Es gibt Becher mit Markierungen für genügend Wasseraufnahme, Eselsbrücken, Flaschen, die aufleuchten, um uns ans Trinken zu erinnern, und nur schon auf diesem Portal jede Menge Artikel mit Tipps und Tricks rund ums Thema Wasser. Nicht ausreichend zu trinken, scheint ein ziemlich weit verbreitetes Problem zu sein. Worüber hingegen kaum jemand spricht: diejenigen unter uns, die ständig durstig sind. Wer 24/7 das Gefühl hat, Wasser herunterkippen zu müssen, der ist vermutlich ziemlich genervt von der Situation, ständig Abstecher aufs WC zu machen – und möglicherweise gut damit beraten, mal seinen Hausarzt aufzusuchen. Dr. med. Dr. phil. Anna Erat ist Chefärztin des Check-up Zentrums Hirslanden Zürich und ruft zur Achtung auf.
Woher wissen wir eigentlich, wann wir Durst haben?
Prinzipiell sollte man ja nicht erst trinken, wenn man effektiv durstig ist. Wenn ihr viel an der Flasche hängt, ist das also erst einmal nichts Schlechtes. Die Expertin erklärt: «Unser Durstgefühl wird zum grössten Teil in einem Bereich des Gehirns geregelt, im Hypothalamus. Der ist empfindlich auf die Konzentration von Salzen und anderen Molekülen im Blut. Ist unser Blut zu stark konzentriert und folglich nicht mit genügend Wasser versetzt, werden die Rezeptoren im Hirn getriggert und vermitteln uns ‹trinken ist jetzt dringend nötig›.» Dem nicht nachzugeben, ist natürlich unangenehm – und auch alles andere als gesund.
Wie viel ist zu viel?
Auffällig wird es erst, wenn das Trinken Überhand nimmt und man parallel dazu auch ständig das WC aufsuchen muss, um die Flüssigkeit wieder auszuscheiden. Dr. med. Dr. phil. Erat sagt: «Durchschnittlich brauchen Männer und Frauen 1,5 bis 2 Liter Wasser pro Tag. Abhängig davon, wie viel Sport man macht und wie stark man schwitzt, kann das auch mal deutlich mehr sein.» Doch auch wenn Frauenmagazine, Models und selbsterklärte Gesundheitsexperten uns gerne anderes weismachen wollen: Von Wasser kann man durchaus zu viel trinken. «Reden wir plötzlich von mehr als 3 oder 4 Litern, ohne dass man sich mehr als üblich sportlich betätigt oder übermässig schwitzt, sollte man schon hellhörig werden. Erzwingt man das ‹mehr trinken› von sich aus, kann es zu einem Problem werden, weil es unser Blut zu stark verdünnt und wir in der Folge zu wenig Salze im Körper haben. Man nennt diesen Zustand Hyponatriämie – und der kann im Extremfall tödlich enden. Nimmt man hingegen mehr Wasser auf, weil man tatsächlich erheblichen Durst hat – und das über einen längeren Zeitraum hinweg – kann das auf Krankheiten hindeuten.»
Was kann dahinter stecken?
«Es gibt diverse Krankheiten, die ein erhöhtes Durstgefühl zur Folge haben», weiss die Chefärztin. «Ein sehr relevantes Beispiel ist Diabetes. Hier ist es so, dass der Blutzucker in unserem Kreislauf zu hoch ist. Um die Konzentration zu regulieren, gibt der Hypothalamus den Impuls, Durst auszulösen.» Auch wenn die Krankheit dadurch natürlich nicht verschwindet, betont Erat: «Man sollte das Bedürfnis zu trinken auf keinen Fall unterdrücken. Der Körper reagiert richtig.» Und auch vor der Eigendiagnose warnt sie: Neben Diabetes könnten auch andere Krankheiten, Mangelerscheinungen an Nährstoffen oder sogar Tumore ein erhöhtes Durstgefühl mit sich bringen. «Es ist enorm wichtig, dass man die Signale vom Körper nicht auf die leichte Schulter nimmt. Nur wer sich durchchecken lässt, kann diagnostiziert und entsprechend behandelt werden.»