Was bestimmt unser Leben? Was macht uns zu der Persönlichkeit, die wir sind? Fragen wie diese beschäftigen Psycholog*innen, Soziolog*innen und Hirnforscher*innen, Mediziner*innen und Philosoph*innen. Die beiden beliebtesten Antworten: die Gene, weil sie unsere Persönlichkeit und unsere Fähigkeiten bestimmen; die Umwelt, weil sie uns formt. Es ist eine Mischung aus beidem, Genen und Umwelt, da ist man sich inzwischen einig. Aber es gibt eine weitere Macht im Hintergrund. Die Hormone. Bei Frauen, das Östrogen.
Östrogen verändert die Gehirnaktivität – und damit die körperliche Aktivität. In einer Studie an Mäusen (Menschen und Mäuse haben viele der relevanten Hormone, Gene, Neuronen gemein) geht hervor, dass Östrogenschübe Prozesse im Gehirn in Gang setzen, die die Tiere – sogar die männlichen – zu mehr Aktivität trieben. Da wir aber keine Mäuse sind, ist es nicht möglich, abschliessend zu sagen, wie sich das bei uns verhält.
Aber die Ergebnisse machen neugierig. Führen hoffentlich zu weiteren Untersuchungen dazu, warum Frauen, deren Östrogen nach der Menopause nachlässt, häufig inaktiver werden. Sie unterstreichen nämlich, dass das Gehirn und interne biologische Prozesse zusammenarbeiten. Und dass diese Zusammenarbeit sich massgeblich auf Bewegung oder Stillstand des Körpers auswirkt.
Wissen ist Macht – Östrogen ist Bewegung
Seit fast einem Jahrhundert –, seit einer berühmten Studie mit Ratten aus dem Jahr 1924, wissen Wissenschaftler*innen, dass weibliche Säugetiere kurz vor ihrem Eisprung körperlich am aktivsten sind. In den letzten Jahrzehnten begannen Forscher*innen zu spekulieren, ob Östrogen eine treibende Rolle bei diesem Verhalten spielt. Die neue Studie deutet auf Mäuse-Ebene nun darauf hin.
Die Wechselbeziehung zwischen Hormonen und körperlicher Aktivität bei Frauen wird bedeutende Auswirkungen auf die Forschung am Menschen haben, die sich mit dem Menstruationszyklus, hormonellen Verhütungsmitteln und der Menopause befasst. Wir wissen ja schliesslich auch, wie wichtig körperliche Betätigung im späteren Leben für die Förderung und Erhaltung der Gesundheit ist. Die Herausforderung besteht nun darin, zu verstehen, wie man während des grossen hormonellen Übergangs in den Wechseljahren am besten aktiv bleiben kann.
Da so viele von uns heute länger leben, kann ein besseres Verständnis dafür, warum – und ob – wir uns wie viel bewegen, dazu beitragen, diese Jahre gesünder zu gestalten. Wenn wir zum Beispiel wissen, dass die Biologie älter werdende Frauen auf die Couch treibt, könnten wir Fitness-Tracker oder Trainingstagebücher verwenden, um unsere Aktivitäten von Jahr zu Jahr zu vergleichen. Das Gehirn ist ein komplexes Organ und unsere Beweggründe für Bewegung sind vielfältig und tiefgründig. Untersuchungen des Einflusses von Östrogen darauf, sind noch relativ am Anfang. Aber rücken immer stärker in den Fokus.