Es sind Bilder einer wunderschönen Mutter und ihres süssen Babys. Die Mutter ist entspannt. Das Baby guckt neugierig in die Kamera. Sarina Arnold, 28, ist glücklich, weil der Moment der Befreiung gekommen ist. Die Fotos zeigen, dass sich im Leben des Urner Topmodels und seiner Tochter Felice Alyssa viel verändert hat.
Felice ist jetzt so weit, dass sie zum ersten Mal mit ihrem Mami vor der Kamera posieren kann. Die Kleine, die am 5. April mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte zur Welt kam, hat sich von der Operation im August so weit erholt. Sie hat das Gröbste hinter sich. «Ich will zu meiner Tochter stehen, und ihre Fehlbildung soll kein Tabu sein», sagt Sarina.
Von Felices Handicap ist fast nichts mehr zu sehen. Der harte und der weiche Gaumen sowie die Oberlippe wurden verschlossen. Nur das linksseitig abgeflachte Nasenflügelchen und die feine Narbe darunter sind vorderhand geblieben.
Die Fotos sollen den Eltern von Babys, die das gleiche Startproblem haben, Mut machen: Es wird gut! Unser Gespräch findet nach dem Fotoshooting in der Wohnung des Buttermeitlis in Zollikon ZH statt. Felice ist immer dabei, krabbelt auf der Babydecke herum.
Plötzlich will sie ihren Schoppen mit verdünntem Tee. Sarina hält ihr die Flasche an den Mund. Die Kleine nuckelt begeistert. Sarina lächelt. «Welch ein Fortschritt. Jetzt kann sie selber saugen. Vor der Operation musste ich mit sanftem Druck auf dem Schoppen ihr die Milch einflössen, weil Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten-Kinder kein Vakuum bilden können.»
Sarina Arnold, wie hat die Operation Felice verändert?
Vor dem Eingriff sah ich immer eine kleine Patientin vor mir. Das lässt nicht viel Spielraum für Beobachtungen. Jetzt sehe ich, wie sich ihr Charakter entwickelt. Felice hat einen richtigen «Ürner Stiärägrind». Aber sie ist auch ein freundliches Mädchen. Sie strahlt jeden an.
Was muss bei der Kleinen noch alles korrigiert werden?
Mit acht wird der Oberkiefer verschlossen, mit 16 die Nase operiert. Ob sie eine Logopädie-Behandlung braucht, entscheidet sich, wenn sie mit dem Reden anfängt.
Wie erleben Sie heute den Alltag mit Felice?
Das Leben hat sich für mich und meinen Mann Raphael normalisiert. Vor dem Eingriff waren die Fehlbildung und die Operationsmethode ein allgegenwärtiges Thema. Jetzt haben wir Zeit, ein normales Familienleben zu führen. Ach, da kommt mir gerade etwas in den Sinn.
Erzählen Sie ...
Ich musste mich nach der Operation an Felices neues Gesichtchen gewöhnen. Nach der Operation träumte ich noch eine Weile von ihrem alten Äusseren.
Und war das schlimm?
Nein, sie war für mich auch vor dem Eingriff das schönste Kind der Welt.
Trotzdem, ein Kind mit einer Fehlbildung ist kein Spaziergang. Sie sagten, die Diagnose im siebten Monat sei für Sie ein Schock gewesen. Besuchten Sie nach der Geburt eine Selbsthilfegruppe oder einen Psychologen?
Wir haben es nie in Erwägung gezogen. Vielleicht auch, weil viele betroffene Eltern auf uns zugekommen sind. Es war unglaublich, wie viel Mut mir unbekannte Menschen gemacht und Ratschläge gegeben haben. Ein paar Mütter treffe ich regelmässig.
Was raten Sie betroffenen Eltern?
Es wirkt schlimmer, als es ist. Die Medizin ist fortgeschritten und kann diese Fehlbildung heute beheben. Die ersten Monate sind jedoch anstrengend. Vor dem Gaumenverschluss musste ich die Gaumenplatte immer wieder befestigen. Ich hatte so Angst, ihr wehzutun. Hinzu kamen wöchentliche Kontrollen mit dem Baby im Spital.
Wenn Sie zurückblicken, wer hat Sie am meisten unterstützt?
Ohne meine Mutter und Schwiegermutter hätte ich es nicht geschafft. Auch meine Schwägerin Aurelia und natürlich Raphael waren eine grosse Hilfe.
Haben Sie nie mit dem Schicksal gehadert?
Am Anfang machte ich mir Vorwürfe, obwohl ich immer sehr gesund gelebt habe. Aber das Warum raubt zu viel Kraft. Ich setze sie lieber positiv um und möchte etwas weitergeben. Ich hatte schon immer eine soziale Ader. Durch das Geschehene ist sie verstärkt worden.
Sie meinen, karitativ tätig zu sein?
Ich unterstütze die Oberärztin, die Felice an der Uni-Klinik Basel operiert hat. Doktor Katja Schwenzer-Zimmerer nimmt in ihren Ferien Eingriffe an Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte in Kambodscha, Burma und Indien vor. Ihre Organisation Vergessene Patienten ist auf finanzielle Hilfe angewiesen.
Sie sind wieder zurück im Model-Business. Kürzlich hatten Sie ein Covershooting für die deutsche «Madame».
Stimmt. Allerdings arbeite ich nicht so viel wie früher. Für den Januar habe ich zum Beispiel keine Jobs angenommen.
Nehmen Sie die Kleine mit an die Shootings?
Ich nehme Felice mit, wo ich kann. Wir waren schon zusammen in Lissabon, Sharm El Sheikh und auf Sardininen. Meine Schwägerin Aurelia und meine Mutter spielen dann die Nannys.
Hand aufs Herz, in Ihrem Job geht es um perfektes Aussehen, glamouröse Ausstrahlung und Perfektion. Hat sich Ihre Werteskala diesbezüglich verändert?
Es klingt nach Plattitüde, aber Schönheit kommt von innen. Wenn ein sogenannt schöner Mensch keine Herzlichkeit oder Wärme ausstrahlt, bleibt nur eine kalte Hülle.
Vor der Operation sah man der Kleinen die Spalte sofort an. Wie reagierten Sie, wenn die Leute auf der Strasse schauten?
Natürlich wurde geguckt. Alles, was von der Norm abweicht, ist auffällig. Dafür habe ich Verständnis. Viele schauten hin, dann verschämt wieder weg. Aber ich habe mich nie für mein Kind geschämt.
In einer Woche geht das Jahr zur Neige. Haben Sie Wünsche für 2009?
Nein. Ich lebe im Moment und bin glücklich, dass mir das Jahr 2008 Felice geschenkt hat und alles so gut gekommen ist.