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Lisa Mosconi, ist es aus medizinischer Sicht ein Risiko, eine Frau zu sein?
Ja, denn bei Frauen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie keine angemessene medizinische Versorgung erhalten. Grund dafür ist ein Phänomen, das ich als «Bikini-Medizin» bezeichne. Es steht für die historische Tendenz, Frauen als kleinere Männer zu betrachten, die bloss andere Fortpflanzungsorgane haben. Frauenmedizin beschränkt sich noch heute hauptsächlich auf die Körperregionen, die von einem Bikini bedeckt sind. Abgesehen davon sind die Forschung und medizinischen Rahmenbedingungen zu einem grossen Teil auf Männer ausgerichtet.
In welchen Bereichen zeigt sich das besonders deutlich?
Das Problem ist in der Neurologie und der Psychiatrie offensichtlich, da die Gehirne von Frauen lange nicht untersucht wurden. Noch heute ist die Gehirn-Gesundheit von Frauen eines der am wenigsten erforschten Gebiete in der Medizin – und das, obwohl Frauen ein höheres Risiko für Krankheiten wie Depressionen, Demenz und Angstzustände haben.
Frauenmedizin beschränkt sich noch heute hauptsächlich auf die Körperregionen, die von einem Bikini bedeckt sind.
Dr. Lisa Mosconi
Weshalb ist das so?
Die Gründe können vielfältig sein, aber ein wichtiger Faktor ist die hormonelle Alterung. Darauf fokussiere ich mich in meiner Arbeit. Zusammen mit anderen Forschenden konnte ich nachweisen, dass Sexualhormone – insbesondere Östrogen – das Gehirn von Frauen vor Alterserscheinungen und Krankheiten schützen.
Und gleichzeitig sind sie mitverantwortlich für ein erhöhtes Krankheits-Risiko?
Genau, denn nach der Menopause macht der Östrogenverlust das Gehirn der Frau anfälliger für negative medizinische, umweltbedingte und lebensstilbedingte Einflüsse. Unsere Forschung deutet also darauf hin, dass die Menopause der Auslöser für viele Erkrankungen ist, von denen Frauen häufiger betroffen sind als Männer.
Wer ist Lisa Mosconi?
Dr. Lisa Mosconi ist Neurowissenschaftlerin und Nuklearmedizinerin. Die Italoamerikanerin hat in Florenz promoviert, leitet die Women's Brain Initiative und ist Direktorin der Alzheimer's Prevention Clinic am Weill Cornell Medical College in New York City. Zudem ist sie Mitglied der psychiatrischen Fakultät an der New York University. Sie hat den Bestseller «Das weibliche Gehirn» geschrieben sowie «Brain Food» mit Ernährungstipps für eine bessere Gehirnleistung.
Wie können Frauen ihr Gehirn schützen?
Es ist inzwischen erwiesen, dass ein ungesunder Lebensstil die Gesundheit des Gehirns negativ beeinflussen kann. Frauen wird besonders empfohlen, mit dem Rauchen aufzuhören und Passivrauch zu vermeiden, da Rauchen der Risikofaktor Nummer eins für eine frühe Menopause ist. Weiter ist wichtig, sich gesund zu ernähren, Sport zu treiben, ausreichend zu schlafen und Stress zu vermeiden.
Warum wurde die Erforschung des weiblichen Gehirns so lange vernachlässigt?
Die Geschichte der Erforschung geschlechtsspezifischer Unterschiede ist vor allem im Bereich der Neurowissenschaften voll von Ungenauigkeiten und Fehlinterpretationen. Bereits Darwin – der Vater der modernen Biologie – bezeichnete das Gehirn von Frauen als «von Natur aus minderwertig». Diese Aussage beruhte auf der Tatsache, dass die Gehirne von Frauen kleiner sind als die von Männern.
Im Body & Health Lab beschäftigen wir uns mit Frauengesundheit aus dem Blickwinkel der Innovation. Welche Technologien, Trends und Therapien sind richtungsweisend? Was tut sich gerade in der Forschung? Und wer sind die Menschen dahinter? Fundiert recherchierte Artikel geben Auskunft. Unterstützt werden wir dabei von unserem langjährigen Partner Toyota. Auch Toyota ist stets bestrebt, neue Lösungen zu finden und Innovationen voranzutreiben mit dem Ziel, unser Leben und unsere Zukunft besser und nachhaltiger zu machen.
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Hat dies eine Relevanz für die Gesundheit oder die Hirnleistung?
Nein. Männer haben auch grössere Füsse und können deshalb nicht besser gehen. Die Grösse des Gehirns ist einfach proportional zur Körpergrösse. Trotzdem wurden die grösseren Gehirne von Männern jahrhundertelang als Zeichen für eine höhere Intelligenz gewertet. Zum Glück haben wir diesen Unsinn hinter uns gelassen. Wir müssen aber in Bezug auf Geschlechterstereotypen, die angeblich in der Biologie begründet sind, weiterhin vorsichtig sein und sie aktiv hinterfragen.
Denken Sie, die Gender Gap in der Medizin wird sich bald schliessen?
Ich hoffe es. Im Zuge der MeToo-Bewegung haben immer mehr Wissenschaftler angeprangert, dass Frauen nicht nur in sozialen und finanziellen Belangen schlechter gestellt sind als Männer, sondern auch in der Medizin übersehen werden. Ich bin stolz darauf, dass der Zusammenhang zwischen den Wechseljahren und der Gehirn-Gesundheit von Frauen zu einem populären Thema wurde und dass unsere Arbeit einen Einfluss darauf hat, wie wir über die Gesundheit des weiblichen Gehirns denken und sprechen.
Wie sieht Ihre Zukunfts-Vision in Bezug auf die weibliche Gesundheit aus?
Frauen brauchen mehr Unterstützung während der Wechseljahre und bei der Vorbereitung auf diesen Lebensabschnitt. Es benötigt mehr Aufklärung und viel mehr Forschung. Wir müssen endlich die Stigmatisierung eines Lebensabschnitts beenden, den die Hälfte der Menschheit durchläuft. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die akzeptiert, dass Frauen während eines Meetings Hitzewallungen haben und ihnen erlaubt, ihre Wechseljahre in Ruhe zu durchleben.
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