Wenn ihr irgendwann zwischen 1981 und vorgestern geboren seid, liegt die Wahrscheinlichkeit für diese Dinge bei 99,9 Prozent: 1) Ihr seid verrückt nach Avocados. 2) Blassrosa ist oder war mal eure Lieblingsfarbe. 3) Ihr benutzt Kokosöl als Lösung für so ziemlich jedes Problem, das sich euch in den Weg stellt. Trockene Haut, dunkle Zähne, geschmackloses Gemüse – wer weiss, vielleicht auch Boys, die nicht zurückschreiben, oder eine sexuelle Durststrecke. Es ist der fettreiche Star gleich mehrerer Generationen und immer für uns da. Selbst während Corona schaffte es das Kokosnussöl als eines der wenigen seinesgleichen, nicht ständig ausverkauft und mit Lieferengpässen geplagt zu sein. Eigentlich seltsam, denn die meisten von uns kaufen immer gleich zwei Gläser: eins für die Küche, das andere fürs Badezimmer. Das macht durchaus Sinn. Doch für alle Bereiche des Lebens sollte man selbst Kokosnussöl nicht verwenden. Zum Beispiel …
… fürs Gesicht
Es stimmt: Wüstentrockene Stellen auf Armen, Beinen und dem Rest des Körpers tut das Öl gut. Es zieht schnell ein und wirkt gleichzeitig antibakteriell und entzündungshemmend. Es ist – das haben die meisten Öle so an sich – nun mal auch ziemlich fettreich. Und aus genau diesem Grund hat es in unserem Gesicht nichts zu suchen. Besonders, wenn wir ohnehin mit öliger Haut oder Akne zu kämpfen haben, kann uns die dicke Schicht zu schaffen machen: Kokosöl ist stark komedogen, verstopft also die Poren im Gesicht und begünstigt so Pickel und unschöne Ablagerungen. Insofern ihr nicht mir enorm trockener, aber gleichzeitig enorm unempfindlicher Haut «gesegnet» sein, solltet ihr also lieber auf Produkte vertrauen, die für euer zartes Antlitz konzipiert sind.
… als all in One Make-up-Remover
Nicht falsch verstehen: Kokosnussöl ist ein grandioser Make-up-Entferner. Es löst die Partikel gut, brennt nicht und kommt ganz ohne Alkohol aus. ABER: Es ist kein Mizellenwasser. Nutzt ihr das Öl zum Abschminken, könnt ihr danach nicht einfach ins Bett fallen. Ihr MÜSST euer Gesicht nochmals waschen. Mit einem Produkt, das das Öl wieder von eurem Gesicht löst. Am besten doppelt. Ihr wisst schon – wegen Punkt 1.
… als Haarmaske
Ja, einige Menschen schwören auf Kokosöl in den Haaren und hunderte Videos auf Youtube zeugen davon, dass das Wundermittel scheinbar selbst längst aufgegebene Längen retten kann. ABER das ist alles nur ein Trick: Das Öl verschliesst kleinste Risse und Löcher in unserer Mähne, indem es sich auf sie legt. Einmal getrocknet sehen unsere Längen deshalb aus wie die von Negin Mirsalehi höchstpersönlich (also … fast). Die wahren Probleme wurden aber nicht angegangen: Feuchtigkeit kommt keine ins Haar (denn Öl wirkt wasserabweisend und lässt nichts mehr durch) und nach ein paar Tagen ist der Ausgangspunkt wieder der gleiche. Im besten Fall. Im schlimmsten wird alles noch trockener als zuvor. Besser sind deshalb Produkte mit niedrigem pH-Wert, die unser Haar glätten, indem sie dessen Struktur schliessen, statt füllen. Dazu regelmässige Haarmasken mit viel Feuchtigkeit – und viel Zeit. Es gibt nun mal leider keinen Shortcut für gesundes Haar.
… als Gleitgel
Wir wünschten, wir müssten das gar nicht schreiben – aber das Internet ist manchmal ein seltsamer Ort. Die unzähligen selbsternannten Gesundheitsspezialisten, die so «natürlich» wie möglich leben wollen, schwören auf Kokosnussöl als Gleitmittel und promoten das auf ihren Blogs und Instagram-Accounts. Das ist dumm, weil: es Latex-Kondome angreift, Allergien hervorrufen und den pH-Wert unserer Vagina aus dem Gleichgewicht bringen kann und dadurch das Risiko für Pilzinfektionen fördert – ah, und Research gibt es auch noch keine. Einfach lassen und auf «echtes» Gleitgel setzen, okay? Okay.
… als Heilmittel
Auch das sollte eigentlich klar sein. Wir sagen es trotzdem: Ganz allgemein ist Kokosöl immer noch vor allem eins: Fett. Und damit kein Medikament. Auch wenn es uns bei trockener Haut am Körper helfen kann, von Ekzemen und Ausschlägen wird es uns nicht befreien. Wenn euch also mehr plagt als ein kleiner Juckreiz durch abgestorbene Hautschüppchen, solltet ihr statt zum Bio-Regal im Supermarkt lieber zum Hautarzt pilgern.