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«Meteo»-Chef Thomas Bucheli im Interview

«Es wird stetig mehr Hitzetage geben»

Die erste Wettersendung flimmerte am 31. August 1992 über die Schweizer TV-Bildschirme. «Meteo»-Chef Thomas Bucheli erzählt von Versprechern und anonymen Beschimpfungen und erklärt, warum nicht jedes Unwetter Folge des Klimawandels ist.

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Thomas Bucheli auf dem "SRF Meteo" Dach

Hat den Überblick: Thomas Bucheli im einzigartigen Outdoor-Studio auf dem Dach des Schweizer Fernsehens.

Roger Hofstetter

Vor dem Fotoshooting hat sich Thomas Bucheli (61) noch kurz umgezogen. Jetzt eilt er in Richtung «Meteo»-Dach, ein hellblaues Ersatzhemd am Bügel in der Hand. Auf der Treppe im SRF-Gebäude begegnet er einer Gruppe Frauen – die ihn zu seiner Kleiderwahl befragen. Sie kämen gerade von einem Styling-Kurs, erklärt eine der Damen dem leicht irritierten Meteorologen. Normalerweise wollen die Leute nämlich vor allem über ein Thema mit ihm reden.

Thomas Bucheli, sprechen wir übers Wetter. Tun Sie das privat eigentlich gern?
Natürlich. Sonst würde ich das beruflich nicht schon so lange machen. Vor allem finde ich es spannend, mit Kolleginnen und Kollegen über komplexe Wetterlagen zu diskutieren. Die Meteorologie ist nach wie vor meine Leidenschaft.


Erinnern Sie sich an Ihren ersten Arbeitstag bei «Meteo»?
An den Tag erinnere ich mich nicht konkret. Aber die ganze Fernsehumgebung war hoch spannend für mich. Ich war stolz darauf, dass ich als Meteorologe dem TV-Publikum mein Fachgebiet vermitteln durfte, hatte aber auch grossen Respekt vor der Aufgabe.


Wie machte man denn vor 30 Jahren Wetterprognosen?
Mit groben Modellen und ganz rudimentären Satellitenbildern. Alle drei Stunden kamen Wetterkarten per Fax rein. Heute würde ich mit diesen Mitteln wohl keine Prognose mehr wagen.


Können Sie möglichst einfach erklären, wie das heute funktioniert?
Es gibt verschiedenste Modelle – von global bis sehr lokal –, die man miteinander vergleicht, natürlich alles digital. Aus dem grössten gemeinsamen Nenner versucht man die wahrscheinlichste aller Wetterlagen abzuschätzen. Eine Prognose ist eine Wahrscheinlichkeitsrechnung.


Wann haben Sie angefangen, sich für Meteorologie zu interessieren?
Als Teenager wollte ich Pilot werden, dafür brauchte es Wetterkunde. Ich studierte dann aber Geografie, merkte während des Studiums, dass Meteorologie und Klimatologie mein Weg sein könnten. Der Aha-Moment kam, als ich als Jung-Meteorologe bei Meteo Schweiz für drei Monate eine Weiterbildung beim britischen Wetterdienst geniessen durfte. Hier lernte ich, Theorie und Praxis miteinander zu verknüpfen.

Thomas Bucheli im Interview mit Sandra Casalini

Eine andere Sendung moderieren? Bucheli: «Nein, danke. Ich rede gern übers Wetter. Aber ich bin kein Showman.»

Roger Hofstetter

Nun machen Sie den Job seit über 30 Jahren. Was gefällt Ihnen so daran?
Die Kombination von wissenschaftlicher Arbeit und medialer Vermittlung. Ich hatte ein Riesenglück, genau diesen Job zu finden.


Ihre Fernsehpräsenz macht Sie zu einem der bekanntesten Gesichter der Schweiz. Mögen Sie Ihren Bekanntheitsgrad?
Er stört mich nicht. Ich habe in der Zwischenzeit aber auch gelernt, mich freundlich zu entschuldigen, wenn ich auf der Strasse zu einem unpassenden Zeitpunkt angesprochen werde. Man lernt, sich abzugrenzen.


Gilt das auch für die digitale Welt?
Ich muss gestehen, dass hier eine Entwicklung stattfindet, mit der ich immer noch kämpfe. Ich beantworte gern konstruktive Kritik, aber mit anonymen Beschimpfungen gegen mich persönlich oder jemanden aus meinem Team habe ich Mühe.


Mit dem technischen Fortschritt sind auch die Erwartungen des Publikums gestiegen.
Das stimmt. Gerade deshalb lade ich gern auch mal Verfasserinnen oder Verfasser von despektierlichen Mails ein, uns zu besuchen und selbst zu schauen, wie solche Prognosen entstehen. Danach hat man mehr Verständnis dafür, wenn wir bei der Vorhersage der Temperatur mal zwei Grad danebenliegen.


Welches waren Ihre Highlights in 30 Jahren «Meteo»?
Da gab es viele. Zum Beispiel das Projekt «Eiger live» von SRF oder die Olympischen Spiele in Nagano und Salt Lake City, die ich als Meteorologe begleiten durfte.


Ihr schlimmster Versprecher?
Ich sprach vom «Kanton Liechtenstein». Die Mail- Flut war unbeschreiblich. In der nächsten Sendung entschuldigte ich mich humorvoll.


2010 wurde «Meteo» als beste Wettersendung im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet. Was macht sie Ihrer Meinung nach so gut?
Unser Open-Air-Studio auf dem Dach ist einzigartig. Hier können wir live mit dem aktuellen Wetter arbeiten, sind seinen Kapriolen direkt ausgesetzt, auf die wir authentisch und mitunter auch mit Schalk reagieren. Trotzdem sind unsere Inhalte topseriös. Ich muss sagen, dass ich viele andere Wettersendungen recht lieblos gemacht finde.


«Meteo» ist die meistgesehene SRF-Sendung. Wie erklären Sie sich das in Zeiten, in denen man das Wetter jederzeit per App checken kann?
Ich denke, gegenüber den Apps bieten wir Mehrwerte wie Einschätzungen und Erklärungen, das schätzt das Publikum.

«Ich müsste viel mehr tun als kalt duschen. Aber letztlich bin ich auch ein Kind unserer Gesellschaft»

Auch die Wetterlagen, die Sie verkünden, haben sich geändert in den letzten 30 Jahren – Stichwort Hitzetage oder Unwetter. Wie sehr beschäftigt Sie diese Situation als Klimatologe?
Mein Klimatologie-Studium liegt 35 Jahre zu-rück, aber die Physik hat sich natürlich nicht geändert. Es findet alles auf immer höherem Temperaturniveau statt, Rekorde werden inflationär gebrochen, Eckpfeiler, zwischen denen sich das Wetter abspielt, werden verschoben. Das ist per Definition eine Klimaänderung. Man muss aber auch klar sagen, dass nicht jedes Unwetter im Zusammenhang mit dem Klimawandel steht, es gibt viele zusätzliche Faktoren, die beispielsweise zu heftigen Gewittern führen. Das Thema ist komplex. Das macht die Kommunikation schwierig.


Inwiefern?
Wenn wir gewisse Wetterlagen verkünden und den Zusammenhang mit dem Klimawandel herstellen – welcher übrigens immer von der Forschung gestützt wird –, bezichtigt man uns der Panikmache. Tun wir es nicht, sind wir Ignoranten. Wir befinden uns hier in einem grossen Spannungsfeld.


Wie sehen Sie die Klimaentwicklung in den nächsten Jahren?
Laut Forschung wird es stetig mehr Hitzetage geben, also Tage über 30 Grad, die Trockenphasen nehmen zu. Ein Sommer wie dieser stützt leider diese Vorhersagen.


Achten Sie mehr als andere auf Ihr Verhalten diesbezüglich?
Ich müsste viel mehr machen als nur kalt duschen. Aber bleiben wir realistisch – letztlich bin ich auch ein Kind unserer hoch entwickelten Gesellschaft und nutze und geniesse ihre Annehmlichkeiten. Wir müssen aber als Land und als Gesellschaft griffige Massnahmen gegen die Erwärmung durchsetzen. Sie sind dringend notwendig.


Wie nehmen Sie die Generation Ihres 25-jährigen Sohnes in dieser Hinsicht wahr?
Als sehr bewusst – aber wehe, das W-LAN funktioniert nicht! (Lacht.)


Zurück zum Wetter. Welches mögen Sie am liebsten?
Das, bei dem meine Prognose richtig war.

Familienbloggerin Sandra C.
Sandra CasaliniMehr erfahren
Von Sandra Casalini am 2. September 2022 - 16:36 Uhr