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Diplomatisch, demokratisch, schweizerisch: Anlässlich von 175 Jahren Bundesverfassung spricht der SRF-«Tagesgespräch»-Moderator David Karasek im nicht allzu ernsten Demo-Talk über Demokratie – und ein bisschen drumherum. Schweizer Illustrierte
Demokratie-Talk mit David Karasek

«Ich möchte mehr Macht im Kleinen»

175 Jahre Bundesverfassung! Der SRF-«Tagesgespräch»-Moderator David Karasek spricht im nicht allzu ernsten Talk über Demokratie – und ein bisschen drumherum

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Was entscheiden Sie daheim demokratisch?
Das Guetnachtgschichtli: «Shaun das Schaf» oder «Pingu»?

Bei welchem Thema sind Sie stets in der Minderheit?
Ich trinke nur Instantkaffee: zwei Löffel plus heisses Wasser.

Wo liegen bei Ihnen die Grenzen von Demokratie und Diplomatie?
In meiner Sendung «Tagesgespräch»: Weicht der Gast einer Frage aus oder verpackt die Antwort in PR-Gesäusel, akzeptiere ich das nicht und hake nach, immer wieder.

In welcher Situation macht Demokratie in Ihrem Leben keinen Sinn?
Bei meiner Befindlichkeit. Merke ich, dass mir etwas nicht passt oder ich mich unwohl fühle, muss ich das zu kommunizieren.

«Ist das, was in der Bundesverfassung steht, wirklich Teil unseres Alltags?»

David Karasek

Welche Abstimmung oder Wahl lag Ihnen besonders am Herzen?
2016, Kolumbien. Ich berichtete darüber als Journalist. Nach 50 Jahren Bürgerkrieg schlossen die Regierung und die Farc-Rebellen einen Friedensvertrag. Er beendete den längsten Bürgerkrieg unserer Zeit, 250’000 Menschen waren getötet, 7 Millionen vertrieben, Zehntausende entführt worden. Im Friedensvertrag versprachen die Farc-Rebellen, ihre Waffen abzugeben und künftig nur noch als politische Partei zu agieren. Der Staat versprach, das Wahlsystem gerechter zu machen und die Guerillakämpfer zu begnadigen. Doch das Volk sträubte sich. In einer Volksabstimmung stimmten 50,2 Prozent gegen das Abkommen. Über die Hälfte der Bevölkerung stimmte gegen das Friedensabkommen, das konnte ich anfangs nicht verstehen. Ist Frieden nicht besser als Krieg, immer und grundsätzlich? Doch allmählich begriff ich.

Was meinen Sie?
Viele Menschen in Kolumbien hatten sich an den Krieg gewöhnt. Er war alltäglich, er teilte ihre Welt in Gut und Böse. Viele Kolumbianerinnen und Kolumbianer stimmten gegen das Friedensabkommen in einer Mischung aus Wut und Gerechtigkeitsempfinden: Brutal und skrupellos hätten die Rebellen das Land terrorisiert. Die Farc-Kämpfer gehörten in den Knast, nicht integriert.

Worin hätten Sie gerne mehr Macht? 
Bei simplen Dingen. Ich hätte gerne mehr Macht im Kleinen. Macht über meinen Wochenplan beispielsweise, dass ich es wirklich zweimal ins Fitness schaffe. Nicht jeden Abend Salzstängeli esse. Oder endlich das Buch von Carolin Emcke fertig lese.

Wo sind Sie Durchschnittsschweizer?
Ich schaue jeden Sonntagabend «Tatort».

Was würden Sie per sofort demokratisieren?
Venezuela. Als Südamerika Korrespondent habe ich oft aus diesem Land berichtet. Die Regierung bezeichnet Venezuela als demokratisches Land, es würden ja regelmässig Wahlen stattfinden. Das stimmt, nur hat die Bevölkerung keine wirkliche Auswahl. Demokratie bedeutet nicht nur, dass die Mehrheit bestimmt, sondern ebenso, dass die Minderheiten geachtet werden. Die Akzeptanz von Vielfalt, auch Vielfalt der Parteien, macht ein demokratisches Zusammenleben erst möglich.

Was würden Sie per sofort in der Bundesverfassung verankern?
Das ist nicht die Frage. In der Bundesverfassung sind viele, sehr wichtige Artikel verankert. Interessanter ist die Frage der Umsetzung. Ist das, was in der Bundesverfassung steht, wirklich Teil unseres Alltags? Die Meinungsfreiheit: Lassen wir wirklich alle Meinungen zu? Oder: Achten und schützen wir alle unsere Mitmenschen? Diese Diskussion finde ich interessant.

Wie würden Sie eine eigene Partei benennen?
Nach meinem Lieblingssong von den Carpenters: «Top of the World». Oder klingt das ein bisschen diktatorisch?

Wann haben Sie denn zuletzt etwas diktatorisch entschieden?
Bei unter vier Grad müssen meine Kinder Strumpfhosen anziehen. Das ist die bekannte Unter-vier-Grad-Regel.

Von Aurelia Robles am 16. März 2023 - 17:45 Uhr