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Druck in der Modelbranche

Anja Leuenberger wurde als «zu dick» taxiert

Topmodel Anja Leuenberger blickt in der SRF-Show «Gredig direkt» unter anderem auf die Anfänge ihrer Modelkarriere zurück. Bei den ersten Castings in Mailand sagte man der damals 14-Jährigen, sie sei zu dick.

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Anja Leuenberger ist eines der erfolgreichsten Schweizer Models.

Anja Leuenberger ist eines der erfolgreichsten Schweizer Models.

Getty Images

Das Modelbusiness ist kein Zuckerschlecken, dies ist bekannt. Wie knallhart die Bedingungen für Topmodels aber tatsächlich sind, sickert nur selten durch. Nun hat sich Anja Leuenberger (30) ein Herz gefasst und  in Urs Gredigs (52) SRF-Show «Gredig direkt» unteranderem über die teils bizarren Anstellungsbedingungen gesprochen. So gibt die Aargauerin, die der Modelkarriere wegen über zwölf Jahre in New York lebte, einen Einblick in die Anfänge ihrer erfolgreichen Karriere.

«Mir wurde gesagt, dass ich dick bin»

Anja Leuenberger

Als damals 14-Jährige reiste Anja Leuenberger während der schulfreien Zeit in die italienische Modehauptstadt Mailand, um dort eine Modelagentur zu finden, die sie aufnehmen würde. Die Aargauerin sei zu sechs verschiedenen Agenturen gegangen, erzählt sie, doch überall sei ihr gesagt worden, dass das Modeln für sie schwierig werden könnte. Man kritisierte die Hose, die sie trug, weil diese für ihre Figur nicht vorteilhaft sei. «Mir wurde gesagt, dass ich dick bin.» 

Die Teenagerin habe die Welt nicht mehr verstanden, erinnert sich Leuenberger. «Ich kam von einem Ort, wo man mir sagte, ich sei magersüchtig, dünn, ungesund. Ich sei nicht schön. Und in Mailand sagte man mir plötzlich, ich hätte Fettpölsterchen, die aus der Hose quellen.»  

«Ich dachte mir: ‹Die spinnen doch!›»

Die Kritik an ihrem Körper habe die junge Anja Leuenberger total verunsichert. «Ich dachte mir: ‹Die spinnen doch!›» Sie habe darauf ihren Manager angerufen. «Ich erzählte ihm weinend, dass man mir sagte, ich sei zu dick.» Ihr Manager jedoch hätte sehr gut reagiert, was das Model ihm noch heute hoch anrechne. «Das geht gar nicht!» habe er gesagt und ihr empfohlen, sofort zurück nachhause zu kommen.

Schonungslose Kritik in Mailand

Das tat sie und wenig später nahm ihre Modelkarriere dann doch ihren Lauf und die Aargauerin erhielt immer mehr Aufträge – auf der ganzen Welt verteilt. Zur Modeindustrie in Mailand habe Leuenberger allerdings bis heute ein angespanntes Verhältnis. «Die paar Male, als ich in Mailand arbeitete, wurde ich immer sehr stark kritisiert. Bis heute habe ich deswegen irgendwie eine Abneigung gegenüber Mailand.»

Knebelvertrag in Tokyo

Eine mindestens ebenso schwierige Erfahrung machte das Model später in Tokyo. Sie habe dort sehr viel arbeiten müssen – wegen eines Vertrages, bei dem sie keinen Lohn bekommen hätte, wenn sie nicht in einer gewissen Zeitspanne einen entsprechenden Betrag erarbeitet hätte. «Das war ein riesiger Druck, so etwas habe ich zuvor noch nie erlebt. Einmal pro Woche wurde dort mein Körper vermessen. Zum Teil hatte ich zwei Jobs pro Tag.»

«Mein Arzt sagte mir, ich sei überarbeitet»

Sie hätte sich regelrecht kaputt gearbeitet, sagt sie heute über diese Zeit. «Am Schluss funktioniert man nur noch.» Ein weiteres Problem dabei: «Wenn ich mega gestresst bin, nehme ich sehr schnell ab. Mein Stoffwechsel ist dann extrem angeregt.» Auch wenn das zum Teil von der Modebranche verlangt wurde, war es für ihre Gesundheit nicht das Richtige. Durch den Stress und die Einsamkeit sei plötzlich sei ihre Menstruation ausgeblieben. «Mein Arzt sagte mir, ich sei überarbeitet.» Sie wisse, dass das auch vielen Models wegen des Gewichtes passiert. «Bei mir war es psychisch und wegen des Stresses.»

Ausserdem spricht Anja Leuenberger mit Urs Gredig auch über zwei sexuelle Übergriffe, die sie als junge Erwachsene erleben musste und vor zwei Jahren publik machte. «Die Nachricht war immer: Das ist passiert. Was dich nicht umbringt, macht dich stärker», so Leuenberger zu Gredig. «Was ich lernte in meinem Prozess: Man hält sich gerne am Schmerz fest und der Mensch identifiziert sich oft dadurch.» Mittlerweile habe sie den Tätern vergeben. «Das war ein jahrelanger Prozess.»

«Was ist die Definition von Glück?»

Zum Schluss der Talksendung will Urs Gredig von Anja Leuenberger wissen, ob sie glücklich sei. «Was ist die Definition von Glück?», erwidert das Model zuerst nachdenklich. «Für mich ist es, dass ich gesund bin, es meiner Familie gut geht, ich finanziell stabil bin und jeden Tag aufstehen kann und sage, wie schön das Leben ist.» Und darum schliesst sie ab: «Ich bin gesund. Mir geht es gut. Ich bin an einem guten Punkt in meinem Leben.»

Von emu am 8. Januar 2023 - 14:22 Uhr