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Stephan Klapproth in Lissabon

So bereitete er sich auf seine erste «Sternstunde» vor

Schluss mit «10vor10»! Jetzt philosophiert Stephan Klapproth bei den «Sternstunden». Der Anchorman über Alpaca-Strickpullis vs. Massanzüge, seine heimliche Hochzeit, seine Leidenschaften und einen Lebenshunger, der ihn oft nicht schlafen lässt.

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Lissabon, silbrig glitzert der Tejo in der Sonne, die Standseilbahn Elevador da Bica schraubt sich die Gasse zum Largo do Calhariz hinauf. Stephan Klapproth, 56, erkundet die Altstadt zu Fuss. Der «10vor10»-Anchorman ist zum ersten Mal in Portugals Hauptstadt.

Männer wie Heinrich der Seefahrer zogen vor Jahrhunderten von hier aus, um Neuland zu entdecken. Auch Klapproth lockt das Neue. Seinen Job bei der Nachrichtensendung hängt er nach 21 Jahren an den Nagel, moderiert künftig «Sternstunde Philosophie» - jeweils abwechselnd mit Barbara Bleisch. Kommenden Sonntag gibt er seine Premiere bei der Diskussionssendung, die er 2002 bereits einmal als Gastmoderator präsentierte.

Ein Mann wie Klapproth bereitet sich gewissenhaft auf seine neue Aufgabe vor - auch in Lissabon. José Manuel Barroso, einst Ministerpräsident Portugals und später Präsident der Europäischen Kommission, wird sein erster Gesprächspartner in «Sternstunde Philosophie» sein. Mit ihm studierte er an der Uni Genf. Ob im Taxi oder in der Markthalle - Klapproth plaudert auf Italienisch sowohl mit der Fischverkäuferin als auch mit dem Chauffeur, will wissen, was sie über Barroso denken. «Oportunista», antwortet der Senhor hinterm Steuer. «Das werde ich Barroso in der Sendung servieren und ihn so herausfordern.» Klapproth kreuzt gern die Klingen. In der Fechtgesellschaft Luzern lernte er als Teenager, seine Gegner einzuschätzen und Strategien für den Sieg zu finden.

Als Erfolg verbuchen kann Klapproth durchaus auch, wie er vor 21 Jahren bei «10vor10» landete. Unter konspirativen Umständen hatte ihn der damalige Chef zu einem Casting eingeladen. «Ich hatte einen super Radiojob beim ‹Echo der Zeit› und keine Pläne zu wechseln - ich war nur neugierig.»

Für die Probeaufnahmen sollte er Hemd und Sakko tragen. «Aber ich hatte nur so südamerikanische Alpaca-Pullis und meinte, dass ich darin gleich gut sprechen würde.» Beim TV liess man das nicht gelten. So sass er schliesslich mit geborgtem Hemd und Sakko vor einer Kamera - und überzeugte die deutsche Experten-Jury. «Nehmt den!», urteilte diese. Nur eine Kleinigkeit wurde beanstandet: «Ich sollte den Karl-Marx-Schnauzbart, den ich trug, stutzen.» Als Bedenkfrist erbat er sich zehn Tage. Am letzten entschied er sich nachmittags fünf vor fünf für «10vor10». Heute ist er von den schweren Alpaca-Strickpullovern auf Massanzüge und kragenlose «Mao»-Hemden umgestiegen. Seine Uniform - sowohl vor der Kamera als auch in der Freizeit.

Von seinen Abenteuern als Reporter erzählt Klapproth gern und ausführlich. Etwa wie er bei einem Flug über Afrika nach dem Ausfall eines Triebwerks fast im Urwald abgestürzt wäre. Oder wie er in Turkmenistan verhaftet wurde. Man kann ihm stundenlang zuhören, wenn er gestikulierend und modulierend erzählt, so wie jetzt gerade im Café Pois in der Rua de São João da Praça. Von der Wirtin, einer Deutschen, will er wissen, ob und wie sie die Euro-Krise in Portugal zu spüren bekommt, ob sie Bakschisch zahlen müsse als Ladenbesitzerin. Klapproth ist auch ein guter Zuhörer.

Kritiker werfen ihm vor, er präsentiere die News zu theatralisch, rede zu gedrechselt. «Auf der Strasse habe ich das noch nie von jemandem zu hören bekommen», kontert Klapproth. Sogar Kollegen machen sich mitunter lustig. So twitterte «Einstein»-Moderator Mario Torriani zu Klapproths Wechsel: «Kollege Stephan Klapproth @mr_klapproth wird neu Moderator der @SRF ‹Sternstunde Philosophie›. Sendung heisst künftig ‹Sternstunde Poesie›.» Klapproth ist ein guter Rhetoriker. Als Vorbild zitiert er oft und gerne den römischen Dichter Horaz: «Wer ein breites Publikum informieren möchte, der muss unterhalten, muss nützen und ergötzen können.»

Vorbei ist es mit «unterhaltend», wenns um Klapproths Privatleben geht. Da wird er maulfaul. Die Frage, ob seine Ehefrau Isabelle TV-Auftritte von ihm kritisiert, bedenkt er knapp mit: «Das würde ich jetzt gern ausklammern.» Vor sechs Jahren heirateten die beiden heimlich, weder Stephans Mutter noch seine beiden Schwestern und die zwei Brüder sollen davon gewusst haben. Das Ehepaar betreibt eine Firma. Zweck: «Wissensbeschaffung, Wissensvermittlung, Kommunikationsdramaturgie, Reden und Referate.» Klapproth hält das Private strikt aus der Öffentlichkeit raus, meidet rote Teppiche wie ein Kajakfahrer gefährliche Stromschnellen.

Zur Entspannung paddelt Klapproth mehrmals pro Woche auf dem Zürichsee. «Je weiter ich mich vom Ufer entferne, desto eher fühle ich mich als glücklicher König.» Der See biete ihm völlig andere Perspektiven. Ist er als Reporter unterwegs, hat er oft eins seiner Falt-Kajaks dabei. «Ich bin halt in Luzern am See aufgewachsen.» Und sonst? Klapproth singt gerne, schreibt Liedtexte und spielt Gitarre. Eine missglückte Gleitschirmlektion vor über 20 Jahren bescherte ihm einen gebrochenen Wirbel und in der Folge einen Haltungsschaden. Der fällt am Bildschirm zwar nicht auf, sorgt jedoch für Erstaunen bei manchem, dem Klapproth auf der Strasse begegnet.

Seine Passion fürs Töfffahren hat er aufgegeben, die Honda Chopper 250 verkauft. Jahrelang cruiste er damit zur Arbeit. Er hat auch das Flächenflugzeug-Brevet, geht aber kaum noch in die Luft. «Mir fehlt die Zeit.» Apropos Zeit? Was passiert 15 nach 10, wenn «10vor10» gelaufen ist? «Früher gingen wir jeden Abend auf ein Bier, heute noch einmal pro Woche.» Wenn er nach Hause kommt, hat er zu viel Adrenalin im Blut, um zu Bett gehen zu können. Er liest dann oder schaut TV. «Keine News!» Klapproth liebt Krimis und Polit-Thriller wie «House of Cards» und «Borgen». Er ist ein Nachtmensch. «Ich bin manchmal so lebenshungrig, dass ich gar nicht schlafen gehen mag.»

Und so zieht es ihn an diesem Abend in Lissabon noch in eines der typischen Fado-Lokale. «Der Gesang geht mir so unter die Haut, dass ich dabei meine persönliche musikalische Sternstunde erlebe.

«Sternstunde Philosophie» - immer sonntags, 11 Uhr auf SRF 1.

Von René Haenig am 18. Januar 2015 - 06:00 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 16:35 Uhr