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  4. Mirka: Die Frau hinter dem Erfolg von Tennisstar Roger Federer
Mirka Federer

Sie ist Rogers Ass

Sie ist nicht das Schätzchen auf der Tribüne, sie ist der Motor hinter dem Star. Mirka Federer macht die Karriere von Roger erst möglich, sagen Lynette Federer, Manager Tony Godsick und «Vogue»-Chefredaktorin Anna Wintour.

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Mirka existiert für die meisten Menschen nur von der Hüfte an aufwärts. So viel gibt die Spielerbox preis. Sie ist der Pausenfüller zwischen den Games. Dann, wenn der Vorhang aufgeht für 90 Sekunden Celebrity-Theater. Die Damenwelt taxiert in dieser Zeitspanne die Prada-Handtasche, zählt die Brillanten am Ringfinger, schaut, wie lange die beiden Daumen über die Blackberry-Tastatur fliegen. Und – falls am Ende auch der Nachwuchs mitklatschen darf – ob sie den Zwillingen die richtigen Haarbändchen in die Locken gezwirbelt hat. Die globale Jury vergisst dabei aber eines: Die 17 Grand-Slam-Titel ihres Mannes haben mehr mit der 34-Jährigen zu tun als mit irgendeinem anderen Menschen in der Reisegruppe des Weltstars. Mirka ist nicht das Schätzchen auf der Tribüne, sie ist der Motor hinter dem Star.

«Es ist kein Zufall, dass er nie ein Turnier gewann, bevor sie sich kennenlernten», sagt Federers Manager Tony Godsick. «Und schauen Sie, wo er jetzt ist.» Sie bringe so viele praktische Erfahrungen und Ideen mit. Sie schaue auf seine Balance. «Sie hat so viel geopfert, damit er Erfolg haben kann.»

1045 Einzel hat Federer in 14 Jahren bestritten. An die 900 Spiele hat Mirka, die selbst einst die Nummer 76 war, miterlebt. «So viel Tennis würde keine andere Frau ertragen. Tennis ist in unserem Leben allgegenwärtig. Jeden Tag, jede Minute», sagte sie einst. Würde sie heute noch reden, stünden die Weltmedien Schlange. Aber seit rund sechs Jahren schweigt die Frau eisern. Mirka organisiere sein Leben, sagt Roger. Das bedeute viel Arbeit. «Darum beschütze ich sie vor den Medien. Ich rede für beide.»

Ihr medialer Stummfilm ist ein Verlust, wenn man weiss, wie erfrischend sie in Interviews sein kann. Wie damals im Sommer 2005. Während Federer trainiert, redet sie auf einer Bank im Aorangi Park von Wimbledon über das Leben an der Seite der Nummer 1, über ihren Freund, der bereits vier Grand-Slam-Pokale besitzt und in den nächsten 14 Monaten mit fünf weiteren grossen Titeln zur erfolgreichsten Zeit seiner ganzen Karriere ansetzen wird. Mirka schwärmt von der neuen Welt, von Fotoshootings mit «Vogue», die 150 000 Franken teuer sind. «Mit Assistenten, welche die Socken richten. Unglaublich.» Sie spricht über «Rotschi», der «in gesundem Masse eitel ist», über die Lawine von Interview-Anfragen. Über die Zeit, die immer knapp ist, «die ich stehlen muss, um ihn zum Coiffeur zu schleppen». Sie koche im Haus. 27 Kilo Essen habe sie mitgenommen. «Suppe, Salatsauce, Schoggi, Guetsli, Aromat.» Es sind Details, die den Millionär dem Büezer sympathisch machen. Es wird eines ihrer letzten Interviews. Was folgt, ist Federers Transformation vom Tennisstar zu einem globalen Helden.

Mirka tritt in den Hintergrund. Die Pressearbeit ist der falsche Job für sie. Weil sie hart sein muss und hart ist, weil sie eine Horde von Unzufriedenen zurücklässt, sie nicht mehr das Tennis spielende Schätzchen aus dem Thurgau ist, sondern die zunehmend Unnahbare. Er redet fortan über Erfolg, später über die Ehe, die Zwillinge. Sie wird die Managerin seines Lebens. Immer wieder bedankt er sich bei ihr. Wie am Masters-Cup in Schanghai, als er sagt: «Alle sagen, ich sei der Beste. Aber ich bin nur der Beste mit dir an der Seite.» Federer ist so vernarrt in sie, dass er zugibt: «Allein sein heisst für mich mit Mirka sein. Ich kann 20 Minuten im Auto allein sein. Aber ich bin lieber mit ihr zusammen.»

Kinder, Agenda, Flüge, Hotels – als ob das nicht genug wäre, schaltet sie sich entscheidend in seine Karriere ein. 2011 wird Federer nach der Viertelfinal-Niederlage in Wimbledon gegen Jo-Wilfried Tsonga und dem Halbfinal-Out in New York gegen Novak Djokovic kritisiert. Auch Mirka drängt zu einer schonungslosen Analyse. «Sie war überzeugt, dass es nicht sein konnte, dass ich all diese Matches so knapp verlor, dass da etwas sein musste», erklärt Federer. «Sie sagte: ‹Vielleicht ist bei dir etwas falsch. Wir müssen das besprechen.› Sie hatte ihre Ansichten. Ich dachte, einige waren falsch, andere richtig.» Fakt ist, dass Federer danach die Titel in Basel, Paris und bei den World Tour Finals in London gewinnt und zuletzt das Undenkbare schafft. Den Wimbledon-Sieg und die Rückkehr zur Weltnummer 1 haben ihm wenige zugetraut.

Lynette Federer schwärmt von ihrer Schwiegertochter: «Sie sorgt für Harmonie, hat Geduld und Ausdauer. Andererseits ist sie dezidiert und zielstrebig und hat gleichzeitig ein feines Einfühlungsvermögen. Was Mirka im komplexen Alltag von Roger leistet und wie sie ihm stets den Rücken frei hält, ist bewundernswert.» Nie stelle sie sich in den Mittelpunkt. «Sie ist rund um die Uhr für ihren Schatz da. Dazu ist sie eine engagierte Mutter von Myla und Charlene. Ich bin glücklich, dass Mirka Teil unserer Familie ist.»

Für sie ist Mirka aus Fleisch und Blut. Mit allen Ecken und Kanten. Für die breite Masse bleibt sie nicht fassbar. Sie hat keine Stimme, kein Lachen. Niemand weiss, wie ihr Lieblingswitz geht. Sie bleibt Projektionsfläche für alle möglichen Dinge. Doch die Federers können gut damit leben. Im Kabinengang wirkt sie zufrieden, grüsst auch nach Niederlagen freundlich. Die ehrgeizige Arbeiterin von früher hat die Ruhe. Eine Pleite heisst eine neue Destination, eine neue Chance, neues Glück.

«Sie ist eine so leidenschaftliche Person» sagt Janine Händel, CEO der Federer-Foundation. «Wenn ihr als Stiftungsrätin etwas am Herzen liegt, setzt sie sich ein – das gefällt mir.» Warum aber opfert sich die Frau derart auf? «Weil sie Roger liebt», sagt «Vogue»-Chefredaktorin Anna Wintour, eine enge Freundin der Federers. «Wobei ich nicht von Opfer reden würde. Sie liebt dieses Leben. Sie freut sich, die Häuser einzurichten, auf die Zwillinge aufzupassen und vielleicht noch mehr Kinder zu haben. Und sie weiss auch: Sie macht diese Karriere erst möglich.» Besonders angetan ist die Mode-Queen seit einem Mailand-Trip. «Ich hab ihr all die bekannten Designer vorgestellt. Und sie, die schon die Queen traf, war sehr bescheiden. Wissen Sie aber, was mich wirklich beeindruckte? Am Abend kannte sie nicht nur die Vornamen der Designer, sondern behielt auch den des Fahrers im Kopf.»

Die kleinen Dinge hält Mirka fest. Auch mit ihrer kleinen Kamera auf dem Centre-Court. Dort gibt sie dem Leben, dass die Familie mit der ganzen Welt teilt, eine eigene Perspektive, einen privaten Dreh. Und wann revanchiert sich ihr Roger dafür? «Meine Zeit kommt noch. Nach dem Tennis», sagte sie schon vor langer Zeit. «Das haben wir so abgemacht.»

Von Christian Bürge am 19. Juli 2012 - 02:05 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:08 Uhr