Das erste Wort von Kind 2 war «Teff». Gemeint damit war «Töff», also Motorrad. Im Laufe seiner Kindheit entwickelte es diverse weitere Leidenschaften – unter anderem auch mal eine seltsame Obsession mit Gabelstaplern –, und die Liebe für Motorräder geriet zeitweise in den Hintergrund. Wofür ich recht dankbar war. Als Elternteil ist es nicht wirklich dein grösster Traum, dass dein Kind auf einem Töff durch die Gegend kurvt. In gut drei Wochen wird das Kind 18. Und schenkt sich selbst zum Geburtstag eine Yamaha R7. Ein riesiges Gefährt. Ich könnte heulen, wenn ich mir vorstelle, wie mein kleiner Junge auf diesem Teil über die Strassen düst. Auch wenn er mittlerweile fast 1.90 Meter gross ist.
«Ganz ehrlich, das Kind hatte schon als Baby «Fomo»!»
Fakt ist, liebe Eltern: Wir denken oft, dass sich Vorlieben oder auch Verhaltensweisen aus Kleinkindtagen im Laufe der Zeit komplett ändern. Das stimmt aber nur bedingt. Ich kann euch ziemlich viele Beispiele dafür nennen, wie beide meiner inzwischen erwachsenen Kinder noch genauso ticken wie in frühesten Kinderjahren. Im Falle von Kind 1 sogar ab seinem ersten Lebenstag. Ganz ehrlich, das Kind hatte schon als Baby «Fomo» (Fear of missing out, die ständige Angst, etwas zu verpassen). Wenn ich meine Tochter in den Tagen nach ihrer Geburt über den erleuchteten Spitalgang trug und sie die Lichter anschauen konnte, war alles super. Kaum kamen wir in ein abgedunkeltes Zimmer, fing sie an zu weinen. Schlafen und Einschlafen blieben die ganze Kindheit über ein Riesenchrampf. Für Kind 1 reine Zeitverschwendung. Man könnte ja was verpassen. Das hat sich inzwischen zwar gelegt, die «Fomo» hingegen nicht. So stellt sich das Kind tatsächlich um vier Uhr morgens den Wecker, weil um diese Uhrzeit ihre Lieblingsband ein neues Album «droppt». Und das kann man ja unmöglich erst einige Stunden später anhören, sonst kann man nicht mehr mitreden.
Die Ponys waren eher sozialer Druck
Was auch geblieben ist: Die Passion fürs Tanzen und für Musik. Als Kind 1 es im Alter von vier Jahren für überlebenswichtig hielt, sich täglich «Barbie und die zwölf tanzenden Prinzessinnen» reinzuziehen, hielt ich sein Verlangen nach Tanzstunden für einen Spleen. Ich hätte mich nicht mehr täuschen können. Seit das Kind zum erstenmal ein rosa Tutu getragen hat, hat es nie wieder aufgehört, zu tanzen. Der Stil hat sich dabei mehrfach geändert, die Leidenschaft ist gleich geblieben. Auch die von mir sehr angezweifelte Investition in ein Klavier habe ich nie wieder hinterfragt: Seit über zehn Jahren spielt Kind 1 fast täglich, und immer freiwillig.
Natürlich gabs auch viele Interessen, die wieder fallengelassen wurden. Die Liebe von Kind 1 zu Ponys war wohl eher dem sozialen Druck unter 11-jährigen Mädchen zuzuschreiben. Ähnlich verhält er sich mit der Begeisterung von Kind 2 für Go-Karts. Und im Fussballclub war mein Sohn auch nur, weil da halt alle Buben waren. Aber eben: Diesen verdammten «Teff» sind wir nicht losgeworden. Okay, ich gestehe, ich hätte es wohl recht komisch gefunden, hätte er sich zur Volljährigkeit einen Gabelstapler gewünscht. Auch wenn der mir vielleicht weniger schlaflose Nächte bereiten würde.