Wenn ich diese Einleitung fertig geschrieben habe, werde ich sie noch ein paar Mal überarbeiten. Bis ich – am Ende – immer noch nicht zufrieden sein werde. Hätte ich doch … wäre es … man könnte es jetzt romantisieren und Perfektionismus nennen. Eine Tugend. In Wahrheit ist es aber ein Laster. Und ausserdem ein Symptom unserer Zeit.
Das Gefühl, nicht zu genügen, kennen einige von uns. Ich eingeschlossen. Anstatt mir einzugestehen, dass dieser Text eben das Schlaueste ist, was ich hervorbringe, rede ich mir ein, ich könnte mehr, wenn ich nur richtig wollte.
Und das gilt nicht nur für den Job, sondern für jeden Bereich des Lebens: gesünder Essen, ein Instrument perfekt beherrschen – sowieso in allem perfekt sein. Wir leben im Zeitalter des Individualismus, schrauben an uns herum wie an einer Maschine. Selbstoptimierung ist das Wort für diesen Impuls. Ein Konzept, das Gift sei, sagt Psychologin Felizitas Ambauen.
Was ist das Selbstbewusstsein?
Das Selbst besteht aus einer Trilogie. Aus drei Aspekten. Dem Selbstbewusstsein. Dem Selbstwert. Der Selbstfürsorge.
- Selbstbewusstsein: Damit definiert man, wer man ist. Was man kann, wie viel Platz man einnehmen darf, wo die eigenen Grenzen sind.
- Selbstwert: Das subjektive Gefühl des Wertes der eigenen Person. Er beinhaltet zu wissen, wo man stopp sagt, was man will, was man mit sich machen lässt.
- Selbstfürsorge: Das ist bei der Therapie das grösste Thema und definiert was man braucht, was seine Bedürfnisse sind, wie diese zu erfüllen sind.
Vorsicht vor der Arrogance-Trap?
«Arroganz ist das Resultat von Unsicherheit – nicht von hohem Selbstbewusstsein», sagt Ambauen. Während Selbstbewusstsein intrinsisch ist, also von sich aus motiviert wird, hängt Arroganz ganz stark von der Bestätigung der Aussenwelt ab. Echtes Selbstbewusstsein ist nicht Egoismus.
Wie beim Pfau, der ein Rad schlägt, solle man sich das vorstellen. Eine Art Überkompensation. Es ist von allem etwas zu viel. Zu viel Distanz. Zu viel Gehabe, zu viel Make-up … aber eben nie: zu viel Selbstbewusstsein.
Also, los mit selbstbewusstseins-steigernden Massnahmen!
Tipps für einen höheren Selbstwert
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Sport: Liest man immer wieder. Nach dem Sport fühle man sich stark. Man fühle sich gut. Gemäss Ambauen ist dabei die Gefahr jedoch gross, sich einfach auf Äusserlichkeiten und übersteigerte Ideale zu konzentrieren. Im schlimmsten Fall fördert man damit ein Überkompensationsverhalten.
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Informationen sammeln, Probleme analysieren, seine Muster erkennen: Durch das Lesen von Büchern, das Hören von Podcasts – hier kann Ambauen bei ihrem «Beziehungskosmos» die Folgen 4 und 8 empfehlen.
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Selbstbeobachtung nach Innen: Eine Kombination aus Selbst- und Fremdwahrnehmung. Für sich zu überlegen, was kann ich wirklich gut. Sich auch fragen, ob man mit dieser aktuellen Version seiner Selbst in einer Beziehung sein wollen würde. Überlegen: Was würden andere sagen, was sie an mir schätzen. Jemand mit einer gesunden Trilogie kann das ohne Probleme beantworten. Jemand, der sich noch nicht gefunden hat, tut sich schwer damit.
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Selbstbeobachtung im Spiegel: Sich anschauen. Nicht auf die Lippen, nicht auf die ungezupften Augenbrauen. In die Augen. Sich dabei fragen: «Wie gehts dir heute, was brauchst du heute?» Und vor allem: Lernen zu verstehen, was man braucht, welche Bedürfnisse man hat. Ist man müde, braucht man Ruhe?
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Instagram-Feed ausmisten: Man setzt sich mehrmals täglich freiwillig diesem Gefühl aus, das Instagram einem vermittelt. Darum lohnt es sich genau hinzuschauen, den Feed durchzugehen und sich dabei zu fragen, was man sich da eigentlich präsentieren lässt. Nur Profile, die auf Hochglanz getrimmt sind? Nur hohle Oberflächlichkeit? Faustregel: Wenn einen jemand dreimal hintereinander genervt hat, sollte man dem entsprechenden Profil entfolgen.