pult – ein Kandidat, der seine vermeintlichen Nachteile zu Vorteilen macht

SD
Silvana DegondaMehr erfahren
Von Silvana Degonda am 9. Dezember 2023 - 07:00 Uhr