An keiner anderen Körperstelle entfachen so wenig Haare, so viel Diskussionsstoff wie unter den Achseln. Die meisten mögen es heutzutage noch immer kahlrasiert, die Rebellen unter uns sehen aber keinen Grund darin, sich die Härchen abzurasieren. Vor allem nicht für andere. Sind wir plötzlich anti-feministisch, wenn wir uns weiterhin rasieren? Fangen wir mal von vorne an …
Was hierzulande erst seit rund 30 Jahren Gang und Gebe ist, war für die muslimischen Kulturen seit jeher selbstverständlich: Ganzkörperenthaarung gehört zum Reinlichkeitsgebot. Mittels Rasiermessern und Wachs enthaarten sich auch schon die alten Ägypterinnen. Der Grund? Sie wollten besser riechen und hielten sich mit der glatten Haut schlichtweg für attraktiver. Irgendwann in den 1970ern schwappte dieser Trend dann auf die USA über. Frauen begonnen plötzlich wie wild ihre Beine, Achseln und schlussendlich auch ihren Intimbereich von Haaren zu entfernen. Und wie soll es anders sein? Ein paar Jahre später übernahmen auch wir das «neue» Schönheitsideal aus den USA. Die, die wie Nena oder Patti Smith, weiterhin auf die Rasur verzichteten, fielen (negativ) auf. Der Beauty-Standard änderte sich so rasch, dass die Modebibel Vogue plötzlich Models mit Achselbehaarung von ihren Covern verbannte. So wurden beispielsweise Helmut Newtons Aufnahmen von Hanna Schygulla mit erhobenen Armen nie im Magazin veröffentlicht. Je glatter, desto besser. Dieses Motto übernahmen, dank metrosexuellen Vorbildern, sogar die Männer.
Was uns Hollywood und unsere Lieblingsmagazine seit den 1970ern sets vormachten, blieb lange nicht weiter hinterfragt. Bis plötzlich die Wende kam. Ab den 2010ern begannen immer mehr Frauen, ihr Körperhaar wieder spriessen zu lassen. Rasch kam die Frage auf: Für wen und warum rasieren wir uns überhaupt? Wirklich aus hygienischen Gründen oder weil es die Männer lieber mögen, wenn wir – zumindest der Körperbehaarung nach – aussehen wie ein Kind? Die feministische Bewegung expandierte. Dass die Entscheidung zur Rasur aus ganz persönlichen Gründen gefällt werden sollte, und nicht um anderen zu gefallen, war spätestens seit diesem Zeitpunkt hoffentlich jedem klar. Unrasierte Achseln waren plötzlich in, Rebell sein cool. Selbst Models wie Cara Delevingne, auch wenn es sich bei ihr nur um ein Toupet handelt, zeigen sich plötzlich mit buschigen Achseln. Und doch: Unrasierte Achseln bei Frauen sind inzwischen zwar weiter verbreitet als noch vor 20 Jahren, aber seien wir mal ehrlich: So richtig angekommen ist das im westlichen Beauty-Standard noch nicht.
Ob glatt wie ein Babypopo oder behaart, schräg angeguckt werden sollte aufgrund seiner Achselfrisur wirklich niemand. Das bedeutet übrigens auch, dass Frauen, die sich gern rasieren den Männern nicht auf Grundlage dessen unterwürfig und anti-feministisch sind. Ahja, und andersherum sind Frauen mit Haar unterm Arm nicht gleich ungepflegt.
Hört auf mit den Klischees und entspannt euch mal alle mal ein bisschen – es sind nur Haare.