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Trainerin Martina Voss-Tecklenburg nimmt Abschied

Emotionale Worte zum Tod von Florijana Ismaili

Drama vom Comersee. Tagelang hoffen und bangen Angehörige und die ganze Schweiz um Nati-Fussballerin Florijana Ismaili. Am Dienstag die traurige Gewissheit: Die 24-jährige Bernerin ist tot. Ihre ehemalige Trainerin Martina Voss-Tecklenburg nimmt Abschied.

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Martina Voss-Tecklenburg

Martina Voss-Tecklenburg, 51, war zwischen 2012 und 2018 Trainerin der Schweizer Frauen-Auswahl. Unter ihr schaffte Florijana Ismaili den Sprung zur Nationalspielerin. Heute ist Voss-Tecklenburg Nationaltrainerin in Deutschland.

Getty Images

«Als ich am vergangenen Samstag an der WM in Frankreich die Meldung vom Verschwinden von Flori vernommen hatte, war ich fassungs- und sprachlos. Ich hoffte auf ein Wunder. Aber diese Hoffnung schwand mit jeder Minute. Wir sind ausgerechnet an diesem Tag mit Deutschland im Viertelfinal gegen Schweden gescheitert. Aber das Schicksal von Flori liess alles in den Hintergrund rücken. In einem solchen Moment verkommt der Sport zur Nebensache.

Die Umstände des Unfalls erschüttern mich tief: Flori war ein junger, gesunder Mensch, der an einem sonnigen Tag etwas Schönes erleben wollte – und dann kommt es zu diesem Drama. Meine Gedanken waren sofort bei den Angehörigen. Welche Qualen und welche Ungewissheit müssen sie durchlebt haben. Aber irgendwann wurde das Bestürzende immer unabwendbarer. Dann hoffte ich, dass sie Flori wenigstens finden. Denn so hat man immerhin die Möglichkeit, würdig Abschied zu nehmen.

Florijana Ismaili

Florijana Ismaili verünglückte beim Schwimmen im Comersee.

Christoph Köstlin
Die Erinnerungen an Florijana Ismaili

In den letzten Tagen hatte ich fast ständig die Erinnerungen und Bilder von Flori im Kopf. Sie war eine Persönlichkeit mit einem beeindruckenden Charakter – auch in Situationen, in denen es ihr weniger gut lief. Als ich ihr beispielsweise vor der EM 2017 sagen musste, dass es für sie keinen Platz im finalen Kader gibt, nahm sie diese Botschaft mit Grösse an. Auch in dieser Situation blieb sie klar im Kopf und schaute nach vorne.

An was ich mich bei Flori immer erinnern werde? Ihr Lachen, ihr Strahlen, ihre Fröhlichkeit – die Bereitschaft, immer für andere Menschen und die Sache einzustehen. Sie besass die herausragende Charaktereigenschaft, andere mitzureissen, ihre Kolleginnen für ein gemeinsames Ziel zu begeistern – in den Mittelpunkt drängte sie sich selber aber nie. Ich denke, dass ist eine Eigenschaft, die nur echte Leader auszeichnet. Obwohl sie selber noch sehr jung war, stand sie unerfahrenen Kolleginnen stets mit Rat und Tat bei.

Als Mutter setzt mir diese unfassbar traurige Geschichte umso mehr zu – auch weil der Unfall so zufällig und sinnlos scheint.

Gemeinsamer Weg

Als Trainerin ist man die Vorgesetzte der Fussballerinnen und muss auch eine gewisse Distanz wahren. Im Schweizer Team bestand aber eine grosse Nähe zwischen mir und den Spielerinnen. Denn in sieben Jahren haben wir gemeinsam einen weiten Weg zurückgelegt und sind als Team an den Herausforderungen gewachsen.

Florijana Ismaili stand mit ihrem Willen und Sportgeist für diese Entwicklung. Sie ordnete alles ihrem Traum von der grossen Fussballkarriere unter. Sie war bereit, zusätzlich zu trainieren und den anderen zu helfen. Ihr Debüt mit der Nationalmannschaft feierte sie im Januar 2014 gegen Portugal. Zu den Highlights im Schweizer Team gehörten zweifellos die beiden Tore beim 5:1-Sieg gegen Albanien in der WM-Qualifikation 2017. Ich werde nie vergessen, wie glücklich sie in diesem Moment war.

Florijana Ismaili

«Sie war ein echter Leader», sagt Martina Voss-Tecklenburg über die verstorbene Florijana Ismaili.

Keystone
So zufällig, so sinnlos

Wenn ein Kind vor den Eltern gehen muss, widerspricht dies der Logik des Lebens. Es gibt wohl nichts Härteres für die Eltern. Als Mutter setzt mir diese unfassbar traurige Geschichte umso mehr zu – auch weil der Unfall so zufällig und sinnlos scheint. Wir sind doch alle schon mal überhitzt ins kalte Wasser gesprungen; obwohl wir von den Gefahren gehört haben. Doch jeder denkt, ein derartiger Unfall könne nur einem älteren Menschen geschehen. Aber Flori war eine kerngesunde Spitzensportlerin. Ich habe meiner Tochter Dina sofort gesagt: Du darfst das nie mehr tun – und bitte sag es all deinen Kolleginnen.

Eigentlich gibt es keine Worte, um diese Tragödie zu beschreiben, ich kann den Angehörigen und Freunden von Flori nur ganz viel Kraft und Mut wünschen. Nun muss die Familie zusammenstehen und sich Halt geben. Vergehen wird der Schmerz nie. Trost gibt es in einem solchen Moment kaum. Aber vielleicht werden die schönen Erinnerungen an Flori den Verlust dereinst erträglicher machen. Flori, ich werde dich nie vergessen.»

Redaktion: Thomas Renggli am 4. Juli 2019 - 07:40 Uhr