Popstar, Schauspielerin, Tierärztin – während viele von uns die Frage nach dem Traumberuf früher noch mit diesen Visionen beantwortet haben, sind sich die Teens heute deutlich einiger. Ganze 86% der jungen Amerikanerinnen möchten von Beruf Infulencer werden. Für alle, die sich nun ratlos am Kopf kratzen: Laut Duden ist das eine «Person, die [in sozialen Netzwerken] besonders einflussreich ist [und deshalb bevorzugt mit bestimmten Werbebotschaften o. Ä. konfrontiert wird]». Ja, 2019 kann man mit sowas tatsächlich seine Miete zahlen. Und nicht nur das, die ganz grossen Instagram-, YouTube-, oder TikTok-Stars haben ganz bestimmt schon ausgesorgt. Schauen wir uns beispielsweise die bisher erfolgreichste Fashion-Influencerin, Chiara Ferragni, an. Die gebürtige Italienerin besitzt inzwischen nicht nur diverse Luxus-Immobilien, unzählige Designer-Taschen und ein eigenes Modelabel, ihren Kontostand schätzt man derzeit auf satte 12 Millionen Euro. Läuft.
Die Utopie
Kein Wunder also, dass junge Mädchen heute so von einem Dasein als Influencer träumen, wie wir einst von dem als Popstar. Das Problem: Für die Jugendlichen von heute ist dieser Traum scheinbar zum Greifen nah. Ganze 61% der befragten Mädchen gaben an, auf Instagram bereits für Marken zu werben – und das ganz ohne dafür bezahlt zu werden. Ein Phänomen, das in den vergangenen Jahren immer mehr sogenannte Micro-Influencer aus dem Boden poppen liess. So ein Micro-Werbegesicht kann man hierzulande in der Regel schon ab 1000 Followern werden. Für Brands ist das wegen der Engagement-Rate attraktiv. Je weniger Follower ein User hat, desto williger sind sie, Bilder zu liken, Kommentare zu hinterlassen oder auf Links zu klicken. Doch egal wie sehr es sich die meisten auch wünschen, die Zeiten der grossen Durchbrüche scheinen vorbei zu sein.
Die Inflation
Geht es nämlich nach grossen Werbeagenturen wie etwa Jung von Matt, sei die goldene Zeit der Influencer längst abgelaufen. Nachdem Unternehmen in den vergangenen Jahren rund drei Milliarden Euro in Social-Media-Werbung investierten, prophezeit die Agentur nun: «Der Boom ist vorbei.» Und diese Aussage scheint nicht unberechtigt zu sein. So dürfen sich allein in Deutschland fünf Prozent der Bevölkerung mit dem Titel «Influnecer» brüsten. Für die Schweiz gibt es zwar keine offizielle Statistik, die Zahlen sollten im Verhältnis allerdings nicht viel anders aussehen. Die Nachfrage scheint mit stetig wachsenden Userzahlen zwar noch immer nicht ganz gesättigt zu sein, das Angebot aber wächst und wächst. Eine regelrechte Influencer-Inflation ist also schon in vollem Gange.
Die Frage nach dem «Warum»
Neben all den Businessentscheiden bleibt aber immer noch die Frage offen, ob der Job des Influencers auf psychischer Ebene wirklich so erstrebenswert ist. Schliesslich outen sich immer mehr einflussreiche Persönlichkeiten, darunter zum Beispiel Hailey Bieber, Selena Gomez oder jüngst Bella Hadid, an Selbstzweifeln und Depressionen zu leiden – hervorgerufen durch den Druck der sozialen Medien:
«Ich bin 22 Jahre alt und die Wahrheit ist, egal wie grossartig mein Leben von aussen vielleicht aussehen mag, ich habe zu kämpfen …»
Ob es nun Instagram oder andere, neuere Plattformen sind – das Leben, das uns da vorgegaukelt wird, ist und bleibt fake. Die Sozialen Medien sind eine Scheinwelt. Schlechte Tage, Makel oder Langweile? Existieren dort nicht. Wer mit seiner Persönlichkeit das grosse Geld machen möchte, für den ist Schwäche zeigen tabu. Und was ist schon ein Leben ohne echte Gefühle? Trotz hoher Beträge auf dem Konto am Ende ziemlich wertlos.