Wenn der Partner (unerwartet) Schluss macht, fühlt sich das an wie ein Weltuntergang. Doch Trennungen sind auch immer eine Chance, sagt Paartherapeut Christian Hemschemeier.
Style: Herr Hemschemeier, wenn man urplötzlich verlassen wird, reisst einem das den Boden unter den Füssen weg. Haben Sie einen ersten SOS-Tipp?
Christian Hemschemeier: Ja. Am besten stopft man das Gehirn mit harmlosen Sachen voll. Netflixen, etwas Schönes machen, Freunde treffen oder eine Frust-Pizza essen. Am Anfang ist alles erlaubt.
Und in den Wochen danach?
Bewährt haben sich verhaltenstherapeutische Übungen, mit denen man etwa versucht, das Gedankenkarussell abzustellen. Oder das sogenannte «Bänder trennen», was eher eine spirituelle, aber sehr wirksame Übung sein kann. Ansonsten lasse ich meine Klienten gleich Ziele-Listen erstellen, die nichts mit Beziehung zu tun haben. Es gilt die Abhängigkeit von Beziehungen zu senken. Keineswegs sollte man schnell wieder in eine neue Beziehung gehen.
Wann ist es sinnvoll, sich an einen Experten zu wenden?
Wenn man nicht mehr schlafen oder essen kann und anfängt dunkle Gedanken zu bekommen – dann auf jeden Fall. Aber auch bei leichteren Fällen darf man sich gerne Unterstützung suchen.
Bringt es etwas, den Partner zu bitten, sich das mit der Trennung noch mal zu überlegen?
Wenn man selber Mist gebaut hat, ja. Sonst eher nicht. Man macht sich damit unattraktiv. Wenn überhaupt, muss der Trennende selbst erkennen, dass er einen Fehler gemacht hat. Natürlich kann man ein wenig abwarten und sehen, ob es nur ein Streit war. Aber wenn jemand sich wirklich entliebt hat, dann hilft nur umdrehen und weitergehen.
Falls es endgültig aus ist: Soll man den Kontakt zum Ex auf Null runterfahren?
Ja. Es ist quasi ein Entzug von körpereigenen Drogen. Und der ist nun mal notwendig.
Warum empfinden manche Menschen ein Beziehungsende als Weltuntergang, während andere relativ einfach darüber hinwegkommen?
Weil manche Menschen Beziehungen viel zu wichtig nehmen. Sie sind und sollten aber nur eine Säule neben anderen sein.
Definieren wir uns also generell zu sehr über unsere Liebesbeziehungen?
Ganz sicher. Beziehungen sind die neue Religion heutzutage. Aber wer nicht glücklich als Single ist, wird es in Beziehungen sehr schwer haben.
Was hat Selbstliebe damit zu tun?
Je mehr ich meinen «Inneren Eimer» selbst füllen kann, umso mehr Freude generiere ich aus mir heraus. Und dann habe ich automatisch weniger Liebeskummer.
Kann man Selbstliebe lernen?
Auf jeden Fall. Man muss es aber üben wie eine Sportart.
Kann aus Ihrer Erfahrung eine Trennung auch eine Chance für die persönliche Entwicklung sein?
Ich denke, das ist sie eigentlich immer. Wir lernen ja in der Regel nur etwas Neues, wenn etwas wirklich weh tut. Und wenn der Partner nicht mehr der Richtige ist, dann hält das Leben etwas anderes für uns bereit.